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26. Juli 2019
Rahmenvertrag! Ein Wort, das für viele Apotheken ab 1. Juli zum Reizwort wurde. Warum eigentlich? Hat er nicht auch viel Gutes? Also, mein liebes Tagebuch, wir haben hier ja schon kräftig abgelästert über den Vertrag. Vielleicht sollten wir uns das Werk mal mit drei Wochen Abstand anschauen, um dann festzustellen: So schlecht sieht’s doch gar nicht aus mit dem neuen Rahmenvertrag. (Hier geht’s zur DAZ-Umfrage zum Rahmenvertrag.) Klar, es gibt viel Neues, an das wir uns erst gewöhnen müssen. Da unterscheidet man zwischen einem „generischen“ und einen „importrelevanten Markt“ und in beiden Märkten gelten unterschiedliche Regeln. Was für beide Märkte gilt: Rabattarzneimittel stehen an erster Stelle bei der Abgabe. Aber das sind wir ja schon gewöhnt. Ein bisschen Arbeit kommt allerdings auf uns zu, wenn kein Rabattarzneimittel zur Verfügung steht z. B. wegen Lieferengpässen – aber wenn Arzneimittel nicht verfügbar sind, ist das nicht die Schuld des Rahmenvertrags. Und dann gibt es da noch die Regel, dass das vom Arzt verordnete Arzneimittel den Preisanker setzt, der bei einem Austausch zu berücksichtigen ist und nicht überschritten werden darf. Okay, aber den Preisanker bestimmt der Arzt bzw. seine Praxis-Software – und auch dafür kann der Rahmenvertrag nichts. Die neue Abgaberegelungen (es darf eines der vier preisgünstigsten Arzneimittel abgegeben werden) sind also so schlecht nicht. Die Apotheken-Software unterstützt die Auswahlmodalitäten bei der Abgabe – da gibt’s allerdings bei dem einen oder anderen IT-Haus noch Luft nach oben – auch das kann man dem Rahmenvertrag nicht anlasten. Ein bisschen Mühe bereitet es, wenn es wegen Nicht-Lieferbarkeit kein geeignetes preisgünstiges Arzneimittel zum Austauschen auf dem Markt gibt – dann heißt es Rücksprache mit dem Arzt halten, damit er einen neuen Preisanker setzt. Mein liebes Tagebuch, vielleicht kann man mit dem einen oder anderen Arzt auch mal darüber sprechen, ob er nicht den Preisanker generell ein wenig anhebt. Oder man spricht mal dem Arzt, ob er sich vielleicht dazu entschließen könnte, überwiegend nur Wirkstoffe zu verordnen, denn in diesen Fällen gibt es keinen Preisanker – auch ein Pluspunkt des neuen Rahmenvertrags genauso wie es nun einfacher geworden ist, die Nichtverfügbarkeit nachzuweisen. Das Problem wird möglicherweise sein: Kann man mit seinem Arzt sprechen? Wie wir wissen, gibt es sehr kollegiale, zugängliche Mediziner und solche, die uns nur bedingt akzeptieren. Also, mein liebes Tagebuch, mag sein, dass noch nicht alles rund läuft, dass die EDV noch angepasst werden muss, dass uns vermehrt Lieferengpässe das Leben schwer machen – aber fairerweise muss man sagen: Der Rahmenvertrag hat auch durchaus seine positiven Seiten und bringt Vereinfachungen mit sich. Und für spezielle Fallkonstellationen, die sich in den ersten Wochen erst im Alltag gezeigt haben und die zu Schwierigkeiten führen (z. B. patentgeschützte Arzneimittel, die von zwei Herstellern als Originale vertrieben werden), wollen der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband Lösungen finden. Sie werden eine finden. Geben wir dem Vertrag eine Chance.
