SPD zu Markus Leyck Dieken

„Die Gematik darf kein Selbstbedienungsladen werden“

Berlin - 27.06.2019, 07:00 Uhr

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas und ihr Fraktionskollege Karl Lauterbach beschweren sich über das Vorgehen von Jens Spahn bei der Bestellung des neuen Gematik-Chefs. (c / Foto: imago images / Christian Thiel)

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas und ihr Fraktionskollege Karl Lauterbach beschweren sich über das Vorgehen von Jens Spahn bei der Bestellung des neuen Gematik-Chefs. (c / Foto: imago images / Christian Thiel)


Unter den Gesundheitspolitikern der Großen Koalition zeichnet sich ein Konflikt wegen der Bestellung des neuen Gematik-Chefs Markus Leyck Dieken ab. Das Bundesgesundheitsministerium hatte kürzlich die Mehrheit an der Digital-Gesellschaft übernommen und als eine der ersten Amtshandlungen den ehemaligen Pharmamanager Markus Leyck Dieken zum neuen Chef bestellt. Nach den Linken und Transparency International meldet sich jetzt auch die SPD zu Wort. Die Sozialdemokratin Bärbel Bas fordert das BMG auf, die Gehaltsverdopplung für Leyck Dieken zurückzunehmen.

Die Bestellung des ehemaligen Ratiopharm-Chefs Markus Leyck Dieken sorgt in der Gesundheitspolitik weiter für Diskussionen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte den ehemaligen Pharmamanager als neuen Geschäftsführer vorgeschlagen. Der 54-Jährige war von der Gesellschafterversammlung der Gematik vor wenigen Tagen dann bestellt worden, am 1. Juli beginnt Leyck Diekens Tätigkeit für die Gematik, an der neben dem BMG und den Kassen auch noch die Leistungserbringer (Apotheker, Ärzte, etc.) beteiligt sind.

Der Personalwechsel steht im Zusammenhang mit einer anderen Änderung, die der Bundestag erst kürzlich beschlossen hat: Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz wurde dafür gesorgt, dass das Bundesgesundheitsministerium 51 Prozent an der Gematik hält. Die Kassen sind mit rund 25 Prozent jetzt nur noch der zweitgrößte Gesellschafter. In allen Gesellschafterversammlungen hält das Ministerium nun die Mehrheit, der Anteil der Apotheker ist von etwa 8 Prozent auf rund 4 Prozent gesunken.

Spahn war für dieses Vorgehen in den vergangenen Tagen heftig kritisiert worden. Dr. Doris Pfeiffer, die Chefin des GKV-Spitzenverbandes sagte dazu im Ärzteblatt: „Der Mehrheitsgesellschafter trägt nichts zur Finanzierung bei, entscheidet aber eigenständig. Das ist für jeden Experten von Organisationsstrukturen schwer denkbar.“ Und: der „Spiegel“ hatte getitelt, dass Leyck Dieken doppelt so viel wie sein Vorgänger verdienen wird, nämlich mehr als 300.000 Euro im Jahr.

Lauterbach: Die Entscheidung ist unglücklich

Die Diskussion rund um Leyck Dieken hat nun auch die Große Koalition erreicht. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, erklärte auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin: „Ich bin etwas enttäuscht wegen dieser Personalie. Offiziell besteht kein Grund mich einzubeziehen. Aber allein schon wegen der Gepflogenheit hätte ich es gut gefunden, wenn Spahn das vorher mit mir besprochen hätte. Die jetzige Personalie wäre mir nicht als erstes eingefallen. Und ob ein Pharmamanager die richtige Besetzung für eine Position ist, bei der es um hochsensible Daten geht, weiß ich auch nicht. Auch mit Blick auf das hohe Gehalt muss ich sagen: Das war ein unglücklicher Zug.“

Bärbel Bas: BMG soll Gehaltsforderung zurücknehmen

Via Twitter meldete sich auch die SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas zu Wort. DAZ.online fragte bei Bas nach. Die Bundestagsabgeordnete erklärte, dass auch sie die Möglichkeit sah, den Gematik-Chef auszutauschen. Denn dies könne helfen, „Ziele im Bereich der Digitalisierung und der elektronischen Patientenakte zu erreichen“. Der nun scheidende Gematik-Chef Alexander Beyer sei zwar keine Fehlbesetzung, allerdings „fehlte Beyer die Durchschlagskraft, alle Akteure auf die Umsetzung der Projekte zu vereinigen“, sagte Bas. Ob Leyck Dieken der richtige Manager für diese Position ist, will Bas nicht bewerten. Er müsse jetzt zeigen, „dass er seine Erfahrung im Interesse der Versicherten einbringt, seine Zeit als Pharmamanager ist damit vorbei“. Die SPD-Politikerin stört sich allerdings an Spahns Vorgehen. Mit Blick auf die Übernahme der Gematik durch das BMG sagte Bas:


