DAV-Chef Fritz Becker zur Apothekenreform

„Es ist nicht klar, ob eine solche Chance wiederkommt“

Berlin - 08.05.2019, 11:50 Uhr

DAV-Chef Fritz Becker verteidigt die Haltung der ABDA zum Apotheken-Stärkungsgesetz. Es sei aussichtslos gewesen, für das Rx-Versandverbot zu kämpfen. (c / Foto: Schelbert)

DAV-Chef Fritz Becker verteidigt die Haltung der ABDA zum Apotheken-Stärkungsgesetz. Es sei aussichtslos gewesen, für das Rx-Versandverbot zu kämpfen. (c / Foto: Schelbert)


Viele Apotheker sehen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Apothekenreform als eine Gefahr. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Fritz Becker, hat am heutigen Mittwoch auf dem DAV-Wirtschaftsforum erklärt, warum die ABDA trotzdem weiterhin mit Spahn zusammenarbeitet. Laut Becker ist das Rx-Versandverbot ein „aussichtsloses Unterfangen“. Durch das geplante Apotheken-Stärkungsgesetz ergäben sich auch große Chancen für die Apotheker. Die Streichung des für die Apotheker so wichtigen AMG-Satzes zur Rx-Preisbindung sieht Becker allerdings auch kritisch.

Eines war DAV-Chef Fritz Becker in seiner Rede besonders wichtig: Gleich am Anfang stellte er klar, dass es nicht die ABDA gewesen sei, die das Rx-Versandverbot hat fallenlassen. Vielmehr gab er den Gesundheitspolitikern daran die Schuld: „Die Umsetzung des Rx-Versandverbotes war und ist kaum erfolgsversprechend. Denn wenn – bei allem Respekt – führende Gesundheitspolitiker dieses nicht mit vollem Herzen unterstützen können oder wollen, wer hätte es denn engagiert im Gesetzgebungsverfahren oder letztendlich im nächsten Verfahren vor dem EuGH verteidigt?“ Auch weil Spahn das Verbot nicht wolle, sei es ein „aussichtsloses Unterfangen“. Deswegen habe die ABDA die Möglichkeit gehabt, das Verbot weiterhin gegen Widerstand einzufordern oder „mit dem Minister die Chance zu ergreifen, auf anderem Wege die Gleichpreisigkeit zu erlangen“.

Immer wieder betonte der DAV-Chef die geplante Einführung vergüteter pharmazeutischer Dienstleistungen. Dies sei die Chance der Apotheker, sich vom Versandhandel abzugrenzen, weil die Versender diese niedrigschwelligen Leistungen nicht erbringen wollen würden. „Sie sind schlichtweg zu individuell und bürgernah und lassen sich damit nur schwer automatisieren und skalieren“, so Becker. Und so erklärte er, warum die ABDA überhaupt noch mit Spahn gemeinsam über das Apotheken-Stärkungsgesetz spricht: „Es ist nicht klar, wann und ob eine solche Chance wiederkommt (…).“

Was die Gleichpreisigkeit betrifft, will das BMG mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz das Rx-Boni-Verbot künftig im SGB V verankern – in der Hoffnung, dass es dort europarechtlich sicherer ist als im Arzneimittelgesetz. Der Einwand der Apotheker: PKV-Patienten würden vom Boni-Verbot somit nicht erfasst, die Rx-Preisbindung wird also (zumindest teilweise) gekippt. Das kritisierte auch Becker in seiner Rede. Doch auch hier unterstrich Becker die Vorteile, die eine SGB-V-Regelung mit sich brächte: „Sollte sie vom EuGH angegangen werden, haben wir alle Chancen auf eine vehemente Verteidigung durch Bundesregierung und Bundestag. Denn wer selbst innerhalb der GKV einheitliche Preis ein Frage stellt, stellt die solidarische Krankenversicherung in Frage und damit die nationale Zuständigkeit für die Versorgung.“ Dass das BMG plant, das „alte“ Rx-Boni-Verbot aus dem AMG zu streichen, sieht auch Becker kritisch. Der DAV lehne dies „klar“ ab.

