EU-Vertragsverletzungsverfahren

Spahn informiert EU: „Alte“ Preisbindung für EU-Versender wird gestrichen

Berlin - 30.04.2019, 16:05 Uhr

Gesundheitsminister Jens Spahn folgt der Aufforderung der EU-Kommission und erklärt: § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz soll gestrichen werden. (Foto: imago images / Günther Ortmann)

Gesundheitsminister Jens Spahn folgt der Aufforderung der EU-Kommission und erklärt: § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz soll gestrichen werden. (Foto: imago images / Günther Ortmann)


Das Bundesgesundheitsministerium bleibt dabei: Paragraf 78 Absatz 1 Satz 4 des Arzneimittelgesetzes soll gestrichen werden. Das darin enthaltene, 2012 vom Bundestag beschlossene Rx-Boni-Verbot soll wegfallen. DAZ.online liegt ein Schreiben des BMG an die EU-Kommission vor, in dem das Ministerium angibt, dass geplant ist, die Streichung mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz bis Januar 2020 zu vollziehen. 

Noch in dieser Woche kommen die 34 Apothekerkammern und -verbände zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in Berlin zusammen, um über die Stellungnahme der ABDA zum Apotheken-Stärkungsgesetz zu diskutieren. Der umfangreichste Diskussionspunkt: die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Streichung des „alten“ Rx-Boni-Verbots aus dem Arzneimittelgesetz (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG). Das BMG will damit auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren reagieren, das die EU-Kommission kürzlich intensiviert hatte, um nochmals auf die Umsetzung des EuGH-Urteils vom Oktober 2016 hinzuweisen.  

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Der Satz, der 2012 vom Bundestag beschlossen wurde, um die Vor-Ort-Apotheken vor einem Preiskampf mit den EU-Versendern zu schützen, muss in den Augen der Apotheker eigentlich erhalten bleiben. Ihre Argumente: Das neue von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch V beziehe keine Privatversicherten ein. Zweitens warnen inzwischen auch namhafte Rechtsexperten wie Dr. Elmar Mand oder Prof. Dr. Hilko Meyer vor der Streichung. Sie warnen, dass bei einem Wegfall des „alten“ Boni-Verbots die gesamte Rx-Preisbindung in Gefahr sei. Auch wäre dann ein erneutes Vorlageverfahren zum Europäischen Gerichtshof durch ein nationales Gericht, das das bisher geltende Recht unterstützt, nicht mehr möglich.

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Innerhalb der Apothekerschaft wird nun darüber diskutiert, ob man die Streichung des AMG-Satzes zur Rx-Preisbindung notfalls akzeptieren solle, weil das geplante Gesetz an anderer Stelle sehr viele Vorteile mit sich bringen würde: Geplant sind beispielsweise höhere Vergütungen für Notdienste und BtM-Abgaben, eine neue Pauschale für pharmazeutische Dienstleistungen und mehrere Schutzmaßnahmen zur Erhalt der freien Apothekenwahl nach der Einführung des E-Rezeptes. Mehrere Kammern und Verbände sind allerdings der Meinung, dass man die Streichung keinesfalls hinnehmen sollte und lieber zum Rx-Versandverbot als Forderung zurückkehren sollte.

Spahn hat kein Verständnis für kämpfende Apotheker

Doch Spahn und sein Ministerium bleiben in dieser Frage bei ihrer Haltung: In einem Brief des BMG an die EU-Kommission, der DAZ.online vorliegt, heißt es, dass sich das Bundeskabinett schon im Juni mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz beschäftigen soll. Derzeit laufe das Stellungnahme-Verfahren. Und dann: „Der Referentenentwurf des BMG enthält die Aufhebung des § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz (…) Es ist geplant, das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren bis Januar 2020 abzuschließen.“ Weiterhin verspricht das BMG, die Kommission über das weitere Gesetzgebungsverfahren zu informieren, und erklärt, bei Bedarf für ein Gespräch zur Erläuterung des Gesetzentwurfs gerne zur Verfügung zu stehen.

Im Briefkopf wird Bezug genommen auf das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission schon seit einigen Jahren gegen die Bundesrepublik führt. Zuletzt hatte die Kommission Deutschland nochmals unter Druck gesetzt: Anfang März hatte Brüssel eine zweimonatige Frist gesetzt. Bis dahin müsse die Bundesregierung Maßnahmen einleiten, die zur Streichung des AMG-Boni-Verbots führen, das der Europäische Gerichtshof 2016 für europarechtswirdrig erklärt hatte, so die Drohung. Diese Frist hat die Regierung nun eingehalten. Das Schreiben des BMG ist auf „Mai 2019“ datiert - das Bundeswirtschaftsministerium hat aber bereits am heutigen Dienstag eine Mitteilung an die Kommission verschickt.

Dass sich Spahn und sein Ministerium in dieser Frage noch bewegen werden, ist unwahrscheinlich. Denn begleitend zu dem Schreiben an die EU-Kommission hieß es aus dem BMG: „§ 78 wird seit dem EuGH-Urteil von 2016 nicht mehr angewendet, also seit über 3 Jahren nicht. Warum einige in der Apothekerschaft so für einen Paragrafen kämpfen, der seit so vielen Jahren rechtlich keine Wirkung mehr entfaltet und auch keine mehr entfalten wird, erschließt sich uns nicht wirklich.“

Übrigens: Auch Spahns Vorgänger Hermann Gröhe hatte seinerzeit als Reaktion auf das Vertragsverletzungsverfahren und das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 eine Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG vorgesehen – allerdings eingebettet in seinen Gesetzentwurf zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.  



