Gleichpreisigkeit im Gesamtvorstand

Die ABDA und die Apothekenreform – Ein Tanz auf dem Drahtseil

Berlin - 16.08.2019, 14:00 Uhr

Die ABDA setzt bei der Apothekenreform alles auf eine Karte: Man unterstützt das Gesetz der Bundesregierung weiterhin, obwohl es von mehreren Seiten angegriffen wird. (Foto: DAZ.online)

Die ABDA setzt bei der Apothekenreform alles auf eine Karte: Man unterstützt das Gesetz der Bundesregierung weiterhin, obwohl es von mehreren Seiten angegriffen wird. (Foto: DAZ.online)


Am gestrigen Donnerstag kamen die Spitzen der 34 Apothekerkammern und -verbände zu einer Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes zusammen. Unter anderem ging es um die geplante Apothekenreform. Offiziell bleibt die ABDA bei ihrer Forderung, die Gleichpreisigkeit auch für den PKV-Bereich zu erhalten. Die ABDA-Spitze soll allerdings deutlich gemacht haben, dass für die Rettung der Rx-Preisbindung im Arzneimittelgesetz wenig Hoffnung besteht. Die Entscheidung, weiter auf die Rechtssicherheit des Apotheken-Stärkungsgesetzes zu setzen, ist ein Tanz auf dem Drahtseil für die Apotheker, denn dabei kann ziemlich viel schief gehen.

Die ersten Bundesratstermine für die Apothekenreform stehen fest und auch im Bundestag zeichnet sich ab, dass das Apotheken-Stärkungsgesetz erstmals im Oktober beraten werden könnte. Es geht also in die „heiße Phase“ im Gesetzgebungsverfahren: In den kommenden Wochen und Monaten wird sich entscheiden, über welche Inhalte der Bundestag im Spätherbst entscheiden wird. Kern des Gesetzes ist das Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Sozialgesetzbuch V etablieren will. Gleichzeitig soll das bisherige Boni-Verbot aus dem Arzneimittelgesetz gestrichen werden – so wie es die EU-Kommission in ihrem Vertragsverletzungsverfahren verlangt.

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Bei ihrer gestrigen Gesamtvorstandssitzung bekräftigten die Spitzen der 34 Kammern und Verbände ihre Haltung zu diesem Punkt: Die Apotheker bestätigten die Beschlusslage der letzten ABDA-Mitgliederversammlung, dem wichtigsten Entscheidungsgremium der ABDA. Die MV hatte festgelegt, dass man das Gesetz zwar positiv begleiten wolle, aber weiterhin den Erhalt des AMG-Satzes zur Gleichpreisigkeit einfordert. Denn die größte Sorge der Apotheker ist und bleibt, dass mit seiner Streichung und der „Aufgabe“ des PKV-Bereichs die gesamte Rx-Preisbindung kippt.

Hört man sich im Apothekerlager um, gab es aber genau zu diesem Punkt einmal mehr intensive Diskussionen unter den Kammer- und Verbandschefs. Denn die ABDA-Spitze um Präsident Friedemann Schmidt soll versucht haben, die ABDA-Mitglieder davon zu überzeugen, diese Forderung zu relativieren. Denn: Wenn das Gesetz in Kraft tritt und beklagt wird, sei es wichtig, vor dem EuGH mit der Bundesregierung „eine einheitliche Linie“ zu haben, argumentiert die ABDA-Spitze. Heißt konkret: Wenn sich die Apotheker und die Bundesregierung gemeinschaftlich hinter das geplante Gesetz und das Rx-Boni-Verbot im SGB V stellen, sei die Chance höher, dies auch zu verteidigen. Die ABDA erinnerte zudem erst kürzlich in einem Rundscheiben an ihre Mitglieder, dass man viele Verbesserungen gegenüber dem ersten Referentenentwurf erwirkt habe. Dazu gehöre unter anderem, dass ein Hinweis auf das neue Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht auch in § 7 des Heilmittelwerbegesetzes – dem Zugabeverbot – etabliert werden soll.

