Amazon versus Alibaba

E-Commerce-Giganten kämpfen um Vorherrschaft – auch in Europa

München - 21.05.2019, 16:00 Uhr

Jack Ma gilt als reichtser Mann Chinas. Mit seinem Online-Händler Alibaba will Ma jetzt Europa erobern. In anderen Märkten soll er bereits mit Arzneimitteln gehandelt haben. ( r / Foto: imago images / IP3press)

Jack Ma gilt als reichtser Mann Chinas. Mit seinem Online-Händler Alibaba will Ma jetzt Europa erobern. In anderen Märkten soll er bereits mit Arzneimitteln gehandelt haben. ( r / Foto: imago images / IP3press)


Für Apotheker stellt der Onlinehändler Amazon potenziell eine Bedrohung dar. Sollte der Konzern hierzulande im großen Stil in das Geschäft mit dem Arzneimittelhandel einsteigen, würde das die Gewichte und Spielregeln auf dem Markt massiv verändern. Doch auch Amazons Platz auf dem Thron der Handelsgiganten ist nicht in Stein gemeißelt: Zunehmend macht sich der chinesische Wettbewerber Alibaba in Europa breit und geht damit auf Konfrontation zu Amazon. Den Riesen aus China sollten auch die Apotheker im Blick behalten.

Die Ansage von Alibaba-Gründer- und Chef Jack Ma kam im vergangenen Jahr: „Wir stellen neue Regeln für die Zukunft auf“, teilte er den Medien mit und lieferte auch gleich Fakten: Etwa 15 Milliarden Dollar wolle seine Online-Handelsplattform Alibaba in den nächsten Jahren investieren. Mit einer groß angelegten Initiative werde der Konzern eine „electronic World Trade Platform“ (kurz eWTP), errichten. 

Mit diesen Ambitionen dürfte das Unternehmen, das sich bislang vor allem auf den chinesischen Markt fokussiert hatte, seine Marktstellung auch in Europa deutlich ausbauen. Um dieser Absicht Nachdruck zu verleihen, rammte das „chinesische Amazon“ Ende 2018 zudem einen dicken Pflock in die Erde, als es bekanntgab, in Belgien ein Logistikdrehkreuz errichten zu wollen. Lüttich sei als neuer Knotenpunkt eines globalen Netzwerks ausgewählt worden, sagte Europa-Chef Terry von Bibra. Von dem neuen Zentrum, das seinen Betrieb 2021 aufnehmen werde, sollen europäische Firmen in den kommenden fünf Jahren Produkte im Wert von 200 Milliarden Euro nach China liefern können. Der Standort soll außerdem dazu beitragen, dass Waren künftig kontinentübergreifend innerhalb von fünf Tagen beim Kunden sind. Man wolle diesen Service innerhalb der nächsten drei Jahre für 100 Städte weltweit anbieten, so die Alibaba-Logistiktochter Cainiao Smart Logistik Network. 

Die Gewichte verschieben sich

Amazon versus Alibaba, das ist ein Kräftemessen in der Schwergewichtsklasse. Der ehemalige Englischlehrer Jack Ma hat seine Firma Alibaba am 4. April 1999 in Hangzhou gegründet, fünf Jahre nachdem Jeff Bezos Amazon zum Leben erweckt hatte. Bislang sind sich die Unternehmen kaum in die Quere gekommen, doch das könnte sich mit den angekündigten Milliardeninvestitionen nun ändern. 

Amazon, nach Börsenwert das drittwertvollste Unternehmen der Welt, hat sich in der Vergangenheit die Nummer-1-Position in Europa und den USA gesichert. Allein in Deutschland macht der Konzern laut einer Analyse von Payback und der Universität St. Gallen fast 50 Prozent des gesamten E-Commerce-Umsatzes. Alibaba hingegen ist der Platzhirsch auf dem riesigen chinesischen Markt – dort bekommt Amazon keinen Fuß auf den Boden. Im vergangenen Jahr brachte es Amazon dort auf einen Marktanteil von gerade einmal 0,7 Prozent. Alibaba mit 58,2 Prozent und die Handelsplattform JD mit 16,3 Prozent liegen dagegen meilenweit vorne. Insgesamt haben die chinesischen Firmen nach Angaben der Analysten von iResearch Global das eigene Land mit knapp 82 Prozent fest im Griff.

