Nach dem Ausstieg von Rossmann

Amazon Prime Now: Wird der schnelle Apotheken-Lieferservice nachgefragt?

Stuttgart - 24.04.2019, 17:50 Uhr

Die Bestellungen werden von
Amazon in der Bienen-Apotheke Laimer Platz abgeholt und ausgeliefert. (m / Foto: Amazon)

Die Bestellungen werden von Amazon in der Bienen-Apotheke Laimer Platz abgeholt und ausgeliefert. (m / Foto: Amazon)


„Die Kunden nehmen das Angebot dieser schnellen Lieferung nicht an, die gehen lieber in den Laden.“  Das habe er aus der Zusammenarbeit mit Amazon gelernt, erklärt Drogerie-Erbe Raoul Rossmann im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Rossmann will Amazon Prime Now künftig nicht mehr anbieten. Doch bestellen Apothekenkunden über Prime Now? Wir haben Apotheker Michael Grintz gefragt, der in München den Service anbietet.

Rossmann wird die Zusammenarbeit mit Amazon beenden – die Drogeriekette bietet derzeit in Berlin noch den Schnelllieferservice Prime Now an, hat aber bereits angekündigt, diesen nicht fortsetzen zu wollen. Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ hat sich der Junior-Chef, Rossmann-Erbe Raoul Rossmann, vergangene Woche dazu geäußert. Er erklärte, dass diese Art der ultraschnellen Zustellung nach Bestellung von den Rossmann-Kunden nicht nachgefragt werde. Die Kunden gingen lieber in die Märkte und wollten keinen Aufpreis zahlen, um sich die Sachen ins Büro liefern zu lasse. Das habe man aus Prime Now gelernt. Eine weitere Sache, die man gelernt habe sei, die Online-Logistik effizienter zu gestalten.

Rossmann glaubt nicht, dass bald keiner mehr im Laden einkaufen werde. Er erklärt: „Einzelhandel ist auch eine Kulturveranstaltung mit festen Gewohnheiten. Einkaufen gehen hat Vorteile. Wir sind bei Auswahl, Verfügbarkeit und Erreichbarkeit besser als der Onlinehandel. Anders als bei den Textilanten gibt es bei uns keinen Grund, nicht zu uns zu kommen. Klar, der Onlinehandel wird auch in unserer Branche wachsen, aber nicht so dynamisch wie anderswo.“

Seit 2017: Münchener Apotheke bietet Prime Now an

Rossmann ist nicht der einzige stationäre Händler, der seine Liaison mit Amazon beendet hat. So sind Medienberichten zufolge seit dem Start zahlreiche kleinere, regionale Anbieter beim Online-Supermarkt „Fresh“ wieder ausgestiegen und aus dem „Lieblingsläden Programm“, das Händler vor Ort einbindet, verschwunden. Auch die Bio-Supermarktkette Basic hat sich als Lieferant der Lieferdienste „Fresh“ und „Prime Now“ verabschiedet.

Solche Pläne hat Apotheker Michael Grintz aus München nicht. Der Inhaber der Bienen-Apotheke am Laimer Platz bietet seit knapp zwei Jahren Prime-Now an. Amazon-Prime-Kunden können sich seitdem in München OTC-Arzneimittel und andere Apothekenprodukte innerhalb einer Stunde liefern lassen. Die Bestellungen werden von Amazon in der Bienen-Apotheke Laimer Platz abgeholt und ausgeliefert.

Grintz: Apotheken sind bei Prime Now im Vorteil

Prime-Now werde von seinen Kunden gut angenommen und entwickle sich erfreulich, erklärt Grintz gegenüber DAZ.online. Davon leben könne er nicht, aber es sei ein schöner Anteil, der weiter wachse. Dass andere Münchener Apotheker durch sein Angebot spürbare Umsatzeinbußen haben, glaubt Grintz nicht. Wie die Entwicklung weiter geht, wisse er nicht: „Was Amazon morgen vorhat, weiß niemand. Aktuell bin ich noch eine Art Vorzeigepartner. Vielleicht bekomme ich morgen aber auch eine E-Mail, dass die Zusammenarbeit beendet ist, weil Amazon eine andere Strategie verfolgt“, erklärt er. Er sei aktuell zufrieden und nutze die Möglichkeit, solange es sie gibt.

„Wenn das Fremdbesitzverbot wegfällt, will ich kein selbständiger Apotheker mehr sein“

Grundsätzlich glaubt Grintz aber, dass es Prime Now in Deutschland bald in vielen Städten in Deutschland geben wird – bislang gibt es Prime Now nur in München und Berlin. Dabei werde Amazon auf lokale Händler setzen, in Rom soll es eine Amazon-Plattform geben nur mit lokalen Händlern, berichtet der Apotheker. Zumal in Deutschland Prime Now für Arzneimittel durch Amazon selbst, ohne Apotheken vor Ort, gar nicht möglich sei wegen des Fremdbesitzverbotes. „Wenn das wegfällt, wird eh alles anders, dann will ich kein selbständiger Apotheker mehr sein“, so Grintz. 

Grintz sieht Apotheken bei Prime Now gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel im Vorteil: „Wir können Logistik. Von wo die Bestellung kommt, die der Kommissionierer auswirft, spielt keine Rolle. Ebenso wenig wie es eine Rolle spielt, ob das Päckchen, nachdem es ein Approbierter kontrolliert hat, dem eigenen oder dem Amazon-Boten mitgegeben wird. Im Lebensmitteleinzelhandel muss einer in die Obstabteilung laufen und die Banane holen und einpacken – ein Arbeitsablauf, den es dort eigentlich nicht gibt.“ Außerdem sei es in Apotheken normal, fortlaufend Bestände zu erfassen, wodurch es kaum Fehlbestände gebe, so Grintz. Das sei bei anderen Einzelhändlern auch nicht unbedingt der Fall und führe zu Unzufriedenheit bei den Kunden – und somit auch bei Amazon.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Will bei Fall des Mehrbesitzverbotes kein selbstständiger Apotheker mehr sein...

von Kevin Chiang am 25.04.2019 um 20:50 Uhr

Interessante Ansichten hast der Kollege da. Wenn er nicht mehr selbstständig sein will, soll er doch ruhig jetzt schon seine Apotheke verkaufen. Für den Beruf will er ja nicht kämpfen. Warum er für das, was seiner Meinung nach das gleiche wie ein Botendienst ist, Amazon braucht ist mir zwar schleierhaft, aber einer der großen Drogeriemärkte scheint ja keine Ahnung zu haben und lässt sich da etwas entgehen. Und wenn Amazon keine Lust mehr hat, haben alle Beteiligten einfach Pech gehabt und dürfen gucken wo sie bleiben.

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Bienenschwarm bei Amazon?

von Heiko Barz am 25.04.2019 um 11:01 Uhr

Eine sehr opportunistische Anbiederung des Akademikers Grintz mit Approbation, Verwalter und Beschützer sensibler Patientendaten an ein urkapitalistisches Verdrängungsunternehmen mit dem Kapitulationsargument:
- Solange „es“ dann gut geht -
Bedauerlich ist nur diese Art Entwertung eines über 800 jährigen erfolgreichen Berufes.

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