PHARM-CHF

Interventionsstudie bei Herzinsuffizienz zeigt: Apotheke „wirkt“

Berlin - 29.05.2019, 07:00 Uhr

Aus den Ergebnissen der PHARM-CHF-Studie geht klar hervor: Pharmazeutische Betreuung verbessert Einnahmetreue und Lebensqualität bei Herzinsuffizienz.  (b/Foto: imago images / Westend 61)

Aus den Ergebnissen der PHARM-CHF-Studie geht klar hervor: Pharmazeutische Betreuung verbessert Einnahmetreue und Lebensqualität bei Herzinsuffizienz.  (b/Foto: imago images / Westend 61)


Dass pharmazeutische Betreuung die medikamentöse Langzeittherapie verbessert, liegt auf der Hand. Die randomisierte Interventionsstudie PHARM-CHF zeigt dies bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nun schwarz auf weiß. Den Ergebnissen zufolge verbesserte die apothekerliche Intervention signifikant die Einnahmetreue und die Lebensqualität.

Berufspolitik meets Wissenschaft: Die randomisierte Interventionsstudie der ABDA mit 237 Herzinsuffizienz-Patienten beweist, dass pharmazeutische Betreuung die Adhärenz in der Langzeittherapie signifikant verbessert. Die Ergebnisse der sogenannten PHARM-CHF-Studie wurden am vergangenen Sonntag auf dem europäischen Herzinsuffizienz-Kongress „ESC-Heart Failure“ in Athen vorgestellt.

Studie untersucht Nutzen pharmazeutischer Dienstleistungen 

Ursprünglich waren 2060 Studienpatienten, also fast die zehnfache Anzahl, vorgesehen. Doch die Rekrutierung verlief schleppend, weshalb die ABDA ihr ursprüngliches Ziel nach unten korrigiert hatte. Auch die Ergebnisse sollten deutlich früher ausgewertet sein. Doch der Zeitpunkt der Veröffentlichung im European Journal of Heart Failure und der Pharmazeutischen Zeitung ist nicht nur wegen des Herzinsuffizienz-Kongresses spannend. Sondern in der Studie geht es gerade um solche pharmazeutischen Dienstleistungen, wie etwa Medikationsanalysen, deren Honorierung derzeit im Rahmen des Apotheken-Stärkungsgesetzes diskutiert wird.

Die Herzinsuffizienz-Patienten der PHARM-CHF-Studie wurden vom Hausarzt, Internisten oder Kardiologen rekrutiert und zufällig in Interventions- und Kontrollgruppe randomisiert. Die Gruppen waren sich hinsichtlich ihres Alters, Schweregrad der Erkrankung sowie Medikation ähnlich.

„Normale“ versus intensivierte Betreuung bei Herzinsuffizienz

Während die 127 Patienten der Kontrollgruppe regulär zum Arzt gingen und ihre Rezepte in einer Apotheke ihrer Wahl einlösten, erhielten die 110 Patienten der Interventionsgruppe eine intensivere pharmazeutische Betreuung. Diese gestaltete sich wie folgt: Die Interventionspatienten wählten nach ihrer ersten ärztlichen Visite eine Studienapotheke aus, die mit dem Patienten zunächst eine Analyse der Gesamtmedikation vornahm (Medikationsanalyse vom Typ 2a, Brown Bag Review). Auf Basis der ersten Medikationsanalyse erstellte die Studienapotheke mit dem Studienarzt einen interdisziplinär konsolidierten Medikationsplan. Bei Herzinsuffizienz-Patienten liegt zumeist eine Polymedikation vor, da sie häufig auch an Diabetes, Vorhofflimmern, Hypertonie oder koronarer Herzkrankheit leiden.

Einnahmetreue als primärer Wirksamkeitsendpunkt

Die Patienten der Interventionsgruppe suchten ihre Studienapotheke entweder wöchentlich oder 14-tägig auf. Dort erhielten sie ihre Medikation, die die Apotheke individuell für den Patienten in Dosierhilfen zusammengestellt hatte, sowie intensive Beratung. Außerdem wurden in der Apotheke Puls und Blutdruck gemessen. Bei einer Symptomverschlechterung oder arzneimittelbezogenen Probleme rieten die Pharmazeuten zum Arztbesuch. Studienapotheke und -arztpraxis konnten über ein elektronisches Modul jederzeit den Medikationsplan des Patienten einsehen, die Apotheke hatte Schreibrechte, um den Medikationsplan anzupassen. Die erste Version des Medikationsplans wurde vom Studienarzt freigegeben.

Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Einnahmetreue in den folgenden drei Arzneistoffklassen:

  • ACE-Hemmer/Sartane
  • Betablocker
  • Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonisten

Zur Auswertung wurde der PDC-Quotient herangezogen. Dieser definiert sich durch das Verhältnis der Tage, an denen die Medikation eingenommen wurde, zu der Gesamtzahl der Tage des Beobachtungszeitraumes.  Als „adhärent“ gelten Patienten mit einem PDC von 80 Prozent. Diesen wiesen vor Studienbeginn nur 43 Prozent der Patienten auf. Die mittlere Einnahmetreue lag bei 68 Prozent.