Amazon zieht sich aus China zurück

Daher hat sich Amazon zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen – der Konzern expandiert nicht, wie man es sonst von dem Onlinehändler gewohnt ist, sondern zieht sich angesichts der Marktmacht der Konkurrenten zunehmend vom chinesischen Markt zurück. Nach mehreren Medienberichten schließt Amazon dort zurzeit seine Dienstleistungszentren und verringert die Zusammenarbeit mit chinesischen Verkäufern. Zwar sollen Amazon China online und weitere Geschäftsbereiche erhalten bleiben, Kunden können jedoch nicht mehr Waren von Drittanbietern kaufen. 

Alibaba hingegen schaltet mit seiner Europaexpansion auf Angriff. Über das neue Logistikzentrum in Lüttich sollen nicht nur europäische Firmen ihre Waren einfacher nach China liefern können, sondern chinesische Hersteller auch einen stark vereinfachten Zugang zum europäischen Markt erhalten. Das langfristige Ziel: Bestellungen aus China sollen innerhalb von 24 Stunden und in der restlichen Welt innerhalb von drei Tagen vollständig abgewickelt sein. Zur Strategie gehören auch Übernahmen. Ein Gerücht betrifft den Kauf von Europas größtem Online-Modehändler Zalando. Das wäre eine neue Qualität in dem Duell der Giganten.

Medien: Alibaba verkaufte Rx-Präparate

Bei aller Ähnlichkeit verfolgt Alibaba eine andere Geschäftsstrategie als Amazon. Während der US-Konzern zu einem erheblichen Teil selbst eine breite Palette von Produkten aufkauft und diese an seine Kunden weitergibt, was einen logistischen Aufwand bedeutet, verkauft Alibaba keine eigenen Waren, sondern beschränkt sich überwiegend auf den Job des Vermittlers. Der chinesische Konzern braucht daher keine teuren Logistikzentren, was das Unternehmen wesentlich profitabler macht. Zum Vergleich: Amazon hat etwa elfmal so viele Mitarbeiter wie Alibaba, bei einem nur leicht höheren Gewinn.

Amazon-Gründer Bezos gilt heute als der reichste Mensch überhaupt, Jack Ma immerhin als der reichste Mann Chinas. Er hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass der chinesische Onlinemarkt der größte der Welt ist. Nach Informationen des China Internet Networks sind seit 2018 über 800 Millionen User beim Online-Shopping dabei. Nach eigenen Angaben erreicht Alibaba mit 654 Millionen aktiven Nutzern deutlich mehr als eine halbe Milliarde Menschen. Unter dem Dach des Konzerns versammeln sich derzeit mehr als 20.000 Marken in über 4.000 Kategorien aus 77 Ländern und Regionen.

Im Übrigen hat Firmengründer Jack Ma nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Alibaba als globales Unternehmen sieht. Seit er seinen Rückzug aus der Firma für September 2019 angekündigt hat, forciert er die internationalen Ambitionen noch einmal. Seine Devise: Bis zum Jahr 2036 soll Alibaba rund zwei Milliarden Kunden erreichen. „Globalisierung war schon immer das langfristige Ziel von Alibaba“, teilte auch Ma´s designierter Nachfolger Daniel Zhang jüngst in einem Brief an Investoren mit. „Unsere Vision ist es, allen unseren Kunden bei der digitalen Transformation zu helfen.“

Alibabas Medikamentengeschäfte - auch mit Rx?

Dabei könnte Alibaba künftig verstärkt auch in das Geschäft mit Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten einsteigen. Schon heute vertreibt der Konzern auf seiner Plattform zahlreiche Produkte aus dieser Kategorie, darunter Veterinärmedizin, Vitaminpräparate und Aspirin beziehungsweise den puren Wirkstoff Acetylsalicylsäure. Im vergangenen Jahr berichtete zudem die Financial Times (FT), dass auf den Seiten von Alibaba und JD.com Zehntausende von vielfach verschreibungspflichtigen Arzneimitteln angeboten worden seien. Die beiden Unternehmen hätten eine rechtliche Grauzone genutzt, da die Anbieter meist chinesische Apotheken gewesen seien und Alibaba wie auch JD.com lediglich als Zwischenhändler aufgetreten seien. Damit sei der Verkauf nicht in den Bereich „online“ gefallen. Teilweise hätten die Verkäufer kein Rezept für den Kauf ihrer Rx-Produkte verlangt.

