DAZ.online-Europawahl-Check (Teil 1)

Was sagen die Parteien zur Subsidiarität und zu den EU-Versendern?

Berlin - 17.05.2019, 17:50 Uhr

Am 26. Mai wird in Deutschland das neue EU-Parlament gewählt. DAZ.online hat alle Parteien nach den apothekenpolitischen Positionen befragt. (Foto: imago images / MiS)

Am 26. Mai wird in Deutschland das neue EU-Parlament gewählt. DAZ.online hat alle Parteien nach den apothekenpolitischen Positionen befragt. (Foto: imago images / MiS)


Grüne

1) Sollten die Regelungen in den Apothekenmärkten aus Ihrer Sicht weiterhin in den Mitgliedstaaten, also nach dem Subsidiaritätsprinzip, festgelegt werden? Oder wäre eine Vereinheitlichung der Apothekenmärkte angebracht?

Die Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sowohl was die Finanzierung als auch was die Strukturen betrifft, sehr unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund halten wir daran fest, dass die Mitgliedstaaten selbst über die Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung entscheiden. Wir meinen, dass alle Menschen in der Europäischen Union Zugang zu guter Versorgung haben müssen. Der Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährt den Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung. Davon unberührt bleibt, dass die europäischen Grundfreiheiten, wie beispielsweise der freie Warenverkehr innerhalb der EU, in allen Lebenswelten und Politikfeldern garantiert sind. Der Artikel 168 ist nicht dazu da, einzelnen Teilnehmern auf dem Apothekenmarkt einen Vorteil zu verschaffen oder in Deutschland seit Jahren etablierte und aus Sicht der Patient*innen nützliche Versorgungsstrukturen wie den Versandhandel wieder zu verdrängen.

2) Sollten die EU-Mitgliedstaaten aus Ihrer Sicht die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung selbst regeln dürfen oder nicht?

Die Mitgliedstaaten bestimmen schon heute aus gesundheitspolitischer Perspektive über die Höhe der von den nationalen Gesundheitssystemen erstatteten Arzneimittelkosten. Das ist angesichts unterschiedlicher Finanzierungssysteme für die Gesundheitsversorgung auch richtig. Auch die Höhe der an die Apotheken gezahlten Vergütungen wird durch die Mitgliedstaaten festgelegt. Daran wollen wir festhalten. Der EuGH hat entschieden, dass durch die Preisbindung und dem damit bestehenden Wettbewerbsverbot zwischen Apotheken, ausländische Versandapotheken gegenüber inländischen Filialapotheken ungerechtfertigt benachteiligt werden. In der Beziehung zwischen Apotheken und Kund*innen dürfen ausländische Versandapotheken seit dem von inländischen Preisvorgaben abweichen. Der EuGH begründet dies mit dem Grundrecht der Warenverkehrsfreiheit. Dies ist zu akzeptieren. Aus unserer Sicht kommt es nun darauf an, den Preiswettbewerb auf ein vertretbares Maß zu begrenzen und auf diese Weise auch einen mit Nachteilen für die Apotheken sowie die Patient*innen verbundenen unbegrenzten Preiswettbewerb zu verhindern. Wichtig erscheint uns, den pharmazeutischen Beruf insgesamt zu stärken und aufzuwerten. Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung wachsen. Wir sprechen uns daher auf nationaler Ebene für eine Reform der Apothekenvergütung mit dem Ziel eines eigenständigen Honorarsystems aus. Dabei wollen wir den Stellenwert der pharmakologischen Beratung stärken.

3) Die EU-Versender aus den Niederlanden versorgen fast ausschließlich deutsche Patienten. Deutsche Behörden haben keine Möglichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, um beispielsweise zu überprüfen, ob die Anforderungen zur Arzneimittelversorgung eingehalten werden. Sollte die Kontrolle und Überwachung von EU-Versandkonzernen in der Arzneimittelversorgung ggf. reformiert werden?

Es dürfen nur diejenigen Versandapotheken legal nach Deutschland liefern, deren nationale Regelungen mindestens denen in Deutschland gleichen. Für welche europäischen Mitgliedstaaten dies zutrifft, prüft das Bundesgesundheitsministerium. Auf Grundlage dieser jeweiligen durch das Bundesgesundheitsministerium geprüften nationalen Regelungen, die beispielsweise bei der Transparenz mitunter sogar über das deutsche Niveau hinausgehen, überwachen die jeweiligen nationalen Behörden den Markt.

4) Die großen EU-Versender verdienen ihr Geld fast ausschließlich in Deutschland. Sie zahlen hierzulande keine Unternehmenssteuer. Wie beurteilen Sie die Steuersituation großer Internet- und Versandkonzerne?