Mein liebes Tagebuch, das sollten alle unsere Berufspolitiker und wir alle mal lesen: das Editorial von unserem DAZ-Wirtschaftsexperten Müller-Bohn in der letzten DAZ. Seine These: Die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln, wie sie mit der neuen Apothekenreform erhalten bleiben soll, wird schon bald bröseln und zusammenbrechen – wir brauchen ein vollkommen neues Honorarsystem. Und darüber muss jetzt diskutiert werden. Mein liebes Tagebuch, wie wahr! Dieses Thema muss im Mittelpunkt des kommenden Apothekertags stehen! Wie Müller-Bohn auch vorrechnet: Die typische Apotheke ist chronisch unterfinanziert! Die Apotheken brauchen sehr viel mehr Geld, z. B. für Investitionen in Sanierungen und in die Digitalisierung. Aber am meisten, um ihre Mitarbeiter ordentlich zu bezahlen. Mein liebes Tagebuch, für unsere Apotheken findet sich langfristig kein Nachwuchs mehr, jedenfalls nicht mehr zu den heutigen Tarifgehältern.
Die Apotheken müssen im Kampf um Fachkräfte konkurrenzfähig bleiben. Wenn Erzieherinnen pro Monat gut 700 Euro mehr Einstiegsgehalt erhalten als PTA, dann stimmt da das Gefüge nicht mehr.
Oder werden die Apotheken von der Politik mehr oder weniger bewusst ausgehungert? Mein liebes Tagebuch, das für die Politik sozialverträgliche langsame Sterben der Apotheken schmerzt keinen Politiker, es gibt kaum Aufschreie aus der Bevölkerung, kurzum, es ist für die Politik mehr als bequem. Wir sollten tatsächlich mit der Politik ins Gespräch treten und klipp und klar mal eine Antwort auf die Frage verlangen: Wie viele Apotheken wollt ihr in Deutschland haben? Wie viele sollen, wie viele dürfen es denn sein? Und die gewünschte Zahl muss dann ordentlich ausgestattet werden, um die Arzneimitteldistribution und Arzneimitteltherapiesicherheit zu gewährleisten. Apotheker Lorenz Weiler möchte mit einem provokanten Antrag zum Deutschen Apothekertag erreichen, dass die Politik Farbe bekennt. Sein Antrag geht sogar soweit, die Härten der politische gewollten „Aushungerung“ finanziell abzufedern: Bereitstellung von „Apotheken-Schließungsprämien“.
21 Kommentare
Rahmenvertrag
von Karl Friedrich Müller am 29.07.2019 um 9:37 Uhr
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AW: Re(finanzierungs) Rahmenvertrag
von Bernd Jas am 29.07.2019 um 10:11 Uhr
AW: Rahmenvertrag
von Karl Friedrich Müller am 29.07.2019 um 10:21 Uhr
PTA Ausbildung
von Tatiana am 29.07.2019 um 9:02 Uhr
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PTA Ausbildung
von Tatiana am 29.07.2019 um 9:02 Uhr
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Führen....
von Reinhard Rodiger am 28.07.2019 um 23:01 Uhr
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Rahmenvertrag
von Rudolf Strunk am 28.07.2019 um 19:47 Uhr
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AW: Rahmenvertrag
von Peter Ditzel am 28.07.2019 um 20:58 Uhr
Die Ströh-Worte
von Dr.Diefenbach am 28.07.2019 um 18:17 Uhr
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AW: Die Diefenbach und die Ströh-Worte
von Bernd Jas am 28.07.2019 um 18:30 Uhr
Liebes Tagebuch
von Ingrid Schierle am 28.07.2019 um 13:27 Uhr
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AW: Liebes Tagebuch
von Ulrich Ströh am 28.07.2019 um 15:29 Uhr
AW: Mein lieber Kokoschinski
von Bernd Jas am 28.07.2019 um 18:25 Uhr
AW: Liebe Kollegin Schierle,
von Wolfgang Müller am 28.07.2019 um 19:07 Uhr
AW: Liebes Tagebuch
von Ingrid Schierle am 28.07.2019 um 19:16 Uhr
AW: Liebes Tagebuch ... Handlungsanweisung P. Ditzel ...
von Christian Timme am 28.07.2019 um 20:25 Uhr
Bühler Petition
von Uwe Hüsgen am 28.07.2019 um 13:04 Uhr
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Bald keinen Bock mehr
von Don Quichote am 28.07.2019 um 13:03 Uhr
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AW: Bald keinen Bock mehr
von Don Quijote am 28.07.2019 um 13:24 Uhr
Honorar
von Anita Peter am 28.07.2019 um 10:14 Uhr
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Liebe Tagebuchleser ...
von Christian Timme am 28.07.2019 um 8:47 Uhr
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