Die Nachrichten-Plattform Axios.com berichtet, dass Alibabas Gesundheitssparte AliHealth offiziell zwar nur OTC-Produkte verkaufen dürfe. Bereits 2016 habe das Unternehmen Händler darauf hingewiesen, dass keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel über die Plattform vertrieben werden dürften. Allerdings, so Axios, gebe es Zweifel, wie ernsthaft die chinesische Regierung diese Vorgaben auch kontrolliere und sanktioniere.

Darüber hinaus begibt sich der Plattformbetreiber zunehmend in das ganz legale Geschäft mit Gesundheitsprodukten. Im Juni 2018 kündigten Alibaba und der Darmstädter Merck-Konzern eine strategische Kooperation in den Bereichen Gesundheitsservices und der Nachverfolgung von Arzneimitteln an. Außerdem wollten beide Konzerne gemeinsam auf Feldern wie dem pharmazeutischen Onlinehandel und der Künstliche Intelligenz tätig werden. Auch in der pharmazeutischen Offlinewelt macht Alibaba erste Schritte. Im vergangenen Jahr erwarb Alibaba Health einen 14,5 Prozentanteil an der chinesischen Apothekenkette Guizhou Ensure.

Die FT zitierte die Unternehmensberatung Roland Berger, wonach der Online-Pharmahandel in China im Jahr 2016 einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Dollar erreichte und 2020 auf 12 Milliarden Dollar steigen dürfte.

Alibaba: Weniger Umsatz, mehr Gewinn als Amazon

Bei allem Engagement kann Alibaba wirtschaftlich aber noch nicht an das Format von Amazon heranreichen. 2018 brachte es Amazon auf einen Umsatz von 232,9 Milliarden US-Dollar (umgerechnet zirka 203 Mrd. Euro), das waren rund 31 Prozent mehr als im Vorjahr. Seinen Netto-Gewinn konnte der Online-Riese gar von drei auf 10,1 Milliarden Dollar steigern. Alibaba brachte es dagegen auf vergleichsweise bescheidene 56,1 Milliarden Dollar Umsatz, was allerdings ein sattes Plus von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Zudem ist Alibaba durch das andersartige Geschäftsmodell wesentlich rentabler. Beim Nettogewinn schaffte es Alibaba auf 11,96 Milliarden Dollar – und verdiente damit mehr als der große US-Konkurrent. Auch die Entwicklungen im Handelskrieg zwischen den USA und China scheinen Alibaba nicht zu tangieren. Chinas größter Online-Händler hat mit seinem wirtschaftlichen Ergebnis im abgelaufenen Quartal die Erwartungen der Analysten deutlich übertroffen, vor allem dank seines boomenden Cloud-Geschäfts.

Die Stärke Alibabas´ zeigt sich auch bei herausragenden Vermarktungsereignissen. So setzte Alibaba beim Shopping-Event Singles Day, dem chinesischen Pendant zum amerikanischen Black Friday, im vergangenen Jahr innerhalb von nur zwei Minuten über eine Milliarde Euro um. Am Ende des Tages standen gar 30,7 Milliarden Dollar zu Buche. Amazon selbst kam am Black Friday oder Cyber Monday auf gut eine Milliarde Dollar Umsatz. Beim eigens erfundenen Prime Day mit speziellen Angeboten für die weltweit mehr als 100 Millionen Prime-Kunden erwirtschaftete der Handelsgigant etwa vier Milliarden Dollar.

Es dürfte also spannend werden, wenn Alibaba nun auch Europa erobern will. Nicht nur für Amazon und die europäischen Kunden, sondern möglicherweise auch für Apotheker.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von Heiko Barz am 21.05.2019 um 20:05 Uhr

Das ist doch mal eine schöne Zukunftsaussicht. Unsere digitalbesoffenen Politiker werden auch hier wieder wie hypnotisiert vor der Schlange stehen und sich wehrlos vom Kapital schlucken lassen, ohne es zu bemerken. Was im Kleinen mit „Zur Rose und DOMO“ schon zu großem Unheil für die Patienten heranwächst, ist dann nur noch ein „Fliegenschiss der Gesundheitsgeschichte“.

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