Apotheker setzen alles auf eine Karte

Die Spitzen zahlreicher Kammern und Verbände haben diesbezüglich aber eine andere Meinung und weisen auf die Gefahren dieses Kurses hin. Zunächst befürchten die Apotheker, dass sich derzeit anhängige Verfahren, in denen es um die Rx-Preisbindung geht, beispielsweise vor dem OLG Köln und dem OLG München, mit einer Streichung der Preisbindung im AMG erledigt haben könnten. Geäußert wurde zudem der Gedanke, dass auch das strikte Verbot der Werbegaben im § 7 des HWG, das der Bundesgerichtshof gerade erst bestätigt und zementiert hat, nach einem weiteren EuGH-Verfahren in wanken kommen könnte. Die Befürchtung ist also: Verknüpft man das neue Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch V mit dem Heilmittelwerbegesetz, könnte der EuGH in einem neuen Verfahren noch mehr Regelungen kippen. Die Kammer Nordrhein hatte kürzlich auch einen Brief an die ABDA geschickt, in dem genau dieser Gedanke beschrieben wird. 

Auch über die politischen Gefahren des Gesetzes wurde gesprochen. Spahn hatte auf Druck des Bundesjustizministeriums zusichern müssen, dass er sein Vorhaben vor der parlamentarischen Beratung mit der EU-Kommission abstimmt. Nach Informationen von DAZ.online sollen die Beratungen zwischen dem BMG und der Kommission unmittelbar bevorstehen. Gemeinsam sprachen die Apotheker über mögliche Szenarien: Das für die Pharmazeuten beste Szenario wäre, dass sich die EU-Kommission vom BMG überzeugen lässt, dass das Rx-Boni-Verbot im SGB V europarechtskonform ist und das Vertragsverletzungsverfahren fallen lässt. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Kommission Nachbesserungen wünscht, ohne diese genau zu definieren. In diesem Fall könnte sich die Große Koalition nochmals Gedanken darüber machen, wie man die Rx-Preisbindung zumindest teilweise retten kann. Dann wäre es allerdings gut möglich, dass Spahn zu seinem ursprünglichen Vorschlag zurückkehrt: ein Rx-Boni-Deckel bei 2,50 Euro. Schließlich wäre es auch denkbar, dass die EU-Kommission der Bundesregierung auch mitteilt, dass für EU-Versender gar keine Begrenzungen mehr zu gelten haben, in diesem Falle wäre auch ein Boni-Deckel nicht mehr machbar.

Fest steht also, dass die von Spahn geplante Reform gleich von mehreren Seiten angegriffen wird: Die EU-Kommission erinnert an ihr Vertragsverletzungsverfahren, die deutschen Versender wünschen sich ähnliche Preisfreiheiten wie sie für EU-Versender bereits gelten und auch DocMorris hat bereits eine Klage angedroht, wenn der Bundestag das Rx-Boni-Verbot im SGB V festsetzen sollte. Die Standesvertretung der Apotheker klammert sich trotzdem weiterhin an das Gesetz – in der Hoffnung, in einem neuen EuGH-Verfahren dazu Recht zu bekommen. Die von den ABDA-Mitgliedern geäußerten Bedenken verdeutlichen aber: Kippt der EuGH auch das Rx-Boni-Verbot im SGB V, würde es wohl zu weitergehenden Deregulierungen an der Rx-Preisbindung kommen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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8 Kommentare

Apothekenbefragung fällig?

von Christian Timme am 16.08.2019 um 22:23 Uhr

Wer nicht fragt ... bekommt auch nicht das wofür er bezahlt. Wer jetzt nach DAV, BAK und ABDA ruft, sollte der ersten Satz nochmal lesen ....

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EU

von Reinhard Rokitta am 16.08.2019 um 18:48 Uhr

Irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass die EU das Sagen über den deutschen Apothekenmarkt hat und nicht die Bundesregierung. Weiterhin kristallisiert sich für mich heraus, dass Herr Spahn anscheinend zusätzliche Optionen in der Hinterhand hat, die sog. flächendeckende Versorgung zu sichern - auch mit weniger als 15.000 Apotheken. Denn für den Begriff "Flachendeckende Versorgung" gibt es keine Definition und schon gar nicht eine Vision. Die ABDA hat sich selbstverschuldet in die Lage eines Mitläufers gebracht, aus der sie nicht mehr rauskommt. Politisch zu melden hat sie nichts. Welche Konsequenzen das für die öffentliche Apotheke haben wird, kann sich jeder ausmalen... Nebenbei: Die ABDA vertritt ausschließlich 34 Mitglieder, nicht mehr und nicht weniger (s. Lobbyliste des deutschen Bundestages)

