Ondansetron bei Hyperemesis gravidarum

Schwangerschaftserbrechen: Neue Sicherheitshinweise zur Therapie

Stuttgart - 12.08.2019, 11:30 Uhr

Eine Flüssigkeits- und Glukosesubstitution kann bei schwerem Schwangerschaftserbrechen nötig sein. Dabei muss laut Embryotox vor allem auf die Vitaminzufuhr (Vitamin
B1, Vitamin B6 und B12) geachtet werden. (c / Foto: mikumistock / stock.adobe.com) 

Eine Flüssigkeits- und Glukosesubstitution kann bei schwerem Schwangerschaftserbrechen nötig sein. Dabei muss laut Embryotox vor allem auf die Vitaminzufuhr (Vitamin B1, Vitamin B6 und B12) geachtet werden. (c / Foto: mikumistock / stock.adobe.com) 


Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat am vergangenen Donnerstag die neuen PRAC-Empfehlungen zu Änderungen des Wortlauts von Fach- und Gebrauchsinformationen veröffentlicht. Darunter befindet sich auch eine Änderung des Abschnitts „4.6. Schwangerschaft“ in der Fachinformation des 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten Ondansetron. Was bedeutet das für die Therapie von Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft?

Indiziert ist Ondansetron zwar nur bei Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen unter Zytostatika- und Strahlentherapie. Off-Label kommt es laut Embryotox aber auch in der Schwangerschaft bei Hyperemesis gravidarum zum Einsatz. Das schien „bei Versagen besser untersuchter Antiemetika und schwerer Symptomatik“ bislang auch nicht weiter problematisch zu sein. Der Erfahrungsumfang wird von Embryotox als „sehr hoch“ eingestuft. Allerdings scheinen die Untersuchungen zur Anwendung in der Schwangerschaft bislang widersprüchliche Ergebnisse geliefert zu haben. So soll die Erfahrung im 2. und 3. Trimenon gegen ein erhöhtes Risiko für Totgeburten, Frühgeburten oder ein verringertes Geburtsgewicht sprechen. Und auch im 1. Trimenon sollen rund 3.000 ausgewertete Schwangerschaften weder ein erhöhtes Spontanabortrisiko noch eine erhöhte Gesamtfehlbildungsrate gezeigt haben. „Ein gering erhöhtes Risiko für Ventrikelseptum-Defekte“ wird laut Embryotox aber diskutiert, wenn in der sensiblen Phase behandelt wird.

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Wird die Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) nun aber umgesetzt, so wird in den Fachinformationen von Ondansetron künftig auf ein neues Risikosignal hingewiesen: „Geburtsfehler nach Exposition im ersten Trimenon der Schwangerschaft.“ 

Dementsprechend sollen die Texte der Fachinformationen aktualisiert werden: Ondansetron soll im 1. Trimenon nicht angewendet werden. Aufgrund epidemiologischer Studien steht Ondansetron im Verdacht, orofaziale Missbildungen zu verursachen, wenn es im 1. Trimenon zum Einsatz kommt. In einer Kohortenstudie mit 1,8 Millionen Schwangerschaften war die Anwendung im ersten Trimester mit einem erhöhten Risiko für Lippen-Kiefer-Gaumenspalte verbunden (drei zusätzliche Fälle pro 10.000 behandelte Frauen). Die verfügbaren epidemiologischen Studien zu Herzfehlbildungen scheinen aber weiterhin widersprüchlich zu sein.

Bis zu 2 Prozent der Schwangeren leiden unter schwerem Erbrechen und Übelkeit

Laut Embryotox leiden rund 50 Prozent aller Schwangeren an Übelkeit und Erbrechen in der Frühschwangerschaft. In 0,2 bis 2 Prozent der Schwangerschaften verlaufe die Erkrankung aber schwer. Man spricht dann von Hyperemesis gravidarum, die durch ständiges Erbrechen, Dehydratation, Gewichtsverlust (> 5 Prozent) und Elektrolytveränderungen gekennzeichnet ist.

Aus der Apotheke dürften vor allem alternative Therapiemaßnahmen wie Ingwer und Vitamin B6 (Pyridoxin)-Supplementierung bekannt sein. Laut Embryotox reduzieren diese zwar tatsächlich die Übelkeit, nicht jedoch das Erbrechen.

Therapie der Wahl bei Schwangerschaftsübelkeit

Mittel der ersten Wahl bei Schwangerschaftsübelkeit ist laut Embryotox eigentlich Meclozin. Das Antihistaminikum ist allerdings in Deutschland schon seit 2007 nicht mehr erhältlich, soll aber aus dem Ausland weiterhin bezogen werden können.

In den USA und Kanada komme Doxylamin in Kombination mit Pyridoxin (Vitamin B6) am häufigsten zum Einsatz und ist dort auch für diese Indikation zugelassen. In Deutschland ist Doxylamin zwar auch erhältlich, allerdings nur als Schlafmittel. Dimenhydrinat und Diphenhydramin seien wirksame Alternativen und sind auch tatsächlich bei Übelkeit indiziert, bei vorzeitiger Wehentätigkeit in höheren Wochen sollen sie aber zurückhaltend angewendet werden.

Haben alle bis hier genannten Therapiemaßnahmen versagt, können laut Embryotox Metoclopramid oder Ondansetron versucht werden. Ondansetron soll einer Studie zufolge der Kombination Doxylamin/Pyridoxin überlegen sein und auch Metoclopramid gegenüber gilt es in Bezug auf Erbrechen als überlegen. Die Übelkeit werde aber durch beide gleich stark beeinflusst.

Angesichts der neuen Sicherheitshinweise zu Ondansetron bleibt nun abzuwarten, inwiefern Embryotox seine Empfehlungen anpassen wird und ob Metoclopramid Ondansetron in Zukunft vorzuziehen ist.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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