Gastkommentar

Alles entschieden? Nur wenn die Apotheker es so akzeptieren!

Frankfurt/M. - 02.05.2019, 11:20 Uhr

Prof. Dr. Hilko Meyer: Das Parlament macht die Gesetze, nicht der Bundesgesundheitsminister. (m / Foto: Alex Schelbert)

Prof. Dr. Hilko Meyer: Das Parlament macht die Gesetze, nicht der Bundesgesundheitsminister. (m / Foto: Alex Schelbert)


Für eine parlamentarische Abkehr ist es nicht zu spät!

Das bekannt gewordene Antwortschreiben dementiert jedenfalls die Andeutungen im Referentenentwurf, dass die Gleichpreisigkeit im GKV-Bereich auch für ausländische Versandapotheken aus anderen EU-Mitgliedstaaten gelten soll. Der Wortlaut des Referentenentwurfs spricht – wie jetzt der Kommission signalisiert wird – eine andere Sprache: Die EU-Versender werden ohne Wenn und Aber von der deutschen Preisbindung freigestellt. Wer das nicht zur Kenntnis nehmen will oder gegen durch angebliche kompensatorische Zusagen einzutauschen meint, verschließt die Augen.

Wenn es bei dieser Linie der Bundesregierung bleibt, wird es Sache des Bundestages sein, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Erst vor einem Jahr, am 23. März 2018, kritisierte dieser mit großer Mehrheit in einer Subsidiaritätsrüge den Kommissionsentwurf zur zentralen Nutzenbewertung, weil er in hohem Maße in die nationalen Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit und Preisbildung von Arzneimitteln eingreife. Am 14. Februar 2019 beschloss das Europäische Parlament, dass „die ausschließliche nationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Bezug auf nationale Entscheidungen über Preisbildung und Erstattung von dieser Verordnung unberührt“ bleibt. Die Streichung der Preisbindung für den grenzüberschreitenden Arzneiversand hat eine wesentlich größere Dimension als das Element der Nutzenbewertung, denn sie zerstört den gesamten Ordnungsrahmen des deutschen Preis- und Erstattungssystems für Arzneimittel und privilegiert den disruptiven Verdrängungswettbewerb der globalen Internethändler.

Es ging schon einmal: Beispiel Krankenhausversorgung

Für eine parlamentarische Abkehr von den regierungsamtlichen Ankündigungen und die Besinnung auf die nationale Verantwortung für das eigene Gesundheits- und Sozialwesen ist es nicht zu spät. Das beweist ein Rückblick auf das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) von 2003. Damals war gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Regionalbindung der Krankenhausversorgung nach § 14 Apothekengesetz anhängig. Am 11. März 2003 kündigte die Bundesregierung eine Änderung dieser Bestimmung an, die es den Krankenhäusern gestattet hätte, unabhängig von einer Apotheke Arzneimittel direkt von einem pharmazeutischen Hersteller, Großhändler oder einer entfernt liegenden Apotheke, beispielsweise auch in anderen Mitgliedstaaten, über den Versandhandel oder elektronischen Handel zu „besorgen“. Zwei Tage später wurde der GMG-Arbeitsentwurf des BMG bekannt, der genau dies vorsah. Aber der Gesetzgeber ließ sich damals von der voreiligen Positionierung der Bundesregierung nicht beeindrucken und beschloss am 20. April 2005 die im Vermittlungsausschuss gefundene Fassung des § 14 Abs. 5 ApoG, die die Apothekenpflicht im Krankenhausbereich aufrechterhält und die Akutversorgung vorschreibt. Am 11. September 2008 wurde diese Fassung vom EuGH als unionsrechtskonform anerkannt.

Sollte der Gesetzgeber sich nicht in der Lage sehen, den einheitlichen Apothekenabgabepreis auch für die Versender aus anderen EU-Staaten sicherzustellen, wird die Existenz der Vor-Ort-Apotheken davon abhängen, dass die in der Koalitionsvereinbarung verankerte Rückkehr zum Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel vollzogen wird. 



