Bei Sportlern

Darmbakterien der Gattung Veillonella steigern die Leistungsfähigkeit

Boston / Stuttgart - 25.06.2019, 14:00 Uhr

In Stuhlproben von Marathonläufern fiel auf,
dass sich Bakterien der Gattung Veillonella eine Woche nach dem Lauf stark
vermehrt hatten. Sie können Laktate, die
bei großer Anstrengung in den Muskeln entstehen, in kurzkettige Fettsäuren
umwandeln. (c / Foto: 
                                            
                                            
                                                    
                                        
                                        
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In Stuhlproben von Marathonläufern fiel auf, dass sich Bakterien der Gattung Veillonella eine Woche nach dem Lauf stark vermehrt hatten. Sie können Laktate, die bei großer Anstrengung in den Muskeln entstehen, in kurzkettige Fettsäuren umwandeln. (c / Foto: babaroga / stock.adobe.com)


Die Leistung von Sportlern hängt von vielen Faktoren ab. Auch Darmbakterien der Gattung Veillonella spielen wohl eine Rolle, das haben US-Forscher herausgefunden. Die Bakterien wandeln Laktate in kurzkettige Fettsäuren um. Und die erhöhen die Leistungsfähigkeit. Ihre Erkenntnisse wollen die Forscher nutzen, um Probiotika zu entwickeln, mit denen Menschen ihre Fähigkeit zu sinnvoller Bewegung verbessern – als Schutz zum Beispiel vor Diabetes. 

Bestimmte Darmbakterien können die sportliche Leistung steigern. Das schreiben US-amerikanische Forscher um Aleksandar Kostic vom Joslin Diabetes Center in Boston (Massachusetts, USA) in „Nature Medicine“, nachdem sie Stuhlproben von Marathonläufern analysiert haben. Dabei fiel auf, dass sich Bakterien der Gattung Veillonella eine Woche nach dem Lauf stark vermehrt hatten. Die Forscher gehen davon aus, dass diese Mikroben Laktate, die bei großer Anstrengung in den Muskeln entstehen, in kurzkettige Fettsäuren umwandeln. Dazu gehören sogenannte Propionate, die die Leistungsfähigkeit erhöhen, wie die Forscher schreiben.

Die Entdeckung begann mit Kotproben von 15 Teilnehmern des Boston-Marathons 2015, die eine Woche vor und eine Woche nach dem Ereignis nahezu täglich genommen wurden. Kostic und sein Team untersuchten die Proben auf die Zusammensetzung der Darmbakterien. „Eines der Dinge, die sofort unsere Aufmerksamkeit auf sich zogen, war dieser einzelne Organismus, Veillonella, der unmittelbar nach dem Marathon in den Läufern deutlich reichhaltiger vorhanden war“, wird Kostic in einer Mitteilung des Joslin Diabetes Centers zitiert. Als Kontrollgruppe dienten zehn Personen mit überwiegend sitzender Tätigkeit.

Veillonella

Bakterien der Gattung Veillonella gehören zu den Acidaminococcaceae. Benannt sind sie nach dem französischen Bakteriologen Adrien Veillon, 1864-1931. Sie gehören zur physiologischen Mundflora (Zahnkaries), Darmflora und Vaginalflora des Menschen. Es handelt sich dabei um strikt anaerobe, gramnegative Kokken. Sie besitzen keine Glucokinase und Fructokinase, können also keine Kohlenhydrate verstoffwechseln, sondern nutzen organische Säuren wie Laktat zur Energiegewinnung. Die Umwandlung von Laktat in Propionate und Acetate stellt ihre Hauptquelle zur Energiegewinnung dar. Drei Arten sind bekannt V. parvula, V. atypica und V. dispar. Veillonella parvula kann unter gewissen Bedingungen, zum Beispiel unter Immunsuppression, humanpathogen sein, ist also ein opportunistischer Krankheitserreger. Bakterien der Spezies wurden zum Beispiel aus Patienten mit Endokarditis, Parodontitis, Meningitis oder Osteomyelitis isoliert. Auch einige Fälle der Sepsis sind im Zusammenhang mit der Bakterienart bekannt geworden.

Mäuse liefen im Schnitt 13 Prozent länger

Die Forscher konnten die Vermehrung von Veillonella-Bakterien nach anstrengender sportlicher Betätigung in Stuhlproben von 87 Ultramarathonläufern und Ruderern bestätigen. Außerdem überprüften sie den Effekt von Veillonella, indem sie die Bakterien in den Darm von 16 Mäusen einbrachten. Anschließend liefen die Mäuse bis zur Erschöpfung in einem Hamsterrad. Die Mäuse, denen Veillonella-Mikroben verabreicht wurden, liefen im Schnitt 13 Prozent länger als die Mäuse einer Vergleichsgruppe.

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Laktate als einzige Kohlenstoffquelle

Bekannt war, dass Veillonella-Bakterien Laktate als einzige Kohlenstoffquelle nutzen. Laktate entstehen bei längerer sportlicher Betätigung im Muskel. In einem Versuch mit Mäusen wies die Gruppe um Kostic nun nach, dass Laktate durch die Darmwand in den Darm gelangen können.

Dort werden sie von Veillonella in kurzkettige Fettsäuren, darunter Propionate, umgewandelt. Über deren Wirkung schreiben die Wissenschaftler in Bezug auf frühere Forschungsergebnisse: „Es wurde gezeigt, dass Propionate die Herzfrequenz und die maximale Rate des Sauerstoffverbrauchs erhöhen, den Blutdruck bei Mäusen beeinflussen sowie den Energieverbrauch im Ruhezustand und die Fettverbrennung bei nüchternen Menschen erhöhen.“

Ihre Erkenntnisse wollen die Forscher auch medizinisch nutzen: „Was wir uns vorstellen, ist eine probiotische Ergänzung, die die Menschen einnehmen können, um ihre Fähigkeit zu sinnvoller Bewegung zu verbessern und sie somit vor chronischen Krankheiten, einschließlich Diabetes, zu schützen“, sagte Kostic.



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