Lieferengpässe auf dem DAT

Apotheker fordern Export-Verbot und Strafen für Nicht-Lieferbarkeit

Berlin - 15.08.2019, 13:45 Uhr

Tägliches Geschäft für Apotheker: Immer häufiger sind Arzneimittel nicht lieferbar. Auf dem Deutschen Apothekertag soll in diesem jahr über Konsequenzen gesprochen werden. (Foto: imago images / Steinert)

Tägliches Geschäft für Apotheker: Immer häufiger sind Arzneimittel nicht lieferbar. Auf dem Deutschen Apothekertag soll in diesem jahr über Konsequenzen gesprochen werden. (Foto: imago images / Steinert)


Der diesjährige Deutsche Apothekertag (DAT) wird einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt bekommen: Arzneimittel-Lieferengpässe. Weil die Liste der nicht lieferbaren Präparate Tag für Tag steigt und teils lebensnotwendige Arzneimittel immer häufiger defekt sind, fordern die Apotheker nun zahlreiche Konsequenzen. Unter anderem wollen sie die Nicht-Lieferbarkeit für Hersteller und Großhändler strafbar machen, sich selbst ein Export-Verbot verhängen und Änderungen an den Rabattverträgen erwirken.

Liest man sich das vorläufige Antragsbuch des DAT 2019 durch (der ABDA-Gesamtvorstand muss noch zustimmen), fallen einem einige Schwerpunktthemen auf. Einige Inhalte sind aus den vergangenen Jahren bestens bekannt, wie etwa der Versandhandelskonflikt oder die Digitalisierung des Gesundheitswesens. In diesem Jahr wird aber ein weiterer Schwerpunkt auf den Arzneimittel-Lieferengpässen liegen. In zahlreichen Anträgen aus mehreren Kammern und Verbänden machen die Apotheker Vorschläge, wie sich die Versorgungssituation für die Patienten verbessern soll. Die Sprache in diesen Anträgen ist deutlich, sie klingt teils alarmiert.

In einem zusammengefassten Antrag der Kammer Sachsen-Anhalt, sowie der Verbände aus Westfalen-Lippe und Berlin wird beispielsweise gefordert, dass Apotheker, Ärzte, Hersteller und Großhändler eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der Engpässe erarbeiten. Die Apotheker weisen darauf hin, dass zuletzt auch immer wieder lebensnotwendige Präparate, wie etwa Oxytocin i.v., Thiopental i.v., Theophyllin i.v. fehlten. Oftmals stellten die Pharmaunternehmen diese Ware nur noch „on demand“ her.

Die Apotheker formulieren daher die folgenden Forderungen:

  • Während für Apotheken eine Mindestlagerhaltung in der Apothekenbetriebsordnung vorschrieben ist, fehlt eine entsprechende Vorgabe für die pharmazeutische Industrie völlig. Daher sollten die „unverzichtbaren Arzneimittel“ definiert und die Industrie verpflichtet werden, diese für einen Zeitraum von zwei Monaten vorrätig zu halten.
  • Hersteller sollen verpflichtet werden, die Lieferfähigkeit sicherzustellen. Dies solle sowohl Voraussetzung für den Abschluss als auch für die Fortgeltung von Rabattverträgen sein.
  • Es sollten immer mehrere Rabattarzneimittel zur Auswahl stehen. Kriterium für den Abschluss von Rabattverträgen könne nicht nur der günstigste Preis sein, sondern die Versorgungssicherheit.
  • Die Meldung von Lieferengpässen durch die Hersteller an das BfArM ist derzeit freiwillig. Das reicht aus Sicht der Apotheker aber nicht aus.
  • Der zunehmenden Kontingentierung von Arzneimitteln durch die Unternehmen müsse durch „geeignete Maßnahmen“ entgegengetreten werden.
  • Die Apotheker weisen darauf hin, dass Patienten oft schon Mehrkosten in Kauf nehmen, weil keine Arzneimittel lieferfähig sind, deren Preis unterhalb des Festbetrages liegt. Hier könnte eine vorübergehende Aussetzung des Festbetrages für Abhilfe sorgen, so der Vorschlag.
  • Was die Rücksprache mit den verordnenden Ärzten betrifft, könnte eine, zwischen Ärzten, Apothekern und Krankenkassen abgestimmte Vorgehensweise etabliert werden. (Zum Beispiel: Aussetzung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Taxbeanstandungen bei Arzneimitteln/Wirkstoffen, die von Lieferengpässen betroffen sind.)

