Anwendungsbeschränkung bei MS-Arzneimittel

Gilenya nur mit sicherer Verhütung

Stuttgart - 30.07.2019, 07:00 Uhr

Kein Gilenya in der Schwangerschaft. Die EMA aktualisiert die Anwendungsbeschränkungen des Multiple-Skerose-Arzneimittels. Gebärfähige MS-Patientinnen müssen unter Fingolimod sicher verhüten. (s / Foto: Photographee.eu / stock.adobe.com)

Kein Gilenya in der Schwangerschaft. Die EMA aktualisiert die Anwendungsbeschränkungen des Multiple-Skerose-Arzneimittels. Gebärfähige MS-Patientinnen müssen unter Fingolimod sicher verhüten. (s / Foto: Photographee.eu / stock.adobe.com)


Fingolimod ist bei Schwangeren und MS-Patientinnen mit Kinderwunsch kontraindiziert. Die EMA warnt vor Fehlbildungen an Herz, Nieren, Knochen und Muskeln beim Kind, wenn Frauen unter dem Multiple-Sklerose-Arzneimittel schwanger werden. Besteht unter Gilenya ein Kinderwunsch, müssen Frauen nach Absetzen von Fingolimod noch zwei Monate sicher verhüten. Wie sieht es in der Stillzeit aus?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) beschränkt die Anwendung des MS-Arzneimittels Gilenya®. Schwangere und gebärfähige Frauen ohne sichere Verhütung dürfen nicht mit Fingolimod behandelt werden. Grund ist, dass Babys von Multiple-Sklerose-Patientinnen, die während der Schwangerschaft Gilenya® einnahmen, ein doppelt so hohes Risiko für Fehlbildungen zeigen, wie sie in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Laut Eurocat, dem europäischen Netzwerk bevölkerungsbezogener Register für die epidemiologische Überwachung kongenitaler Anomalien, liegt die in der Allgemeinbevölkerung beobachtete Rate an Missbildungen bei 2 bis 3 Prozent.

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Eine Überprüfung entsprechender Berichte nach Zulassung von Fingolimod förderten das Missbildungsrisiko des bei remittierend schubförmiger MS eingesetzten, krankheitsmodifizierenden Arzneimittels zutage.

Fachinformation warnt bereits vor Einsatz in Schwangerschaft

Bereits jetzt warnt die Fachinformation (Stand Dezember 2018) davor, Fingolimod bei Kinderwunsch oder Schwangerschaft einzusetzen. Vor Therapiebeginn sollte eine Schwangerschaft ausgeschlossen und während der Einnahme von Gilenya® sicher verhütet werden. Kommt es unter Fingolimod zu einer Schwangerschaft, hat auch Novartis seither bereits empfohlen, Gilenya® abzusetzen. Gestützt hatte der Hersteller seine Empfehlungen laut Fachinformation auf tierexperimentelle Studien. Die nun verfügbaren Post-Zulassungsdaten von Säuglingen, deren Mütter während der Schwangerschaft mit Fingolimod behandelt wurden, erhärten die tierexperimentellen Daten.

Missbildungen an Herz, Nieren, Knochen, Muskeln

Wie die EMA informiert, kam es unter Fingolimod während der Schwangerschaft vorwiegend zu Missbildungen am Herzen, wie atriale Septumdefekte (Loch in der Herzscheidewand zwischen den beiden Vorhöfen), ventrikuläre Septumdefekte (Loch in der Herzscheidewand auf Kammerebene) und der Fallot-Tetralogie (angeborener Herzfehler mit Pulmonalstenose, Ventrikelseptumdefekt, einer über der Herzscheidewand reitenden Aorta sowie einer nachfolgenden Rechtsherzhypertrophie). Neben kardialen Missbildungen kam es unter Gilenya® auch zu Nierenanomalien und muskuloskelettale Anomalien.

Empfehlungen zu Fingolimod

Um das Risiko von Fehlbildungen unter Fingolimod zu minimieren, hat die EMA Empfehlungen erarbeitet. Aufgrund des Risikos angeborener Missbildungen bei Föten, die Fingolimod im Mutterleib ausgesetzt waren, ist Gilenya® nun bei Schwangeren und bei gebärfähigen Frauen ohne wirksame Verhütung kontraindiziert.
Frauen im gebärfähigen Alter sollen

  • über das Risiko schädlicher Auswirkungen von Fingolimod auf den Fötus informiert werden,
  • vor Behandlungsbeginn eine Schwangerschaft mittels Test ausschließen,
  • während der Behandlung und für zwei Monate nach Beendigung der Behandlung effektiv verhüten und
  • bei Kinderwunsch die Behandlung mit Fingolimod zwei Monate vor der Planung einer Schwangerschaft beenden, da die Elimination von Fingolimod aus dem Körper nach Beendigung der Behandlung etwa zwei Monate dauert.

Wird eine MS-Patientin unter Gilenya® schwanger, muss die Behandlung mit Fingolimod abgebrochen werden. Zudem sollte die Patientin über das Risiko schädlicher Auswirkungen auf den Fötus medizinisch beraten werden. Die EMA empfiehlt in diesem Fall die Schwangerschaft engmaschig zu überwachen und Ultraschalluntersuchungen durchzuführen.

Schulungsmaterial zu Fingolimod

Einen ärztliche Checkliste, schwangerschaftsspezifische Patientenerinnerungskarten, ein Leitfaden für Patienten, Ärzte und Pflegepersonal sowie aktualisiertes Schulungsmaterialien sollen helfen, Schwangerschaften unter Fingolimod auszuschließen.

Bislang basieren die neuen Sicherheitsmaßnahmen zu Fingolimod auf Empfehlungen des Humanarzneimittelausschusses CHMP bei der EMA. Rechtsverbindlich werden diese für die EU durch Entscheidung der Europäischen Kommission.

Fingolimod in der Stillzeit?

Die aktualisierte Information der EMA berücksichtigt die Stillzeit nicht. Laut der aktuellen Fachinformation zu Gilenya® wird Fingolimod bei säugenden Muttertieren in die Muttermilch ausgeschieden, die Konzentrationen sind doppelt bis dreifach höher als die im mütterlichen Plasma nachgewiesenen. „Aufgrund des potenziellen Risikos von schwerwiegenden Nebenwirkungen bei Säuglingen durch Fingolimod sollten Frauen unter Behandlung mit Gilenya® nicht stillen“, lautet die Empfehlung des Herstellers.

Seit November 2018: Gilenya für Kinder

Erst im November 2018 durfte Novartis die Zulassung von Fingolimod erweitern, seither kann Gilenya® auch bei Kindern ab zehn Jahren mit hochaktiver schubförmiger MS eingesetzt werden. Gilenya® war das erste krankheitsmodifizierende Arzneimittel (Disease-modifying Drug), dessen Wirksamkeit bei Kindern in einer klinischen Studie nachgewiesen wurde. Die Therapieoptionen bei pädiatrischer MS sind überschaubar. Für mildere Verlaufsformen haben Rebif® und Copaxone® die Zulassung.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestätigte vor wenigen Wochen den Zusatznutzen von Fingolimod gegenüber Interferon beta-1a in der pädiatrischen Indikation, und zwar für Kinder mit hochaktiver RRMS unter krankheitsmodifizierender Behandlung, für die ein Wechsel innerhalb der Basistherapeutika angezeigt ist, und für therapienaive Kinder mit schwerer, rasch fortschreitender RRMS.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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