Arzneimittelpreise

Warum Medikamente in den USA so teuer sind

München - 17.06.2019, 17:50 Uhr

DAZ.online-Autor Thorsten Schüller ist der Frage nachgegangen, warum die Arzneimittelpreise gerade in den USA so hoch sind. (c / Foto: photothek / imago images)

DAZ.online-Autor Thorsten Schüller ist der Frage nachgegangen, warum die Arzneimittelpreise gerade in den USA so hoch sind. (c / Foto: photothek / imago images)


Entgegen aller Versuche von US-Präsident Donald Trump, die Arzneimittelpreise in den Griff zu bekommen, zahlen die Amerikaner für Medikamente vielfach zwei- bis dreimal mehr als die Versicherten in anderen Industrieländern. Die Ursachen liegen im System, das an mehreren Stellen zur Preistreiberei animiert.

US-Präsident Donald Trump hatte im vergangenen Jahr mit großem Tamtam angekündigt, die Spirale ständig steigender Ausgaben für Arzneimittel stoppen zu wollen. Vor allem einer Gruppe, den sogenannten Pharmacy Benefit Managern (PBM), die die Preise zwischen Versicherungen, Apothekenketten und Arbeitgebern verhandeln, sagte er den Kampf an. Tatsächlich handelt es sich dabei um vielfach große Unternehmen mit erheblicher Marktmacht wie ExpressScripts, CVS Caremark oder Argus, die für die Versicherungen Rabatte mit den Pharmaunternehmen aushandeln. Trumps Vorwurf: Die PBM selbst würden zu viel verdienen und Teil der Preistreiberei sein.

Trotz der großen Ankündigungen des US-Präsidenten hat sich bislang nicht viel geändert. Zwar lobte Trump bei seiner Rede zur Lage der Nation im Februar dieses Jahres die Bemühungen seiner Regierung, die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu senken. Die seien 2018 so stark gefallen wie seit 46 Jahren nicht. Beobachter wiesen allerdings darauf hin, dass Trumps Ausführungen irreführend waren.

Tatsache ist, dass beispielsweise der Pharmakonzern Novartis erst kürzlich sein Gentherapeutikum Zolgensma zur Behandlung der schwersten Form der spinalen Muskelatrophie bei Babys auf den Markt brachte, das mit einem Preisschild von mehr als zwei Millionen Dollar versehen ist. Zwar öffnet das Arzneimittel neue Therapiemöglichkeiten. Es öffnet aber auch die Tür zu einer völlig neuen Preiskategorie.

Zudem bestätigt der Vergleich mit anderen Ländern, dass die Krankenversicherten und Patienten in den USA so stark zur Kasse gebeten werden wie sonst kaum irgendwo. So verweist die Tageszeitung FAZ auf eine englische Studie, wonach die 20 meistgekauften Arzneimittel in den USA um etwa zwei Drittel teurer als in Großbritannien seien. Das US-Gesundheitsministerium selbst spricht davon, dass die wichtigsten rezeptpflichtigen Arzneimittel in Nordamerika im Schnitt doppelt so teuer wie in anderen Industrieländern seien.

Die Probleme liegen im System

Die Ursachen für diese Malaise liegen im System. Dabei spielen die von Trump gescholtenen PBM eine gewichtige Rolle. Denn wenn Pharmaunternehmen hohe Rabatte geben, werden diese Produkte von den Mittelsmännern im US-Gesundheitssystem auch vielfach hoch eingestuft. Das bedeutet, dass die Patienten einen vergleichsweise geringen Eigenanteil leisten, während die Versicherer das Gros der Kosten übernehmen. Umgekehrt setzen die PBM bei niedrigen Rabatten oftmals eine niedrigere Einstufung der Produkte an, was zur Folge hat, dass der Eigenanteil der Patienten höher ist. Für Pharmaunternehmen lohnen sich finanziell vor allem die hoch eingestuften Präparate, denn je niedriger der Zuzahlungsanteil der Patienten ist, umso häufiger werden diese Produkte gekauft – der Umsatz mit diesen Präparaten fällt also höher aus.

Die Branche der PBM behauptet gerne, mit dieser Vorgehensweise zu einer Senkung der Arzneimittelkosten beizutragen. So preist die den PBM nahestehende Pharmaceutical Care Management Association (PCMA), dass die PBM mittels Verhandlungen die Ausgaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel über einen Zeitraum von zehn Jahren um 654 Milliarden Dollar reduzieren. Ihre Kostensenkungs-Argumente fasst die Organisation auf einer eigenen Webseite zusammen.