Kammer Sachsen: Export-Verbot für Apotheker und Großhändler

Doch damit noch nicht genug. Verband und Kammer aus Baden-Württemberg sowie die Kammer aus Westfalen-Lippe fordern, dass eine „solide Wissensbasis“ über die Ursachen von Defekten gebildet wird, um Lösungen zu schaffen. In der Begründung folgt dann noch die Forderung nach einer Strafbarkeit für die Nicht-Lieferbarkeit: „Beispielsweise sollte im Rahmen des § 52b Abs. 2 Arzneimittelgesetz eine Strafbewehrung pharmazeutischer Unternehmer für Nicht-Lieferfähigkeit eingeführt werden.“ Auch über die Auslagerung der Produktionsstätten nach Asien wird immer wieder diskutiert – insbesondere nach dem im vergangenen Sommer bekannt gewordenen Valsartan-Skandal. Kammer und Verband aus Baden-Württemberg wollen daher erreichen, dass „zur Sicherung der Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen und alltäglichen Arzneistoffen in Europa wieder Produktionsstätten für Arzneistoffe“ errichtet werden.

Ein schwieriges Thema will die Sächsische Landesapothekerkammer von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gerne ansprechen. Immer wieder haben die Hersteller ihrerseits nämlich auf die Export-Tätigkeiten von Apothekern und Großhändlern hingewiesen, wenn es um Engpässe ging. Die Kammer fordert nun, „die rechtlichen Möglichkeiten eines Exportverbots für Fertigarzneimittel, die für die Versorgung der deutschen Bevölkerung dringend benötigt werden und trotzdem durch einzelne Großhändler und Apotheken mit Großhandelserlaubnis nach § 52a AMG immer wieder in den europäischen Markt verkauft werden, umfassend zu prüfen und schnellstmöglich umzusetzen“. Somit könne der „zweckentfremdete Weiterverkauf“ unterbunden werden. Die Kammer verweist auch auf Belgien, wo kürzlich ein solches Verbot verhängt wurde.

Gemeinsam fordern die Apothekerkammern aus Hamburg und Sachsen, dass Hersteller gesetzlich dazu verpflichtet werden sollten, die Nicht-Lieferbarkeit mit Grund und voraussichtlichem Zeitraum in einer zentralen Datenbank online verbindlich bereitzustellen. Und auch diese beiden Kammern wünschen sich eine Strafbarkeit für Engpässe. Der Gesetzgeber/Verordnungsgeber solle dafür sorgen, dass Ordnungswidrigkeitstatbestände im AMG verankert werden, „sofern pharmazeutische Unternehmer und Arzneimittelgroßhändler ihrer Pflicht einer angemessenen und kontinuierlichen Bereitstellung von zugelassenen Fertigarzneimitteln nicht nachkommen“.

Hier finden Sie die weiteren Antragsschwerpunkte auf dem diesjährigen DAT:



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Strafen bei Nicht- lieferbarkeit

von Christoph am 19.08.2019 um 11:23 Uhr

Klingt in der Theorie gut. Aber warum sollte ich dann als PU meine AM in Deutschland anbieten?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Strafen bei Nicht- lieferbarkeit

von Jörg am 05.09.2019 um 20:54 Uhr

Weil ich als PU Geld verdienen will?

Ich plädiere dafür, dass AM, die länger als vier Wochen nicht lieferbar sind, automatisch eine AV-Meldung bekommen, die zwangsweise nach weiteren vier Wochen in der Praxissoftware jedes Arztes hinterlegt sein muss.
Das würde unser Leben dramatisch vereinfachen, denn „AV“ muss nicht bei Rabattverträgen beachtet werden und zählt nicht bei der Preisgünstigkeit.

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