Wir sind unabhängig von der Frage, ob die ausländischen Versandapotheken tatsächlich Steuervorteile genießen oder nicht der Auffassung, dass der Kampf gegen Steuerdumping und aggressive Steuervermeidung in Europa entschiedener als bisher fortgeführt werden muss. Umfassende Transparenzpflichten, insbesondere eine öffentliche länderbezogene Offenlegungspflicht für multinationale Unternehmen, sind dabei von zentraler Bedeutung. Zudem wollen wir eine einheitliche, verbindliche Mindestbesteuerung von Unternehmen in der EU. Unser langfristiges Ziel ist eine echte EU-weite Unternehmenssteuer, die in den EU-Haushalt fließt.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

"Grüne" Eu-Gesundheitspolitik

von es-war-einmal-ein-wähler am 22.05.2019 um 11:44 Uhr

"Grüne" Position: "Der Artikel 168 ist nicht dazu da, einzelnen Teilnehmern auf dem Apothekenmarkt einen Vorteil zu verschaffen"....- Paradoxerweise profitiert von dieser Haltung einer rundum digital agierende Apotheke. Sie existiert auf dem Bildschirm mit scheinbar uneingeschränkten Angeboten. Vorteil: Sie ernährt viele Paketausfahrer. Mindestbestellbeträge sichern Kunden Preisvorteile. Lieferqualität kommt vor! Frage: Sichert ausreichend Fachpersonal die Kundenanfragen- und kontakte/Tag? Sind Normen, die bedingt kontrolliert werden können, vertrauenswürdiger, wenn der Preis stimmt und es der online-Händler versichert?

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Verträge ?! - nichts wert

von ratatosk am 20.05.2019 um 10:18 Uhr

Leider sind EU Verträge nicht die teuren Füller wert mit denen unterschrieben wird. Man sollte über Parteiprogramme und EU Verträge keinen Gedanken verlieren, sobald die Interessen von Großindustrie oder Finanz anderes wollen, sind diese nichts wert, wir sehen es ja in unserem Bereich überdeutlich.
Das tragische daran ist die Vernichtung der Demokratie auf lange Sicht, was unsere Politik nicht stört, solange die Anschlußverwendung gesichert ist.
Würde auch jeden Kabarettisten oder Komiker vom Fach dien völiig kompetenzbefreiten Figuren vorziehen.

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Wahlaussagen von Parteien

von Rita Längert am 18.05.2019 um 10:56 Uhr

vor einer Wahl ernstzunehmen,wer tut das denn noch?
Da wir anscheinend nur noch von schlechten Komikern ( siehe "Apothekenstärkungsgesetz") regiert werden, gibt mir die Europawahl wenigstens die Möglichkeit, echte Komiker ins Parlament zu wählen. Die richten sicherlich keinen größeren Schaden an als die bis zum Lebensende überversorgten Berufspolitiker. Schöne Grüße an Jens,Kalle &Co.

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EuGH entscheidet, BRD „wendet nicht mehr an“ ?

von Christian Timme am 17.05.2019 um 20:54 Uhr

Gibt es noch Fragen? Über meine Gesundheit ... entscheide ich und der Arzt und Apotheker meines Vertrauens und sonst niemand.

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Kaleidoskop der Parteien zur Gesundheit

von Heiko Barz am 17.05.2019 um 18:54 Uhr

Außer der „Linken“ und der AFD eiern alle um die Fragen herum und geben fast identische Antworten „stereotyp“! Alles im Unverfänglichen wie man das von der“Politik“ kennt. Um Gotteswillen nur keine justitiablen Argumente, wie bei der Koalitionsabsprache deutlich erkennbar war beim RxVV ..... wir werden uns kümmern......solche Aussagen werden heute schon von Sextanern als wertlos beschrieben!
Die Aussagen zur Steuergerechtigkeit habende Parteien wohl voneinander abgeschrieben. Einkommen-Lohn- Umsatz-Mehrwertsteuer, Solidaritätszuschlag und so weiter....wurden differenziert überhaupt nicht angezeigt. Das sollte im „Steuergeilen“ Deutschland doch verwundern.
Es muß konstatiert werden, dass die AFD einzig konkrete Aussagen zur Deutschen Apothekensituation tätigte, mit Abstrichen auch die „LInke“. Es regt sich leider der Zweifel einer Konstanz dieser Wertungen.

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AW: Kaleidoskop der Parteien zur Gesundheit

von Bernd Blum am 20.05.2019 um 18:44 Uhr

Was den diffenzierten Beitrag der Alternative für Deutschland angeht, spricht sehr viel dafür, dass die Gesundheitspolitik dieser Partei sowohl durchdacht als auch mit grosser Konstanz zu bewerten ist. Sicher liegt das daran, dass in dieser Volkspartei wesentlich mehr Experten aus dem Gesundheitswesen engagiert sind, als in jeder anderen in Deutschland.
Sie können jetzt also weiter an das Bild der AFD glauben, das Ihnen die staatlichen Medien vermitteln oder sich Ihr eigenes Bild vom Parteiprogramm der AFD machen.

Vollkommen egal

von Karl Friedrich Müller am 17.05.2019 um 18:08 Uhr

Lieber betrachten, was sie schon getan und unterlassen haben.
Ich glaube, ich wähle „Die Partei“
Da weiß ich gleich, was ich zu erwarten habe.

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