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Apothekenreform durchs Kabinett – Wie sind die Reaktionen?

Berlin - 17.07.2019, 17:45 Uhr

Das Apotheken-Stärkungsgesetz ist durchs Bundeskabinett, soll nun in Brüssel abgestimmt und dann ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Aber wie sind die Reaktionen zum Kabinettsbeschluss? (c / Foto: imago images / E. Contini)

Das Apotheken-Stärkungsgesetz ist durchs Bundeskabinett, soll nun in Brüssel abgestimmt und dann ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Aber wie sind die Reaktionen zum Kabinettsbeschluss? (c / Foto: imago images / E. Contini)


BAH lobt, PHAGRO warnt

Ein Unterstützer der Apotheke vor Ort ist seit Jahren auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller BAH). In einer Pressemitteilung erklärt der Verband unter anderem:


Alle Apotheken in Deutschland sollen verschreibungspflichtige Arzneimittel für alle Versicherten zum gleichen Preis abgeben. Die Arzneimittelpreisbindung muss demnach sowohl für in- und ausländische Versandapotheken als auch für gesetzlich Versicherte und Privatversicherte gelten. (…) Eine einheitliche Regelung für Apotheken und Versicherte ist der beste Garant für eine flächendeckende, gleichmäßige Arzneimittelversorgung auch in der Zukunft‘, sagt Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des BAH. Von dem Grundsatz ‚Gleiche Preise bei Arzneimitteln‘ hat der Gesetzgeber derzeit abgesehen und insbesondere Privatversicherte, Selbstzahler und Beihilfeberechtigte ausgenommen. ‚Das erachten wir für falsch‘, so Cranz.Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus einen Anspruch von Versicherten auf zusätzlich honorierte pharmazeutische Dienstleistungen des Apothekers vor. Diese sollen der Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimitteltherapie dienen. ‚Das kann die heilberufliche Kompetenz des Apothekers stärken, wie auch die Therapietreue des Patienten. Bei dem vorgeschlagenen Vergütungsansatz sehen wir jedoch noch Optimierungsbedarf‘, ergänzt Cranz. Ebenfalls in die richtige Richtung geht der Plan, dass Vertragsärzte künftig für Patienten mit schwerwiegend chronischen Erkrankungen für eine bis zu drei Mal zu wiederholende Abgabe von Arzneimitteln Folgeverschreibungen ausstellen dürfen, die bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der GKV in Apotheken einlösbar sind. (…)

Pressemitteilung des BAH


So wie der BAH setzt auch der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) weiterhin auf die Gleichpreisigkeit. Die Großhändler befürchten aber, dass genau diese auch für sie kippen könnte:


Mit dem Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken soll das Gebot der Gleichpreisigkeit für Versandapotheken aus dem EU-Ausland aus dem Arzneimittelgesetz gestrichen und in das Sozialrecht übertragen werden. Damit entfällt auch das Gleichpreisigkeitsgebot auf Großhandelsebene. Der PHAGRO befürchtet desaströse Auswirkungen für die Arzneimittelversorgung. Denn ohne Gleichpreisigkeit ist die Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung durch den Großhandel akut gefährdet. (…) Damit wären pharmazeutische Großhändler aus dem EU-Ausland, die nach Deutschland liefern, nicht mehr an die deutschen Preisvorschriften gebunden. ‚Das diskriminiert die in Deutschland ansässigen pharmazeutischen Großhändler und führt zu unfairen Wettbewerbsbedingungen‘, sagt PHAGRO-Vorsitzender Dr. Thomas Trümper.Der PHAGRO befürchtet, dass dies zu einem ruinösen Preis- und Rabattwettbewerb auf Großhandelsebene führt, gerade bei besonders lukrativen Arzneimittelgruppen. (…) Daran ändere auch die vorgesehene Übertragung des Gleichpreisigkeitsgebots in die sozialrechtlichen Regelungen des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nichts. Dieser Rahmenvertrag wird zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Apothekerschaft geschlossen und hat keinerlei Auswirkung auf die Preispolitik ausländischer pharmazeutischer Großhändler.Um weiterhin gleiches Recht für alle Marktteilnehmer zu gewährleisten, muss ausdrücklich klargestellt werden, dass ausländische pharmazeutische Großhändler und direkt liefernde pharmazeutische Unternehmer bei der Belieferung von deutschen Apotheken an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden bleiben, fordert der PHAGRO. (…)

