Stellungnahme zum Apotheken-Stärkungsgesetz

KBV: Für Medikationsanalyse braucht man ärztliche Expertise

Stuttgart - 07.05.2019, 16:30 Uhr

Dr. Andreas Gassen ist Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die nichts von Spahns Apothekenplänen hält. (Foto: imago images / tagesspiegel)

Dr. Andreas Gassen ist Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die nichts von Spahns Apothekenplänen hält. (Foto: imago images / tagesspiegel)


Nicht nur die ABDA hat die Gelegenheit wahrgenommen, zum sogenannten Apotheken-Stärkungsgesetz Stellung zu nehmen – auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat das getan. Die Mediziner begrüßen das Vorhaben grundsätzlich, die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ortsnahe Apotheken zu sichern. Die Vorschläge des BMG zur Umsetzung werden aber durchweg abgelehnt.

Dass die Ärzteschaft nichts von den im Apotheken-Stärkungsgesetz geplanten Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfungen durch Apotheker hält, ist hinlänglich bekannt. Somit überrascht die Meinung der KBV zu diesem Thema in ihrer heute veröffentlichten Stellungnahme zum Referentenentwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes nicht: „Die KBV lehnt die vorgesehene Neuregelung ab“, heißt es dort. Und auch sonst können die Kassenärzte den Plänen des BMG nicht viel abgewinnen – außer dem grundsätzlich in ihren Augen begrüßenswerten Vorhaben, die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ortsnahe Apotheken zu stärken.

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So lehnt die KBV neben den Modellvorhaben zum Impfen auch die Einführung von Folgeverordnungen ab – aus Gründen der Patienten- und Arzneimitteltherapie-sicherheit. Man befürchtet, dass Patienten diese Möglichkeit aktiv ansprechen und einfordern werden. Zudem fürchten die Kassenärzte Regresse. Der Vertragsarzt könne nämlich zum Zeitpunkt der Ausstellung einer „Wiederholungsverordnung“ nicht wissen, ob ein Leistungsanspruch über die gesamte Laufzeit tatsächlich bestehe oder ob der Versicherte in diesem Zeitraum beispielsweise einen längeren Auslandsaufenthalt plane, führt die KBV aus und verweist dabei auf das Ruhen des Anspruchs auf GKV-Leistungen bei Auslandsaufenthalten. 

Dienstleistungen nur mit klarer Aufgabenteilung sinnvoll 

Auch die Einführung zusätzlicher, honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen lehnt die KBV ab. Eine Einbindung der Apotheker in Medikationsanalyse und Medikationsmanagement, wie dies beispielsweise im Modellvorhaben ARMIN in Sachsen und Thüringen der Fall ist, könne aus Sicht der KBV sinnvoll sein, wie es heißt. Aber nur in abgestimmten strukturierten Betreuungs- und Kommunikations-prozessen mit einer klaren Aufgabenteilung. Dies sieht man seitens der KBV offenbar nicht gegeben. Vor dem Hintergrund, dass ja der Apotheker selbst gar keine Anpassung der Therapie vornehmen könne, hält die KBV die pharmazeutischen Dienstleistungen in der vorliegenden Form ohne Regelungen zu einer strukturierten Zusammenarbeit mit Vertragsärzten für keinen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit.

20 Cent Aufschlag pro Packung: KBV sieht bei Regressen nicht vertretbare Mehrbelastung der Ärzte

Zudem ist die KBV der Auffassung, dass Medikationsanalyse und Medikations-management größtenteils ärztliche Expertise sowie ärztliche Kenntnisse voraussetzen, über die der Apotheker nicht verfüge. So habe der Apotheker keine Erkenntnisse über Vor- und Begleiterkrankungen oder Laborwerte. „Ohne diese Kenntnisse und die zur Beurteilung notwendige ärztliche Expertise ist eine sinnvolle Interpretation und Einordnung der Arzneimitteltherapie der Versicherten jedoch nicht möglich“, erklärt die KBV.

Erhebung von Gesundheitsparametern führt zu Doppelstrukturen

Auch die Erhebung von Gesundheitsparametern durch Apotheker (z. B. Blutdruck, Blutzucker oder Cholesterin) ist aus der Sicht der KBV ungeeignet, die Patientenversorgung oder gar die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern. In den Augen der Ärzte führt dies vielmehr zu einer Doppelerbringung und Doppelhonorierung von Leistungen ohne einen relevanten Mehrnutzen. Auch von der Erhebung eines packungsbezogenen Zuschlags zur Finanzierung der Dienstleistungen hält die KBV nichts. Hier hat man vor allem Angst um die eigenen Pfründe: Durch die damit verbundene Erhöhung des Regressbetrags ergebe sich nämliche eine nicht sachgerechte Verschärfung des Wirtschaftlichkeitsrisikos für den Vertragsarzt und im Falle eines Regresses eine nicht vertretbare Mehrbelastung des Vertragsarztes, fürchtet die KBV.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

Expertise

von Florian Becker am 13.05.2019 um 17:29 Uhr

Ja ja, de ärztliche Expertise...

Die kann ja jeder von uns fast jeden Tag in Form von abstrusen Verordnungen bewundern..

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AW: Expertise

von Stefan Haydn am 14.05.2019 um 14:50 Uhr

Heutiges Beispiel:
Atorvastatin 20 plus Simva 60 bei einem Patienten.

Escitalopram und Limptar beim zweiten Patienten.

Fiel Gott sei Dank bei mir auf.

Lobbyismus

von Thomas Kerlag am 07.05.2019 um 22:42 Uhr

Plumper Negativlobbyismus auf Kosten der Apotheker.
Medikationsanalyse Bedarf auch pharmazeutischer Expertise, wenn's gut werden soll.
Was antwortet man Kindern, wenn sie fragen welches Geschlecht wichtiger ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

In den Rücken fallen

von Armin Spychalski am 07.05.2019 um 18:54 Uhr

Darf ich einfach mal vermuten, dass Kalkül dahintersteckt, wenn die Ärzteschaft uns "endlich mal wieder" in den Rücken fällt? Und die inhaltlichen Differenzen nur vorgeschoben werden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

dicke Bretter zu bohren

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 07.05.2019 um 16:59 Uhr

Vordergründig zeigt die Reaktion der KBV, dass dort nicht mal die ABDA-Definitionen von Medikationsanalyse und -management bekannt sind. Wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit der Daten werden verschiedene Typen der Analyse unterschieden und das MM ist definitionsgemäß nur interdisziplinär, also mit den Ärzten, möglich. Doch dahinter steht die enttäuschende Erkenntnis, dass Armin und andere Projekte bisher nicht ausreichen, um die Ärzte vom Sinn der Zusammenarbeit zu überzeugen. Mit welchen Mitteln wendet sich die ABDA-Öffentlichkeitsarbeit eigentlich an die Ärzte?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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