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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16 Kommentare

Abschaffen

von Gabi Umminger am 04.05.2019 um 11:01 Uhr

Vor der Abschaffung der Preisbindung für Rx möchte ich noch zur Diskussion stellen: Abschaffung der Zuzahlungen (würde ja auch erheblich die Versicherten entlasten) oder Abschaffung der Demokratie (per Sonnenkönig Dekret regelt sich alles schneller und eindeutiger)

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Kanzler wird der hier nie

von Edi am 01.05.2019 um 22:10 Uhr

Unsympathisch trat er schon immer auf.Nun hat er auch noch sein Verständnis von demokratischer Willensfindung offenbart
Vielleicht hat ein Staat mit weniger lästigen demokratischen Strukturen einen Job für ihn
Oder gleich in die private gut dotierte Wirtschaft. Da entscheidet die Führungsetage auch autark und es gibt auch noch mehr Kohle
Und ich entscheide mich bei der nächsten Wahl für Leute, die diesem Treiben ein Ende setzen wollen

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Spahn

von Conny am 30.04.2019 um 19:40 Uhr

Der Mensch hat ausgesorgt nach der Politik. Was für eine Ra..e.

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K.I.

von Bernd Jas am 30.04.2019 um 19:36 Uhr

Es ist an der Zeit, dass die obere Politebene vollständig durch K.I. ersetzt wird.

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Verhandelbar mit der ABDA?

von Ulrich Ströh am 30.04.2019 um 18:45 Uhr

Die aktuelle kollegiale Empörung erschließt sich mir nur zum Teil.

Wer hat denn ernsthaft geglaubt,dass der 78,1 nunmehr noch verhandelbar ist?

Ich nicht.

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AW: Verhandelbar mit der ABDA ...

von Christian Timme am 01.05.2019 um 8:41 Uhr

Sorry, aber seit wann ist das eine „Verhandlung“? Hol das „Stöckchen“ und „apportiere“ ...

Stoppt Spahn!

von Jens Müller am 30.04.2019 um 18:37 Uhr

Ein Anmaßung ohnegleichen. Ich dachte, dass über Gesetze (und ihre Streichung wie jetzt bei § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG) immer noch der Gesetzgeber entscheidet.Wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestags nur etwas Rückgrat haben stellen sie sich jetzt - schon aus Gründen der Selbstachtung und unabhängig von ihrer inhaltlichen Positionierung - der Spahnschen ordre du mufti entgegen. Hier hat jemand die Bodenhaftung verloren und wird größenwahnsinnig!. Wenn jetzt die ABDA am Donnerstag immer noch auf Kuschelkurs fährt, ist uns nicht mehr zu helfen!

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Spahn, später, nie!

von Christian Giese am 30.04.2019 um 18:22 Uhr

RxVV ?

"Spahn, später, nie!"

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Spahns Wahnsinn

von Andreas Schmidt am 30.04.2019 um 18:05 Uhr

Eigentlich fehlen einem bei soviel Apothekenvernichtungswahnsinn die Worte.
Aber eins ist klar, nach 40 Jahren wähle ich keine CDU mehr.

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Satisfaktion ..

von Christian Timme am 30.04.2019 um 17:17 Uhr

Genug der Worte ...

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AW: Satisfaktion

von Christoph Stackmann am 30.04.2019 um 18:02 Uhr

Ist er satisfaktionsfähig?

AW: Satisfaktionsfähig ...

von Christian Timme am 01.05.2019 um 8:30 Uhr

Wer?

AW: Satisfaktion

von Roland Mückschel am 01.05.2019 um 19:55 Uhr

Spahn ist natürlich nicht satisfaktionsfähig.
Er ist Banklehrling und war nie bei denen
die Satisfaktion geben können.

Huschhusch bevor man etwas diskutieren muss!

von T. La Roche am 30.04.2019 um 17:10 Uhr

Die Bewertung wie entscheidend die Gleichpreisigkeit ist, geht von ...wir verlieren knapp die Hälfte der verbliebenen Apotheken...bis hin zur Abschaffung des Apothekenwesens.
Die Bewertung von Spahns Maßnahmen zum Erhalt der Gleichpreisigkeit sind relativ vernichtend...ungeeignet!
Dennoch scheint es Herr Spahn, der ja ein uralter Kumpel von Max Müller (DocMorris) ist, es sehr eilig zu haben, diese ungeeigneten Maßnahmen unabgesprochen und völlig ohne Not durchzubringen.
Das ist schon ein sehr ungewöhnlicher und völlig befremdlicher Schachzug!

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Spahns Irrweg

von Scarabäus am 30.04.2019 um 16:48 Uhr

Danke lieber Minister! Ich war mal ein treuer CDU-Wähler - das ist jetzt vorbei. Keine Stimme einem Vertragsbrüchigen. Ab jetzt wähle ich blau!

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Typisch Spahn

von pöppl Christian am 30.04.2019 um 16:32 Uhr

Und wieder ein Alleinritt! Es läuft zwar grade die "Beratungsphase" und sein Vorschlag ist auch noch nict durchs Kabinett....aber Spahn pfeifft mal wieder auf seine Kollegen/Parteifreunde...er stößt das komplette Kabinett vor den Kopf......Ein Herr Spahn kann ja Paragraphen SELBER machen und abschaffen wie er will...!!!!

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