Satire-Kolumne in der TAZ

„Pillenverkäufer“ prahlen rücksichtslos mit pharmakologischer Autorität

Stuttgart - 19.07.2019, 17:45 Uhr

Laut dem Satiriker Mark-Stefan Tietze wollen Apotheker beim Beraten nur mit ihrem pharmazeutischen Wissen prahlen. ( r / Foto: Kzenon / stock.adobe.com)

Laut dem Satiriker Mark-Stefan Tietze wollen Apotheker beim Beraten nur mit ihrem pharmazeutischen Wissen prahlen. ( r / Foto: Kzenon / stock.adobe.com)


Dauereinnahme schützt nicht vor fehlerhafter Anwendung

DAZ.online hätte interessiert, wie Tietze sich den Arzneimitteleinkauf in der Apotheke-vor-Ort denn wünschen würde – ganz ohne Beratungsangebot? Oder was ihn als Patienten oder Ibuprofen-Käufer davon abhält, auf das Beratungs-Angebot einfach mit „Danke, ich kenne mich aus“ zu reagieren? Herr Tietze antwortete – erklärend zur gewählten Textform –, es möge „tatsächlich sein, dass er im Reich der Satire beheimatet ist und sich gegen eine eindeutige und simplifizierende Lesart sperrt“. Man könne möglicherweise auch nicht umstandslos davon ausgehen, dass die Perspektive des Textes und die des Autors identisch seien.

Tietzes Argument gegen die Arzneimittelberatung in der Apotheke, wenn er mal „auf die Schnelle“ ein preisgünstiges Päckchen Ibuprofen erstehen wolle, ist seine ausgewiesene Arzneimittel-Expertise aufgrund langjähriger Anwendung. Es sei schließlich „nicht das erste Mal", dass er in seinem Leben „Kopfschmerztabletten hole", so der Satiriker.

Nun feit eine wiederholte Einnahme weder vor Falscheinnahmen noch vor Wechselwirkungen. Auch Schilddrüsenpatienten betonen meist, sie würden sich mit der Einnahme auskennen, und sie nähmen dieses Arzneimittel seit Jahren – auf Nachfrage stoßen Apotheker dann hin und wieder doch auf die nur vermeintlich korrekte Einnahme mit Orangensaft oder Café zum Frühstück.

Wie sollen Apotheker den Beratungsbedarf erahnen?

Der anderer Punkt ist: Woher sollen Apotheker denn ahnen, ob der Kunde ein versierter Ibuprofen-Einnehmer ist, keine Beratung wünscht oder vielleicht dankbar ist, wenn man ihm seine Arzneimittel erklärt - unabhängig davon, ob er das Präparat schon einmal eingenommen hat oder nicht? Kristallkugeln beinhaltet die Apotheken-Software leider noch immer nicht. Interessant ist auch, dass meist ja medial die zu geringe Beratungsleistung seitens der Apotheker moniert wird. Selten kritisieren Testkäufer, dass ihnen eine Arzneimittelberatung aufgedrängt wurde.

Insofern dürfte die Wahrnehmung Tietzes so manchem Apotheker und so mancher Apothekerin entgegenkommen. Und natürlich spüren wir auch, dass manche Kunden unsere Beratung nicht wertschätzen.

Dass wir aber versuchen, die Kunden durch „exquisite Fachberatung“ von DocMorris fernzuhalten, wie der Autor vermutet, klingt zunächst ja nicht nach einem Vorwurf – wäre da nicht die Bemerkung, wir würden uns damit ins eigene Fleisch schneiden …



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Apotheker ..

von Kritiker am 21.07.2019 um 9:30 Uhr

... kochen leider auch nur mit Wasser.

Wenn zB der Ibuprofen verlangende Patient wissen möchte, welche Unternehmen Wirkstoff und Hilfsstoffe herstellten und ob das die Tabletten herstellende Unternehmen den eingekauften Wirkstoff und die eingekauften Hilfsstoffe nachweislich auf Vorhandensein aller praktisch möglichen Schadstoffe prüfte, muß der Apotheker passen, da er es nicht weiß.

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Immerhin ...

von Andreas P. Schenkel am 19.07.2019 um 22:10 Uhr

... wird unsere Beratungsleistung mal ganz prominent in den Vordergrund gestellt. Und dann auch noch mittels Satire, die für gewöhlich gerne gelesen wird. Ein zutiefst positives Gefühl, nämlich das Lachen des Lesers nach der Schlusspointe, wird unterschwellig mit "Apotheke = Arzneimittel-Sicherheit = Beratung = Fachgeschäft" verknüpft. Besser geht's doch gar nicht. Und Satire lebt nun mal von Spott, spitzfindiger Übertreibung, und davon, dass man es nie allen recht machen kann.

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