Becker: Mehr Rückendeckung bei den Dienstleistungen

Was die geplante Einführung der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen betrifft, deutete der DAV-Chef an, dass er sich mehr Rückendeckung aus dem Berufsstand erhofft. „Eine solche Neupositionierung muss vom Berufsstand ohne Wenn und Aber mit großem Engagement getragen werden.“ Gefühlt sieht der DAV-Chef bei den Dienstleistungen den größten Änderungsbedarf am geplanten Apotheken-Gesetz.

Becker machte sehr deutlich, dass die geplante Vergütung der Services nicht ausreichend sei. Zur Erinnerung: Das BMG will die Kassen verpflichten, jährlich etwa 120 Millionen Euro für die Dienstleistungen auszugeben. „Mit dieser Summe ist unser Spielraum begrenzt. Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Den Großteil vieler sinnvoller Ideen und Vorschläge werden wir mit dieser Summe nicht umsetzen können.“ Becker forderte daher eine „deutliche Nachjustierung“. In ihrer schriftlichen Stellungnahme fordert die ABDA eine Erhöhung des Budgets auf 320 Millionen Euro.

Schließlich sprach der DAV-Chef auch die geplanten Modellvorhaben zu Impfungen in der Apotheke an. Die ABDA war hier ursprünglich sehr kritisch eingestellt und hatte immer wieder betont, dass man die Ärzteschaft nicht gegen sich aufbringen wolle. Auch Becker hat nach wie vor Bedenken bei dem Thema: „Auch wir Apotheker sehen, dass Impfen bei uns einen deutlichen Mehraufwand bedeuten wird, bei einer vermutlich kaum mehr als kostendeckenden Vergütung.“ Deshalb sei es sinnvoll, das Projekt erst regional zu testen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Funktionäre eben

von Reinhard Rokitta am 09.05.2019 um 13:42 Uhr

Das ist leider nichts Anderes als die Basis einzulullen in der Hoffnung, dass die mit ihren Kunden (noch) genug zu tun und somit keine Zeit zum Nachdenken haben. Die ABDA hat nichts, aber auch gar nichts in der Hand, was den Apotheken in dieser katastrophalen Lage helfen könnte. Worüber sollte Herr Spahn denn noch mit Schmidt et al. sprechen? Er hat sein Soll gegenüber den ausländischen Logistikern und der GKV erfüllt. Der Rest ist pillepalle...

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Dokumentation des Versagens

von Dr. Heidrun Hoch am 08.05.2019 um 16:16 Uhr

Ich halte es für zynisch, diesen Gesetzentwurf schönreden zu wollen. Nennen wir ihn doch angesichts der vorgesehenen Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG ehrlicherweise ein „Vernichtungsgesetz“.
Und solange die Aufzählung für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen mangels Vorarbeit der ABDA eher willkürlich ist und die vorhandene Konzeptionslosigkeit eine Kosten/Nutzen-Analyse vermissen lässt, erscheint die Forderung nach angemessener Honorierung wie ein Wunschkonzert. Da fällt es uns dann auf die Füße, dass kein eigenes Honorarkonzept erstellt worden ist und auch dass der Arbeitskreis Honorierung seit acht Jahren ohne Ergebnis ist.
Ein Berufsstand ohne eigenen Plan, der sich die Rettung von der Politik erhofft, ist weder glaubwürdig, noch wird er ernst genommen oder gar respektiert. Da hilft es dann auch nicht, wenn man nett sein und im Gespräch bleiben will. Nett sein allein reicht eben nicht!

