Frühe Programmierung des Immunsystems

Wer als Kind schon anfällig war, wird auch später leichter krank

Remagen - 12.06.2019, 10:15 Uhr

Einer aktuellen Untersuchung zufolge werden aus gesunden Kindern auch gesunde Erwachsene. (c / Foto: Julie LEGRAND / stock.adobe.com)                                                                                              

Einer aktuellen Untersuchung zufolge werden aus gesunden Kindern auch gesunde Erwachsene. (c / Foto: Julie LEGRAND / stock.adobe.com)                                                                                              


Hygienehypothese bestätigt

Die drei anderen Gruppen waren erheblich kleiner. Die „atopische“ Gruppe (7 Prozent) wies mehrere allergische Erkrankungen auf. Die etwa gleich große „gemischte“ Gruppe (rund 9 Prozent) hatte einzelne allergische Erkrankungen, zum Beispiel Medikamentenallergien, sowie bakterielle und mit Hautausschlägen einhergehende Kinderkrankheiten (zum Beispiel Scharlach, Keuchhusten oder Röteln). In die kleinste der fünf Gruppen (rund 5 Prozent) wurden Personen eingeordnet, die in der Kindheit traumatisiert worden waren. Sie waren nach der Beschreibung der Forscher zwar anfälliger gegen allergische Erkrankungen, reagierten jedoch bei typischen viralen Kinderkrankheiten vergleichsweise resilient. Soweit zur Situation der Personen im Kindesalter.

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Chronisch entzündet

Mehr Atopiker unter Jüngeren

Zunächst fanden die Wissenschaftler durch vergleichende Analysen die Hygienehypothese bestätigt, wie der Erstautor der Studie Vladeta Ajdacic-Gross in einer Medienmitteilung der UZH betont. Sie stellten nämlich fest, dass die neutrale und die resiliente Gruppe bei älteren Jahrgängen häufiger vertreten sind als bei jüngeren. Anderes herum ausgedrückt: Kinder, die später geboren wurden, haben nicht mehr so ein leistungsfähiges Immunsystem wie früher. Außerdem hat die atopische Gruppe bei den jüngeren Jahrgängen zugenommen.

Unterschiede hinsichtlich der späteren Gesundheit

Die Forscher gingen aber noch über die Verifizierung der Hygienehypothese hinaus und wollten wissen, ob die immunologische Charakterisierung der Personen mit chronischen Entzündungskrankheiten oder psychischen Störungen im Erwachsenenalter in Verbindung stand. Tatsächlich beobachteten sie zwischen den Gruppen Unterschiede hinsichtlich der späteren Gesundheit. So waren Personen aus der resilienten Gruppe im Erwachsenenalter nicht nur vor chronischen Entzündungskrankheiten besser geschützt, sondern auch vor psychischen Beschwerden. Wer hingegen der atopischen oder der gemischten Gruppe angehörte, war später anfälliger, und zwar sowohl körperlich als auch psychisch. Auch die Gruppe mit kindlichen Traumata wies im Erwachsenenalter eine höhere Anfälligkeit für psychische Erkrankungen auf. Ein höheres Risiko für chronische Entzündungskrankheiten zeigte sich in dieser Gruppe, allerdings nur bei den Frauen.

Welche Erkenntnis ist neu?

Dies sei die erste Studie, mit der immunvermittelte Klassen, die sich schon in der frühen Kindheit entwickeln, umfassend charakterisiert würden, betonen die Autoren. „Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Immunsystem wie eine Schaltstelle zwischen somatischen und psychischen Prozessen funktioniert“, erklärt Ajdacic-Gross. „Sie helfen uns zu verstehen, weshalb auch viele Menschen ohne psychosoziale Vorbelastungen von psychischen Beschwerden eingeholt werden und weshalb umgekehrt traumatisierte Personen zu chronischen Entzündungskrankheiten neigen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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