Signifikante Verbesserungen in der Interventionsgruppe

Nach dem ersten Studienjahr zeigten sich signifikante Unterschiede bei der Einnahmetreue. So stieg der Anteil der Patienten mit einem PDC von 80 nach einem Jahr von 44 auf 86 – in der Kontrollgruppe lediglich von 42 auf 68.  An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich allein das Bewusstsein, an einer Studie teilzunehmen, positiv auf die Adhärenz des Patienten auswirken kann, was die Entwicklung der Kontrollgruppe erklären könnte. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist signifikant (p=0,005). Besonders ausgeprägt war der Effekt bei den Betablockern. Die Number Needed to Treat (NNT), also die gedachte Zahl an Behandlungen, die nötig ist, um gegenüber einer Alternativmethode einen einzelnen positiven Ausgang zu erreichen, ist mit 5,6 erfreulich niedrig.

Einen weiteren Endpunkt stellte die Auswirkung der pharmazeutischen Intervention auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität dar. Diese wurde anhand des „Minnesota Living with Heart Failure Questionnaire“ beobachtet. Mit dem validierten Fragebogen wird ermittelt, wie stark die Herzinsuffizienz die gewünschte Lebensweise des Patienten in den vergangenen vier Wochen beeinträchtigt hat. Nach dem ersten Studienjahr zeigte sich ein nicht-signifikant positiver Trend zugunsten der Interventionsgruppe ab. Im zweiten Jahr erreichte der Unterschied das Signifikanzniveau, weil es der Interventionsgruppe besser und der Kontrollgruppe schlechter ging.

Den primären Sicherheitsendpunkt bildete die Zahl der verlorenen Medikationstage, etwa durch Krankenhauseinweisungen. Hier gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. In der Kontrollgruppe gab es numerisch mehr Todesfälle (21 versus 18 Prozent, p = 0.55).

Einnahmetreue verbessert Prognose

Die PHARM-CHF-Studie ist nach Angabe der Autoren die weltweit erste Studie, die den Zusammenhang zwischen der pharmazeutischen Betreuung und der Einnahmetreue belegt. Eine Verbesserung der Arzneimittel-Adhärenz dient bei der chronischen Herzinsuffizienz nicht etwa zum Selbstzweck, sondern ist nachweislich mit einer geringeren Morbidität, Mortalität und Zahl von Krankenhauseinweisungen verbunden. Deshalb ist eine Verbesserung der Einnahmetreue ein wichtiges Therapieziel. Dieses zu erreichen, ist bei multimorbiden, älteren Patienten eine Herausforderung. Denn mit der Zahl der einzunehmenden Medikamente steigt auch die Zahl von Neben- und Wechselwirkungen, die sich negativ auf die Motivation des Patienten auswirken. Hinzu kommt, dass längst nicht alle Patienten von sich aus zum Arzt oder Apotheker gehen, um von ihren arzneimittelbezogenen Problemen zu berichten. Ein institutionalisiertes Beratungsgespräch erleichtert es, diese Probleme zu erkennen.

Schmidt: Studie bestätigt Bedeutung pharmazeutischer Dienstleistungen

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ist mit den Studienergebnissen zufrieden. „Die Ergebnisse der PHARM-CHF-Studie zeigen die große Bedeutung von pharmazeutischen Dienstleistungen für Patientinnen und Patienten. Sie belegen zudem den Nutzen einer engen Arzt-Apotheker-Kooperation“, wird Schmidt in einer Pressemitteilung zitiert. Die Interventionen durch die Studienapotheker, wie etwa Maßnahmen zur Steigerung der Therapietreue, gehören zu den pharmazeutischen Dienstleistungen, die die Bundesapothekerkammer zur Verbesserung der Versorgung vorschlägt.

Co-Studienleiter Professor Ulrich Laufs, der als Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig die Medizinerperspektive vertritt, weiß die Leistungen der Apotheken zu schätzen. „Kardiologen und Hausärzte würden eine solche pharmazeutische Dienstleistung begrüßen, da sie den Patienten hilft, die mit dem Arzt vereinbarte Therapie optimal umzusetzen, vor allem ihre Arzneimittel langfristig in der richtigen Dosierung einzunehmen“, so der Kardiologe.

Chronische Herzinsuffizienz ist vermutlich nicht die einzige Indikation, bei der eine intensive pharmazeutische Betreuung sinnvoll wäre. Auch etwa bei Diabetes, Asthma, Schmerzsyndromen oder weiteren chronischen Krankheitsbildern könnten Patienten von einer intensivierten pharmazeutischen Betreuung profitieren.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Pharm CHF

von Lutz Engelen am 29.05.2019 um 8:28 Uhr

Mein Dank gilt den Kammern Bayern und Westfalen-Lippe , die mit uns gemeinsam diese Studie finanziell und inhaltlich gefördert haben und natürlich gilt unser aller Dank Herrn Prof. Martin Schulz und seinem Team für ihren engagierten Einsatz in dieser Studie. Das Ergebnis kommt zur richtigen Zeit und beweist mal wieder, dass Apotheke unverzichtbarer Teil unseres Gesundheitssystems ist.

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