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AW: EU = Einheitlicher Untergang

von Bernd Jas am 20.08.2019 um 20:58 Uhr

Sehr gut Reinhard,
das ist das Resultat (man sollte schon meinen) angeborenem oder auch genetisch fixiertem und obrigkeitshörigen Duckmäusertums.
Das sollte sich jeder mal auf der Zunge zerschmelzen lassen:
"Die ABDA-Spitze soll allerdings deutlich gemacht haben, dass für die Rettung der Rx-Preisbindung im Arzneimittelgesetz wenig Hoffnung besteht."
Da ist er wieder, der Treibsand unter der Eckpfeilern unserer Existenz. Ein Trümmer begräbt den anderen und ist von der Bildfläche verschwunden. (Siehe RX-VV usw.)
Allein die Hoffnung auf Honorierung der künftigen Dienstleistungen wabert in den Hirnen in Richtung Nucleus accumbens, um dann erfahren zu müssen, dass wieder mal nur die schon sprichwörtlichen 25 ct dabei herauskommen.
Danach kann Ann Kathrin ihr Video noch mal auspacken und
als Endlosschleife mit den jeweiligen Platzhaltern abspulen.

Eine Frage des Verstehens und der Verantwortung

von Benjamin Schäfer am 16.08.2019 um 15:35 Uhr

Liebe ABDA,
Es ist sicher nicht leicht so viel Kritik ausgesetzt zu sein und mit Sicherheit werden Sie reichlich beleidigende Post erhalten, was nicht richtig und fair ist, daher ein sachlicher Versuch des Verstehens.
Ich verstehe Ihren Kurs nicht. Es ist ein Kurs des Reagierens nicht des Agierens. Es ist ein Kurs der ruhigen nüchternen Analyse, kein Kurs der einen Kampf für die öffentliche Apotheke zeigt. Ihre aktuelle Analyse bezüglich der Apothekenzahlen und der Flächendeckung ist sicherlich richtig, doch beinhaltet sie lediglich den Status quo und nimmt nicht Rücksicht auf die Verhältnisse auf die wir zusteuern. Da frag ich mich doch, ob Sie sich überhaupt zuständig und verantwortlich für den Verlust tausender Betriebsstätten, arbeitslosen Apothekenmitarbeitern und etlichen Lebenskrisen von selbstständigen Inhabern fühlen. Es kann ja auch sein, dass sie sich bereits mit vielen "Kröten" abgefunden haben. Kröten verstehe ich als die ständige Aufforderung der Politik, dass sich der Apothekenmarkt endlich konsolidieren solle und wir eine Apothekendichte wie in Holland oder Dänemark anstreben sollten. Dazu kann ich nur sagen: das klingt betriebswirtschaftlich bestimmt ganz toll und sorgt für Sektgläserklirren bei den Krankenkassen. Aber als angestellter Apotheker einer Landapotheke kann ich Ihnen sagen: Dieser Fahrplan wird Patienten, die das nicht wie in den o. erwähnten Ländern gewohnt sind, ganz konkret schaden. Und damit meine ich nicht schaden im Sinne von "Die Patienten müssten fleißiger werden und den Umgang mit digitalen Medien endlich lernen" sondern ich meine ganz genau die etlichen Patienten, die im Grunde Pflegefälle sind, die aber teils aus Stolz, teils aus Mangel an sich kümmernden Angehörigen sich mühevoll alleine durchs Leben kämpfen. Wird diesen Leuten die Apotheke von heute auf morgen genommen, folgt Resignation, Selbstaufgabe und vermeidbares körperliches Leid. Es sind die Kümmerfälle, für die bisher durch einfache Zuwendung, Empathie und Anstrengung über den Kontrahierungszwang und das Honorar hinaus "gereicht hat", die zukünftig im Regen stehen. Da braucht man auch kein hochspezialisiertes MM oder Ähnliches, sondern den guten alten Regenschirm in Form der Apotheke. Und wenn jetzt ein schlauer BWL-Theroetiker sagt: "Tja, die Pflegefälle müssen halt alle ins Heim, und der Rest muss in der Lage sein digital und rechtzeitig seine Medis zu bestellen, dem sage ich als Praktiker: "Es wird nicht funktionieren" Die Patienten, die auf der Strecke bleiben, werden aber keine Lobby haben, sondern sang und klanglos nach dem Motto "survival of the fittest" untergehen. Simple Kümmerfälle werden dann zu Notfällen - ganz konkret. Und genauso konkret werden sich dann die Notfallambulanzen darüber freuen! In dem Moment, wo sie das nicht glasklar dem Gesundheitsminister und allen treibenden Kräften deutlich machen (und ja, da dürfen auch die braven Apotheker mal auf den Tisch hauen), machen wir uns mitverantwortlich. Denn in der Laienpresse höre ich immer nur, dass wir Apotheker uns über das "Stärkungsgesetz" freuen. Bei den Ärzten sind Streikandrohungen ernst gemeint und deswegen reagiert Selbstverwaltung und Politik sofort. Das ist nicht unethisch sondern einfach nur der einzige praktikable Weg prophylaktisch die Versorgung zu sichern. Wenn tausende Apotheken schließen, haben wir nämlich (insbesondere in den < 6000 Einwohner Gebieten) streikähnliche Zustände, aber dafür dann irreversibel. WIR SIND DAFÜR VERANTWORTLICH

