Forschung an neuen Antibiotika

Antibiotikum Lugdunin: resistent gegen Resistenzen?

Tübingen / Düsseldorf - 08.07.2019, 10:45 Uhr

Lugdunin, ein antibiotisch wirksames Fibupeptid aus der menschlichen Mikrobiota, wirkt effektiv gegen Staphylococcus aureus. Die Universitätsklinik Tübingen forscht an dem Wirkstoff. ( r / Foto: Nadine Schilling, Universität Tübingen)

Lugdunin, ein antibiotisch wirksames Fibupeptid aus der menschlichen Mikrobiota, wirkt effektiv gegen Staphylococcus aureus. Die Universitätsklinik Tübingen forscht an dem Wirkstoff. ( r / Foto: Nadine Schilling, Universität Tübingen)


Antibiotika aus dem menschlichen Mikrobiom

Das Wort „Fibupeptid“ leitet sich vom lateinischen „Fibula“, die Spange, ab. Eine Thiazolidin-Gruppe (zur Erinnerung: bestehend aus drei Kohlenstoffatomen, einem Stickstoff- und einem Schwefelatom, die einen Fünfring bilden) stellt innerhalb des Peptid-Rings des Moleküls eine Struktur dar, die an eine Schmuckspange erinnern soll.

Im Team mit Peschel und Schittek konnten die Forscher nun zeigen, dass es noch zwei weitere Wege gibt, wie Lugdunin konkurrierende Bakterien schädigt. „Zum einen wirkt es im Verein mit antimikrobiellen Peptiden, die unsere menschlichen Zellen bilden“, sagt Peschel. Dadurch erhöhe sich die Wirksamkeit. „Zum anderen bindet es an ein humanes Rezeptorprotein namens TLR2“, sagt er. Der Toll-like-Rezeptor 2 wird auf Zellen des Immunsystems exprimiert und ist ein entwicklungsgeschichtlich alter Bestandteil des natürlichen Immunsystems. Er reagiert ansonsten insbesondere auf Zellwandbestandteile verschiedener Bakterien wie dem Lepra- oder dem Tuberkulose-Erreger.

Bindung an Immunrezeptor stimuliert Immunzellen

Durch die Bindung von Lugdunin an TLR-2 würden Immunzellen stimuliert und die Immunantwort so aktiviert, dass S. aureus keine Chance habe, sich anzusiedeln, sagt Peschel. In den weitgehend voneinander unabhängigen Angriffsebenen könne man ablesen, dass natürliche Antibiotika wie Lugdunin chemisch hergestellten, die nur ein Angriffsziel in der Bakterienzelle haben, überlegen seien. Das sei auch die Erklärung, warum es praktisch keine Resistenzbildung gegen Lugdunin gebe.

Peschel sieht in der Substanzklasse der Fibupeptide großes Potenzial. „Es hatte ja keiner gedacht, dass man im menschlichen Mikrobiom so wirksame Antibiotika wie Lugdunin entdecken würde“, sagt er. Aktuell untersucht er, ob sich unter den zahlreichen Peptiden und anderen Substanzklassen der den Menschen besiedelnden Mikroorganismen nicht noch andere potente Antibiotika-Kandidaten finden.

Staphylococcus lugdunensis als Anti-Pathogen?

Einiges an Forschungsarbeit sei auch hinsichtlich Lugdunin noch zu erledigen. So sei etwa noch nicht verstanden, warum Lugdunin S. lugdunensis nicht auch direkt oder durch Stimulation der Immunzellen des Wirts indirekt schädige.

Alternativ zu auch bereits synthetisch herstellbarem Lugdunin als Antibiotikum kann sich Peschel auch vorstellen, den Erzeuger selbst, das Bakterium S. lugdunensis, als Anti-Pathogen gezielt einzusetzen und präventiv gegen S. aureus-Infektionen anzusiedeln. Dazu will er im Rahmen des seit Anfang des Jahres laufenden „Tübinger Exzellenzclusters“ mit dem Titel „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ forschen.

In jedem Fall sieht er die Substanzklasse auf einem guten Weg, neue potente Antibiotika für zukünftige Therapien anzubieten. In Tübingen wird in verschiedenen Instituten an der Variation des Lugdunins gearbeitet, um dessen Wirksamkeit zu erhöhen.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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