Andererseits hat Kenneth Frazier, Chef des US-Pharmakonzerns Eli Lilly, kürzlich vor dem US-Kongress ausgesagt, dass er bei herrschenden System gezwungen sei, hohe Listenpreise anzusetzen, um hohe Rabatte gewähren zu können. Das deutet nicht unbedingt darauf hin, dass diese Praxis Anreize zur Kostensenkung bei Medikamenten bietet.

Existenzgefahr im Krankheitsfall

Für die US-Bürger stellen die hohen Gesundheitskosten jedenfalls eine erhebliche Belastung dar. So verweist die FAZ auf eine Umfrage der Meinungsforschungsfirma Pew Research von Januar 2019, wonach fast jeder zweite Amerikaner fürchtet, eine schwere Krankheit könnte ihn finanziell ruinieren. Nach einer Erhebung von Gallup haben im vergangenen Jahr sogar 65 Millionen Amerikaner von einer medizinischen Behandlung abgesehen, weil sie zu hohe Kosten fürchteten.

Zwar verpflichtete die vom vorherigen US-Präsidenten Barack Obama umgesetzte Gesundheitsreform Obamacare die Versicherer, die Kosten von rezeptpflichtigen Medikamenten zu einem großen Teil zu tragen. In die Preisgestaltung der Arzneimittel selbst hat die Reform aber nicht eingegriffen, so die Zeitung. Für die Versicherten stelle unter anderem der Eigenanteil, den sie an den Krankenkassenkosten tragen müssen, eine Belastung dar. Im Schnitt müssten die US-Bürger für 20 Prozent dieser Kosten aufkommen. Dazu kommen die Eigenanteile, die im konkreten Behandlungsfall fällig werden. Oftmals gebe es auch Mindestkosten-Klauseln, womit Versicherte beispielsweise die ersten 1.000 Dollar selbst bezahlen müssten, ehe die Versicherung überhaupt greife. Teilweise liege diese Mindestbeteiligung sogar noch deutlich höher. Und: Millionen von Amerikanern sind trotz Obamacare immer noch nicht krankenversichert. Jeder Arztbesuch schlägt bei ihnen voll auf die Haushaltskasse durch.

Ein weiterer Grund für die hohen Gesundheitskosten in den USA liegt darin, dass der Wettbewerb vielfach eingeschränkt ist. So gelingt es vielen Pharmaherstellern, die Patentlaufzeit für ihre Medikamente mindestens einmal zu verlängern, was die Konkurrenz auf Abstand hält. Die FAZ beruft sich in diesem Punkt auf eine Kongressanhörung von Mark Miller, dem Chef der Gesundheitssparte von Arnold Ventures, einer philantrophischen Stiftung aus Texas. Laut Miller zahlen zudem viele forschenden Pharmaunternehmen den Generikaherstellern eine Prämie, dass diese ihre Produkte mit Verzögerung auf den Markt bringen.

Derweil versucht Trump weiterhin, die Pharmacy Benefit Manager in die Schranken zu weisen. Die allerdings wehren sich: Im April kursierten in den USA Meldungen, wonach die PBM beziehungsweise die Pharmaceutical Care Management Association im ersten Quartal 2019 so viel wie noch nie für Lobbyarbeit in Washington ausgegeben haben: 1,49 Millionen Dollar.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Komisch, wir äffen Anglo-Amerikanern sonst alles nach ...

von Alfons Neumann am 18.06.2019 um 0:55 Uhr

... nur die positiven Ideen nicht !
Dort sind Aotheker im Krankenhaus allgemein eingebunden, hierzulande krebst man mit (Stations-)Apotheker-Weiterbildungs-Voraussetzugen rum - Ältere Apothekers offenbar unerwünscht ??
Bzgl. Preisdiskussion in USA: Da darf sich ein Trumpel nicht wundern.
Ein ähnliches Rabatt-Durchreiche-Modell an die GKV gibt es ja auch hierzlande bei AM mit "pos.Nutzebewertung.abgeschlossen" - Ein Retaxrisiko seitens GKV natürlich niemals aussgeschlossen.

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Vorbiild USA

von ratatosk am 17.06.2019 um 18:39 Uhr

Trotz all dieser offensichtlichen Schwächen, sind die USA vielen unserer Gesundheitsexperte immer noch ein Vorbild !
Wenn Irrsinn eben Methode hat

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