Das BMG hat nun die Möglichkeit, schneller Entscheidungen zu treffen. In diesem Zug einen neuen Geschäftsführer einzusetzen, ist verständlich, rechtfertigt aber nicht als erste Maßnahme das Gehalt des Geschäftsführers zu verdoppeln. Das hinterlässt einen faden Beigeschmack. Warum das Gehalt für diesen Posten verdoppelt wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Auch für ein Gehalt von 15.000 Euro im Monat wäre ein Manager, eine Managerin mit Erfahrung zu finden, die das Projekt voranbringt. Da bin ich sicher. Die Gematik darf zu keinem Selbstbedienungsladen werden.“

MdB Bärbel Bas (SPD)


Die Sozialdemokratin forderte das BMG daher auf, die Gehaltsverdopplung zurückzunehmen. Es gehe schließlich „um Versichertengelder, die besser in die Infrastruktur investiert werden sollten“, so Bas. Bas kündigte auch an, einen Brief an Spahn zu schreiben, in dem sie deutlich machen werde, dass sie die Entscheidung für falsch halte. Und weiter: „Wir werden bei zukünftigen Gesetzentwürfen des Ministers auch in anderen Bereichen die bewährten Strukturen der Selbstverwaltung stärken, damit solche Entscheidungen allein aus dem Ministerium heraus so nicht mehr getroffen werden können. Wir stehen zu unserer Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Selbstverwaltung zu stärken.“

Bas erinnerte auch daran, welchen Vorschlag die SPD bezüglich der Gematik hatte: „Unser Vorschlag als SPD war es, die Gematik zu einer steuerfinanzierten Bundesbehörde umzubauen. Auf diesem Weg hätten wir mehr Einflussmöglichkeiten gehabt, so dass z.B. eine solche Gehaltserhöhung vom Bundesfinanzministerium hätte abgesegnet werden müssen.“ Jetzt könne man allerdings weiterhin inhaltlichen Einfluss nehmen – über vom Parlament verabschiedete Gesetze.

Linke macht Spahn Vorwürfe

Zuvor hatte sich aus der Opposition auch schon Dr. Achim Kessler (Linke) in die Debatte eingeschaltet. Kessler hatte erklärt: „Spahn hat jüngst erst die Kontrolle über die Betreibergesellschaft der Digitalisierung übernommen, die für die Ausgestaltung neuer digitaler Angebote in der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig ist. Nun besetzt er den Chefposten mit einem Pharmamanager, der weder für Digitalisierung noch für Selbstverwaltung ein ausgewiesener Experte ist. Einmal mehr hält Spahn Wirtschaftsvertreter offenbar für die besseren Experten.“ 

Wichtige Zeiten für die Gematik

Der Pharma-Manager tritt in einer sehr wichtigen Phase in die Gematik ein. In den kommenden Jahren soll die Telematikinfrastruktur, also gewissermaßen die Datenautobahn im Gesundheitswesen, fertiggestellt werden. Gleichzeitig sollen mehrere neue Anwendungen starten, wie unter anderem das E-Rezept und die E-Medikationspläne.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Spahn auf Gematik-Tripp

von Heiko Barz am 27.06.2019 um 13:39 Uhr

Für solch einen für uns „unbeleckten“ Protagonisten einfach unbesehen das Gehalt zu verdoppeln und uns, die wir seit 2004 die Finanzen der KKassen jährlich um so 3Milliarden durch unsere aufgezwungene Rabatt AM-Arbeit erhöhen, für uns bleibt nur ein feuchter Handschlag und in Zukunft nicht mal mehr dieser.
Herr Spahn, schämen Sie sich!

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Aha

von Karl Friedrich Müller am 27.06.2019 um 7:47 Uhr

„Die Gematik darf kein Selbstbedienungsladen werden“

Wird auch nicht so
Ist schon

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