Pressemitteilung des Phagro


Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) ist ebenso wenig begeistert von dem Gesetz. Gegenüber DAZ.onlinte erklärte ein Sprecher:


Aus BVDVA-Sicht ist es überfällig, dass nach dem EuGH-Urteil im Oktober 2016 nun Bewegung in die Thematik kommt. Wir hätten uns lieber ein Modell Boni/wettbewerbliche Elemente für alle Apotheken gewünscht mit klaren Leitplanken bei max. 2,50 Euro. Das entspricht in etwa dem, was das BMWi-Gutachten Ende 2017 ermittelt hat. Der BVDVA plädiert seit Jahren für eine Höchstpreisverordnung, anstelle des aktuellen Festpreissystems. Sie wäre 2006 schon fast Gesetz geworden (Bundestags-Drucksache 16/3100). Der jetzt eingeschlagene Kurs birgt leider wieder die Gefahr, dass das Verfahren am Ende in Luxemburg entschieden wird. Für den BVDVA ist aber wichtig, dass dem ungleichen Wettbewerb (europäische Arzneimittelversandhandelsunternehmen dürfen Rabatte gewähren und deutsche nicht) entgegengewirkt wird.“

Sprecher des BVDVA




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Zum Scheitern verurteilt

von Dirk Krüger am 18.07.2019 um 8:51 Uhr

Diejenigen, die das Verschieben des Boniverbots in das SGB V als Versuch, EU-Recht zu umgehen, bezeichnen, haben Recht. Und daher wird das Gesetz nicht kommen. Bereits in dem absehbaren EU-Notifizierungsverfahren wird Schluss sein. Und Spahn wusste das von Anfang an ganz genau. Er kann sich hinstellen und sagen, er hätte alles versucht - hat aber in Wirklichkeit, das, was er eigentlich wollte, erreicht: Max Müller und Co. in die Karten gespielt.
Und die ABDA hat es nicht gemerkt und sich am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Die Tür für das Rx-Versandverbot stand zeitweise offen - die ABDA ist nicht hindurch gegangen, sondern hat sich einlullen lassen von Blendgranaten wie Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, Erhöhung der BTM-Gebühr und Notdienstpauschale. Die Rx-Preisbindung ist seit gestern Geschichte. Machen wir uns nichts vor: der Systemwechsel ist da.

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Preiskampf ist kein Stilmittel

von Reinhard Rodiger am 17.07.2019 um 21:05 Uhr

Vorweg: Die Einführung des online-Handels und der Wegfall einer angemessenen Honorierung schwerer Fälle (= teurerer Produkte) hat mir die Existenz zerstört.

Entscheidend ist die Erkenntnis, dass nicht der online-Handel an sich, sondern der durch ihn induzierte Preiskampf die Rentabilität massiv verringerte.Die Verbraucher haben sich am Preis orientiert und mich zur Beratung missbraucht.
Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Folge politisch verstanden wird.Nochmal: es ist die Methode, nicht der online-Handel an sich.
Jetzt wird genau dasselbe wieder angestrebt: Die Dumpingpraxis wird nicht wirksam ausser Kraft gesetzt.Es ist doch deutlich genug, dass gesetzliche Vorgaben bislang ignoriert wurden. Es wird sogar geltend gemacht,dass deren Einhaltung zu Verlusten führt.Das ist ein Beweis für die Schadwirkung dieses Holland-Versand-Geschäftsmodells.. Es geht darum, dass ein solcher Preiskampf nur bei Zufluss externer Mittel so geführt werden kann.Dagegen kann niemand bestehen, der einen aufwendigeren Auftrag erfüllen muss.

