Frankreich

Lieferengpässe: Gesundheitsministerin Buzyn präsentiert neue Roadmap

Remagen - 23.07.2019, 10:15 Uhr

Die französische Gesundheitsministerin Buzyn, hier als sie im Mai in Paris für die Europawahl warb, hat sich aktuell dem umfassenden Problem der Lieferengpässe angenommen und dazu eine Roadmap präsentiert. (Foto: imago images / PanoramiC)

Die französische Gesundheitsministerin Buzyn, hier als sie im Mai in Paris für die Europawahl warb, hat sich aktuell dem umfassenden Problem der Lieferengpässe angenommen und dazu eine Roadmap präsentiert. (Foto: imago images / PanoramiC)


Die Franzosen können bei der Bekämpfung von Lieferengpässen schon jetzt mit einem beachtlichen Portfolio von Instrumenten aufwarten. Nun legen sie noch einen Zahn zu. Gesundheitsministerin Agnès Buzyn hat eine Roadmap für 2019-2022 präsentiert. Im Mittelpunkt der Maßnahmen: die Apotheker des Landes.  

Agnès Buzyn, französische Ministerin für Solidarität und Gesundheit, hat ausgerechnet die Räumlichkeiten der französischen Apothekerkammer genutzt, um ihre neue Roadmap zur Bekämpfung von Lieferunterbrechungen bei Arzneimitteln vorzustellen. 

Die Roadmap enthält 28 Aktionen, die in vier Achsen unterteilt sind:

  • Förderung der Transparenz und der Informationsqualität,
  • neue Präventions- und Managementmaßnahmen im gesamten Arzneimittelkreislauf,
  • Stärkung der nationalen Koordinierung und der europäischen Zusammenarbeit,
  • Schaffung einer neuen nationalen Governance durch einen Lenkungsausschuss, der im September dieses Jahres eingesetzt werden soll.

Die Umsetzung der Roadmap soll regelmäßig evaluiert und die Ergebnisse in einem Jahresbericht veröffentlicht werden.

60 Prozent mehr Ausfälle als 2018

Nach einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Demoskopie-Instituts BVA im Auftrag der Verbraucherorganisation France Assos Santé war in letzter Zeit fast jeder vierte Franzose von einem Versorgungsausfall bei Medikamenten oder Impfstoffen betroffen. Schätzungen der Arzneimittelbehörde ANSM zufolge sollen in diesem Jahr schon über 1.200 Medikamente oder Impfstoffe gefehlt haben. Das sind 60 Prozent mehr als 2018 und 30 Mal so viele wie 2008. Besonders in den letzten Jahren soll sich das Phänomen erheblich verschärft haben. Im Kampf gegen die Engpässe haben die Franzosen ein breites Instrumentarium rechtlicher Maßnahmen auf den Weg gebracht. So wurden 2012 und 2016 jeweils neue Verpflichtungen für die Akteure des Herstellungs-und Vertriebskreislaufs eingeführt.

All das reicht aber offenbar nicht, daher nun die Roadmap.  

Apotheker: Verlässlichere Informationen, Lockerung der Substitution 

Die französische Apothekerkammer erläutert in einer Pressemeldung, welche der in der Roadmap enthaltenen Maßnahmen die Apotheker direkt betreffen: 

So soll unter anderem dafür gesorgt werden, dass die Informationen der Apotheker für die Patienten verlässlicher werden. Weiterhin sollen die für die Apotheker geltenden Substitutionsregeln im Falle von Lieferunterbrechungen bei Arzneimitteln von besonderem therapeutischem Interesse (MITM) gelockert werden.  

„DP rupture“ soll breiter aufgestellt werden  

Eine andere wichtige Maßnahme ist die Öffnung des Tools „DP ruptures“ (DP für Versorgungsunterbrechungen) für die gesamte Vertriebskette bis 2020. Das Web-basierte Tool ist eine Erweiterung des pharmazeutischen Dossiers (Dossier Pharmaceutique, DP) das die Apotheker – ursprünglich als elektronische Patientenakte gedacht – beim Medikationsmanagement der Patienten unterstützen sollte. Es wurde auf Initiative der französischen Apothekerkammer im März 2013 eingeführt und sukzessive ausgerollt. 

Über das Tool können angeschlossene Apotheken den betroffenen Herstellern und den Gesundheitsbehörden Ausfälle direkt anzeigen. Im Juli 2019 ist der Dienst in 70 Prozent der öffentlichen Apotheken eingerichtet. Als Gegenleistung für ihre Meldungen erhalten die angeschlossenen Apotheken Zugang zu den Informationen über Verknappungen und Ausfälle, die über das „DP rupture“ bereitgestellt werden.

„Notfall-Pannenhilfe“ für kritische Fälle

Die Präsidentin des Nationalrates der Apothekerkammer Carine Wolf-Thal, hat der Ministerin zugesagt, den Fahrplan tatkräftig umsetzen zu wollen. Als erstes steht nun die Öffnung des DP ruptures für die Großhändler und Distributeure an. Außerdem soll bis Ende 2019 eine wesentliche neue Funktion eingeführt werden, die sogenannte „Notfall-Pannenhilfe“ (dépannage d’urgence), ein besonderes Anliegen der Patienten. Hiermit ist eine spezielle Kommunikationsschiene zwischen dem Apotheker und dem Hersteller in Fällen gemeint, bei denen durch eine Unterbrechung der Behandlung klinische Konsequenzen zu befürchten sind.

Großhändler wollen bessere Feinjustierung bei der Belieferung

Auch die Großhändler (grossistes-répartiteurs) werden in die Pflicht genommen, um eine bedarfsgerechtere Belieferung der öffentlichen Apotheken zu gewährleisten. Hierzu haben sie selbst zwei konstruktive Ideen eingebracht: 

Zum einen stellen sie sich ein Instrument vor, mit dem die Apotheken, bei Bedarf und auf Wunsch der Arzneimittelbehörde, bei Unterbrechungen zielgenauer und schneller wiederbeliefert werden könnten (dispositif de sortie de rupture). Dies soll von speziellen Großhandelseinrichtungen auf nationaler oder regionaler Ebene aus passieren. 

Außerdem bieten die Grossisten ihr Know-how an, um im Fall von Engpässen bei den Herstellern zu einer besseren Feinjustierung der Distribution vor Ort zu kommen. Konkret könnte die ANSM eine Zuweisung der Produkte pro Offizin definieren und den Großhändlern dann die ausgewogene Verteilung überlassen. So könnten zum Beispiel auch lokale Übervorräte vermieden werden.   



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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