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Chance

von Karl Friedrich Müller am 08.05.2019 um 14:20 Uhr

Was für eine Chance denn?
Unbezahlte, weitere Aufgaben, die dann auch nicht finanziert werden können, wenn man denn Mitarbeiter dafür hätte?
TRAUMTÄNZER, Becker hält uns entweder für blöd oder er glaubt den Quatsch wirklich. Dabei ist das nur heiße Luft, die womöglich gar nicht mehr im Gesetz steht, also nur ein Köder sein soll.
Wie abgerückt von der Realität kann man sein?
Mal abgesehen davon, leisten wir schon jede Menge (pharmazeutische) Arbeit, auch wenn es nirgendwo steht. Bezahlt wird es auch nicht. Aber mit einem Gesetz sind wir GEZWUNGEN, Arbeit zu leisten, die uns entweder ruiniert oder wegen Nichterfüllung die Betriebserlaubnis kostet. Und wieder jede Menge Spitzel, Droh, Zwangsmaßnahmen seitens unserer lieben Standeszertreter eröffnend.
Das Gesetz von Spahn eröffnet für uns gar nichts. Es ist ein reines Gesetz für die Versender, das könnte auch mal oben ankommen. Die Ausschmückungen sind lediglich Täuschung, Lug und Trug.
Es ist an der Zeit, dass Spahn in der Öffentlichkeit massiv angegangen wird. Seine Lobbyarbeit für die Versender muss ihn den (guten) Ruf und sein Amt kosten. Dann gibt es auch wieder RxVV.
Die GKV will Automaten, Versand und Honorarkürzungen für uns. Hier rächt sich die Arroganz der ABDA, nicht auf das Gutachten geantwortet zu haben.
Spahn und große Teile der Politik, die sich mit Spargel und Sponsoring beeinflussen lassen, wollen den Versand.
Ebenso werden Gesetze, die uns schützen könnten, nicht durchgesetzt. DocMorris zahlt keine Umsatzsteuer und finanziert so seine Boni. Ohne Reaktion der Behörden.
DocMorris wird so öffentlich unterstützt. WARUM?
Unsere Vertretungen sind blind, hofieren die Politik noch. Stellen sich gegen die Basis. Gegen jede Vernunft.
Eigentlich kann man nur noch resignieren. Verkaufen, so lange es noch Geld für die Bude gibt.
Keine für uns, sehr viele gegen uns, auch aus den eigenen Reihen. Das macht auch viel Wut.
Die Kollegen mit Bürokratie überziehen, aber selbst gar nichts auf die Reihe kriegen. Armselig. Und noch mehr Geld wollen. Für null Leistung.

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Pharmazeutische Dienstleistungen

von Erik Modrack am 08.05.2019 um 13:00 Uhr

Pharmazeutische Dienstleistungen, die nur wir durch den niederschwelligen Zugang leisten können - da habe ich meine großen Zweifel. Warum sollen diese Dienstleistungen nicht auch von anderen (Versandapotheken, sonstige Dienste) angeboten werden können. Ich glaube, da hat sich jemand "Spähne" in die Augen reiben lassen!

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Unwiederbringliche Chancen ?

von gabriela aures am 08.05.2019 um 12:55 Uhr

Ich sehe erstmal ungedeckte Kosten.
Solange
a)die ABDADAVBAK kein klares Konzept vorlegt , welche Dienstleistungen zu welchem Mindestpreis angedacht sind und
b) keine definitiven Zusagen der Kostenerstattung in mindestens der geforderten Höhe PLUS Dynamisierung
erteilt werden,
sehe ich hier nur Mehrarbeit, die bestenfalls den Hardcore-Pharmazeuten gefallen wird, die vom Alltag völlig losgelöst von „höheren pharmazeutischen Weihen“ träumen.

ABDABAKDAV sind allerdings nach eigener Aussage „noch etwas“ unvorbereitet, da wird ein Herr Spahn nicht warten wollen.
Deswegen: schöne Worte , nett gemeint, danke fürs Gespräch usw.

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