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AW: Eine Frage des Verstehens und der

von Karl Friedrich Müller am 16.08.2019 um 15:55 Uhr

toll geschrieben und so wahr.
BWLer, Politiker und sonstige Schreibtischtäter (dazu zähle ich auch unsere ABDA, die den Kontakt zu ihren kunden verloren hat), sehen nur noch "Fälle", "Kunden" , also nur Abstraktes.
Der Mensch aber ist ein Individuum und muss als solches gesehen und behandelt werden. es lassen sich eben nicht alle über einen Kamm scheren oder in eine Form pressen.
Die Folge wird sein, wie von Ihnen sehr schön beschrieben, sehr viel Leid. Weil die Kümmerer wegfallen, nicht nur bei uns, sondern auch sonst. Ärzte, Praxen, die nahe Versorgung.

AW: Eine Frage des Verstehens und der

von Karl Friedrich Müller am 16.08.2019 um 18:01 Uhr

dazu auch in der ZDF Mediathek: 37 Grad. Notfall Hausarzt.

AW: Kümmerfälle

von Thomas Strauch am 17.08.2019 um 21:44 Uhr

Lieber Herr Schäfer,

danke für diesen Kommentar, das ist eine sehr treffende Zusammenfassung. Der Kurs der ABDA macht mich eher traurig als wütend, da ich ihn wirklich nicht verstehe.
Es sind genau die "Kümmerfälle" - und davon gibt es nicht wenige - für die wir nicht nur Schubladenzieher mit Apothekenpreisen, sondern wichtige Stütze und Bezugsperson sind und für die ein Wegfall der Apotheken vor Ort einen tiefen Einschnitt bedeutet. Leider sind das gleichzeitig die Menschen, die politisch kaum Gewicht bzw. keine öffentliche Stimme haben und deshalb offenbar übersehen & ignoriert werden.

Als junger Apotheke auf dem Weg in die Selbstständigkeit wünsche ich mir vor allem Planungssicherheit. Das RxVV ist die offensichtlich beste Lösung. Wenn man den Menschen in Ruhe die Argumente dafür erklärt, stimmt fast jeder zu.

Ich bin für eine damit verbundene Verpflichtung zum Botendienst in irgendeiner Form. Damit es nicht übermäßig ausgenutzt wird vielleicht erst ab einem gewissen Alter und für Menschen mit Pflegestufe / Behinderung / chronischen Erkrankungen usw...

umso

von Christiane Patzelt am 16.08.2019 um 14:43 Uhr

unverständlicher, warum die ABDA das RxVV fallen ließ und jetzt hier hochspekulativ mit unserem Eigentum umgeht! Wo gibt es denn so was? Wir sind hier doch nicht an der Börse und riskieren mal n bißchen was..? Tanzen nach der Flöte vom Spahn-und was ist in 5 Jahren? Spahn weg und die Apotheken auch?

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