Prof. Dr. Hilko J. Meyer
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Selbstverschuldeter Zeitdruck als „stiller Ratgeber“?

von Christian Timme am 02.05.2019 um 13:07 Uhr

Ich hoffe doch das diese Richtigstellung von Herrn Prof. Dr. Hilko Meyer in die laufende MV einfließt und entsprechend berücksichtigt wird ...

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Koalitionsvertrag

von Holger am 02.05.2019 um 12:56 Uhr

Lieber Herr Kollege,

der Koalitionsvertrag ist eine gleichlautende zweiseitige WILLENSerklärung der an der Regierung beteiligten Parteien. Er ist weder ein Gesetz(entwurf) noch steht er über anderen Regularien und es wäre kein Einzelfall, wenn sich Koalitionäre während einer laufenden Legislatur entscheiden, Punkte aus einem Koalitionsvertrag nicht umzusetzen. Einen Rechtsanspruch auf Umsetzung kann doch nicht einmal ein Vertragspartner durchsetzen. Und die Apotheker, die nicht einmal Vertragspartner sind, haben da schon gar keine Ansprüche, die sie geltend machen könnten. Kleine Brötchen backen ist angesagt.

Ich komme immer wieder zu der Erkenntnis, dass ein RxVV insgesamt sehr sinnvoll wäre, jedoch die praktisch ausschließlich ökonomisch geführte Argumentation der Apothekerschaft hierzu kontraproduktiv war. Wir hätten vom ersten Moment an damit arbeiten müssen, dass nur ein RxVV die Sicherheit des Patienten vor gefälschten AM garantieren kann. Dann hätten wir so einen Schmarrn wie Securpharm vielleicht verhindern und nebenbei auch den Bestand der vor-Ort-Apotheken schützen können. Aber dieses Gejammer mit dem Untergang des Abendlandes und der Verarmung des Berufsstands - den nimmt uns halt niemand mehr ab, weil das doch apothekerseitig schon immer und bei jeder Gelegenheit angekündigt worden aber nie eingetreten ist. Overalerting führt nun mal zur Abstumpfung ...

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Es gibt nur ein RxVV!!!

von Heiko Barz am 02.05.2019 um 12:40 Uhr

Dass Spahn sich so vehement gegen das europarechtlich juristisch einwandfreie RxVV stemmt, ist bekanntermaßen vordergründig. Alle Nebelkerzen, die er entzündet hat durch „sein“ angedachtes —-Apothekenstärkungsgesetz —- sind juristisch sehr fragil und werden aller Voraussicht nach sehr lange Verfahren auf EURO Ebene nach sich ziehen müssen.
Nach dem katastrophalen und berufsvernichtenden EURO Urteil von 2016 füllten sich die Holländer bisher schamlos die Taschen und bei den zu erwartenden juristischen Zeitverzögerungen vor EURO Gerichten werden sich die holzschuhbestückten Medipiraten auch mit Hilfe des unvollkommen durchdachten E-Rezept Vertriebs weitere valide Standbeine „erarbeiten“.
Nur eins muß verstanden sein: Spahn weiß das alles! Er glaubt sich in seiner Machtposition sicher gegen die parlamentarische Verantwortungslosigkeit, die ja durch ständig wechselnde Meinungen größter Unsicherheitsfaktor geworden ist. Nach dem Motto: lieber keine Meinung als eventuell unangenehme Diskussionen aushalten zu müssen.
Viele Juppi-Parlamentarier rechnen sich doch heute schon aus, sich mit dem „zukünftigen“ Kanzler pöstchenerwartend zu arrangieren.

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RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 02.05.2019 um 11:47 Uhr

RX- Versandverbot und nichts anderes. Darauf müssen die Apotheker bestehen. Das ist auch ihr gutes Recht, denn das steht so im Koalitionsvertrag. Schluss mit lustig.

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