Das hat nichts mit einem Versandverbot zu tun, sondern mit der Notwendigkeit wirksamer Kontrolle der Praktiken.Ist dies nicht möglich- was schon bewiesen ist- bleibt nur Verbot oder eine Anhebung der Honorierung ohne Versandbeteiligung. Besonders unerklärlich ist, wie Leistungsfähigkeit bei Verzicht auf sämtliche Anpassungen an die laufenden Entwicklungen erhalten werden soll.

„Die Arzneimittelversorgung von Versicherten ist kein Ort für einen Wettbewerb um Preise. " sagt Friedemann Schmidt.
Doch genau das findet statt und ist politisch gewollt.Da "...schlicht nicht mehr vorstellbar ist, den Online-Handel zu verbieten" bleibt nur die Anhebung der Basisfinanzierung für die Vor-Ort-Apotheken.Nur das wird erst recht weder gewollt noch vertreten.
Der Online-Handel wird sein Geschäftsmodell nicht ändern wollen, wegen Finanzverpflichtungen auch nicht können und aus Erfahrung auch nicht ändern müssen.Die Füsse zählen..Das sollte berücksichtigt werden.

Dieses Gesetz öffnet sonst die Tür für die Verdrängung all derer, die nicht mit gleichen Mitteln arbeiten können oder wollen.Gegen Geldzufluss ohne Transparenz hilft keine Qualität.Das betrifft auch viele andere Branchen.

Kurz gesagt: ich kann nicht verstehen, warum diese Dynamik völlig unberücksichtigt bleibt.Preiskampf wird nicht vermieden, sondern gefördert. Das ist kein gutes Stilmittel.







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AW: Preiskampf ist kein Stilmittel

von Anita Peter am 18.07.2019 um 6:26 Uhr

Bei RX findet kein Preiskampf statt. Die KK bezahlen an Versender und Vor Ort Apotheken das gleiche. Es geht rein um a) das Verschenken von Geld ( Zuzahlugsbefreite ) bzw. b) die Übernahme der Zuzahlung. Beides nur möglich weil Aktionäre und Saudis Geld in die Versender pumpen.

Wenn das die EU wirklich so in der Gesundheitsversorgung will, und die Bundesregierung sich nicht endlich klar dagegen stemmt, sollten wir endlich die Lieferveträge kündigen und sollten ein neues Vergütungskonzept aushandeln.

Ebenso ist endlich mal klar zu stellen, dass es sich bei RX um keine normale Ware handelt und somit die Warenverkehrsfreiheit nicht zutrifft. Die RX Menge lässt sich durch billigere Preise und / oder Werbung nicht steigern. Der Arzt verschreibt deshalb nicht mehr. Es handelt sich also um keine NORMALE Ware. Was in den Versand wandert ist für die Vor Ort Apotheke verloren und das Sterben geht munter weiter.

AW: Preiskampf ist kein Stilmittel

von Reinhard Rodiger am 18.07.2019 um 8:13 Uhr

Dem Kunden ist doch egal, was die Kasse zahlt.Für ihn zählt, was er zahlt.Also wird der "Kauf" billiger.Wenn der eine das anbieten kann,der andere nicht, dann ist das Preiskampf.Sicher die Menge ist dadurch nicht steigerbar, aber sie wird lenkbar.Das wird als Wettbewerb missverstanden.Das Resultat ist Verdrängung.Das beinhaltet Versorgungsgefährdung und damit potentiellen Verbraucherschaden.Es geht nur in zweiter Linie um uns.Es geht um das Verständnis der Methode.So führen ja auch erzwungene Preissenkungen durch KK zu Lieferengpässen.Ebenso ein Marktdominanzergebnis wie Lenkung der Warenströme durch Kapitaleinsatz.

AW: Preiskampf ist kein Stilmittel

von Karl Friedrich Müller am 18.07.2019 um 8:37 Uhr

Ja, Herr Rodiger.
Es ist zum Heulen, dass das niemand kapieren will. Es ist so offensichtlich, dass mann kein "Experte" sein muss, um das zu verstehen.
Aber die "echten Experten", oder besser, diejenigen, die sich dafür halten, sind von jeder Vernunft befreit. So auch die ABDA.

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