USA stellen Mischung um

Todesstrafe: Pentobarbital statt Giftcocktail

Stuttgart - 26.07.2019, 16:45 Uhr

Die USA wollen auf Bundesebene wieder die Todesstrafe vollstrecken, allerdings sollen die Hinrichtungen nicht mehr mit einer Mischung mit mehreren Komponenten erfolgen, sondern nur mit Pentobarbital. (c / Foto: imago images / blickwinkel)

Die USA wollen auf Bundesebene wieder die Todesstrafe vollstrecken, allerdings sollen die Hinrichtungen nicht mehr mit einer Mischung mit mehreren Komponenten erfolgen, sondern nur mit Pentobarbital. (c / Foto: imago images / blickwinkel)


Die USA wollen auf Bundesebene wieder die Todesstrafe vollstrecken, nachdem sie fast 20 Jahre ausgesetzt war. Ändern werden sich dabei wohl die verwendeten Arzneimittel. Statt einer Mischung mit mehreren Komponenten soll künftig nur noch Pentobarbital zum Einsatz kommen, das beispielsweise auch Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz verwenden. Die ersten Exekutionen sind für Dezember und Januar geplant, könnten sich aber verzögern, weil es eine Reihe offener Fragen gibt, unter anderem, wie die Regierung an Pentobarbital gelangen will.

In 29 US-Bundesstaaten ist die Todesstrafe erlaubt – und auf Bundesebene. Allerdings wurde sie dort vor 16 Jahren zuletzt vollzogen. 61 zum Tode Verurteilte, 60 Männer und eine Frau, warten derzeit in Bundesgefängnissen auf ihre Hinrichtung. 2014 ließ der damalige US-Präsident Barack Obama alle geplanten Hinrichtungen auf Bundesebene unbefristet aussetzen. Man wollte die Methoden überprüfen lassen. Hintergrund war, dass es einige unschöne Zwischenfälle gegeben hatte. Weil sich zunehmend Pharmafirmen weigerten, die benötigten Arzneimittel zu liefern, wurde mit nicht-erprobten Mischungen experimentiert.

Wie das US-Justizministerium nun mitteilte, ist die Untersuchung abgeschlossen, und es soll wieder vollstreckt werden. Medienberichten zufolge sind fünf Hinrichtungen bereits für Dezember und Januar angesetzt, weitere sollen folgen.

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Nur noch ein Barbiturat ohne Muskelrelaxans und Kaliumchlorid

Neu ist allerdings die Zusammensetzung der tödlichen Spritze. Anstelle von bislang meist drei Substanzen – darunter ein Narkotikum, zum Beispiel Thiopental oder Propofol, ein Muskelrelaxans, wie Pancuronium, Vecuronium oderTubocurarin, sowie Kaliumchlorid – soll künftig allein Pentobarbital zum Einsatz kommen. Das soll in einer neuen Richtlinie verankert werden. Pentobarbital wurde der US-Regierung zufolge bereits in 14 US-Staaten für Exekutionen eingesetzt. Seit aus Europa kein Thiopental mehr für Hinrichtungen geliefert werden darf, griffen US-Behörden in den letzten Jahren zunächst vermehrt auf das verwandte Pentobarbital zurück. Auch Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz verwenden es. 

Wie alle Barbiturate wirkt Pentobarbital über eine Aktivierung der inhibitorisch wirkenden GABAA-Rezeptoren im zentralen Nervensystem. In niedriger Dosis verlängern die Barbitursäurederivate lediglich die Bindung des natürlichen Liganden, der γ-Aminobuttersäure (GABA), in höherer Dosierung aktivieren sie zusätzlich selbst den Chloridkanal. In der Folge wird die Erregbarkeit der jeweiligen Zelle herabgesetzt. Die Wirkung ist dosisabhängig, von sedierend über hypnotisch bis zu narkotisch. Eine Überdosis führt zu einem Atem- und Herzstillstand. Sterbehilfeorganisationen verwenden meist eine wässrige Lösung von 15 g Natriumpentobarbital. 

Woher will die Regierung die Substanz beziehen?

Ungeklärt ist allerdings, neben vielen anderen Dingen, anscheinend die Frage, woher die US-Regierung Pentobarbital beziehen will. Denn auch Pentobarbital wird von den Herstellern mittlerweile eigentlich nicht mehr an US-Gefängnisse geliefert. Alternativ könnte „compounded pentobarbital“ zum Einsatz kommen, also solches, das extra zu diesem Zweck synthetisiert wird. Hier wurden aber bereits ernsthafte Qualitätsbedenken laut. Dass die zur Vollstreckung der Todesstrafe eingesetzten Mittel extra hergestellt werden, ist allerdings nicht neu. Seit der Bezug der Bestandteile der Giftspritze, insbesondere der Narkosemittel, zunehmend schwieriger wurde, setzen einige Staaten verstärkt auf „compounding pharmacies“, also Apotheken, die den tödlichen Cocktail als Rezeptur herstellen. Laut einem Bericht der Berliner Morgenpost vor einigen Jahren ist dies ein lohnendes Geschäft: So soll ein Hersteller in Kalifornien dem zuständigen Justizministerium 200 Gramm einer bestimmten Substanz für 500.000 Dollar angeboten haben. Auch auf Stoffe unlizensierter Hersteller aus Indien sollte zurückgegriffen werden, schrieb die Berliner Morgenpost damals weiter. Regelmäßig seien Lieferungen zuletzt durch die Drogenfahndung und die FDA abgefangen worden. Um welche Substanzen es sich hierbei handelte, ob sie die nötige pharmazeutische Qualität hatten, war dem Bericht zufolge nicht bekannt. Denn das unterliege hohen Geheimhaltungsvorschriften, die von den jeweiligen Bundesstaaten erbittert vor Gericht verteidigt würden. lautete das Argument.

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Wirkstoffbeschaffung nicht der einzige Grund für mögliche Verzögerung 

Und die Wirkstoffbeschaffung ist anscheinend nicht der einzige Grund, warum der Zeitplan möglichweise nicht eingehalten werden könnte. Laut dem US- Sender CNN ist nämlich nicht klar, ob die neue Richtlinie mit der geänderten Substanz auch so umgesetzt werden kann. Sie müsse zunächst einen „rechtlichen Prozess“ durchlaufen, heißt es.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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