Kündigungsschutzprozess

Bottroper Zyto-Apotheker zahlt Abfindung nicht - Whistleblower klagt weiter

Karlsruhe - 23.04.2019, 10:15 Uhr

Whistleblower Martin Porwoll zieht erneut vors Landesarbeitsgericht. ( r / Foto: imago)

Whistleblower Martin Porwoll zieht erneut vors Landesarbeitsgericht. ( r / Foto: imago)


Praktisch direkt nach der Inhaftierung des Zyto-Apothekers Peter S. kündigte dieser dem Whistleblower Martin Porwoll fristlos. Mit einer Kündigungsschutzklage konnte dieser einen für ihn sehr vorteilhaften Vergleich durchsetzen – doch S. beglich diesen bislang nicht. Nun stellte Porwoll Strafanzeige – und zog erneut vors Landesarbeitsgericht.

Ohne die Whistleblower Martin Porwoll und Marie Klein wäre der Skandal um unterdosierte Krebsmittel wohl nicht ans Tageslicht gekommen: Der frühere kaufmännische Leiter sowie die PTA gingen im Jahr 2016 mit Beweismitteln gegen ihren früheren Chef Peter S. zur Polizei. Doch kurz nachdem dieser im November 2016 verhaftet wurde, erhielten sie ihre fristlosen Kündigungen.

Klein wurde nach eigenen Angaben vom Anwalt des Apothekers beim anschließenden Prozess vor dem Arbeitsgericht als Diebin beschimpft, da sie einen Infusionsbeutel gestohlen habe: Sie hatte den Rückläufer zur Polizei gebracht, da die Flüssigkeit klar war. Sie wies kein Einstichloch auf, Analysen stellten lediglich Kochsalz fest. Klein akzeptierte einen Vergleich mit S. Auch Martin Porwoll zog vor Gericht. Doch während die erste Instanz die Kündigung als rechtens ansah, war sie nach Einschätzung der Richter des Landesarbeitsgerichts in Hamm nicht gültig.

Zahlungen bislang nicht getätigt

Das Gericht schlug einen Vergleich vor, den Porwoll und S. akzeptierten. Das Arbeitsverhältnis wurde hiernach zum Termin der ordentlichen Kündigung beendet, S. verpflichtete sich, die vertragsgerechte Vergütung sowie eine Abfindung in Höhe von 75.000 Euro zu zahlen und ein Arbeitszeugnis auszustellen. Außerdem muss S. frühere Vorwürfe gegen Porwoll fallenlassen und die vollen Prozesskosten tragen.

Doch zumindest die Zahlungen an den Whistleblower tätigte der Apotheker nach Informationen von DAZ.online bislang nicht. Daher erstattete der Whistleblower Strafanzeige gegen seinen früheren Chef: Es bestünde der begründete Verdacht, dass der Apotheker bei Abschluss des Vergleichs seine Zahlungsfähigkeit beziehungsweise Zahlungswilligkeit vorspiegelte, argumentiert Porwoll. „Nur im Vertrauen darauf stimmte unser Mandant der vergleichsweisen Regelung zu, denn er durfte erwarten, dass er die Vergleichszahlung auch zeitnah erhalten werde“, heißt es in der Anzeige.

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen blieben fruchtlos

Jedoch seien sogar Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fruchtlos geblieben. Ein an die Bank von S. gerichtetes vorläufiges Zahlungsverbot „führte wegen Vorpfändungen ins Leere“, schreibt Porwolls Anwalt. Auch da S. die Apotheke an seine Mutter zurückübertragen hat, bestünde der Verdacht, dass der Beschuldigte von Anfang an nicht vorhatte, den Vergleich zu erfüllen, sondern Porwoll zu täuschen und ihm in Bereicherungsabsicht einen entsprechenden Schaden zuzufügen, heißt es in der Anzeige. „Angesichts der mündlichen Urteilsbegründung des Landgerichts Essen scheint dem Beschuldigten ein derartiges Verhalten in keiner Weise persönlichkeitsfremd zu sei.“

Das Verhalten begründe den Anfangsverdacht des Betruges im besonders schweren Fall. „Es kennzeichnet auch eine grenzlose Skrupellosigkeit des Beschuldigten, während einer laufenden Hauptverhandlung wegen besonders schweren Betruges offenbar erneut eine erhebliche Vermögensstraftat zu begehen“, heißt es in der Anzeige.

Fortsetzung des Kündigungsschutzprozesses beantragt

Die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Essen bestätigte gegenüber DAZ.online den Eingang der Anzeige. Das Verfahren sei vorläufig ohne Ermittlungen eingestellt worden, da die möglicherweise in diesem Verfahren zu erwartende zusätzliche Strafe gegenüber der nicht rechtskräftigen Strafe von 12 Jahren aus dem anderen Verfahren nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde. Sollte die Strafe im Zuge der Revision zum Bundesgerichtshof geringer ausfallen, würden die Ermittlungen aufgenommen – die Verteidiger von S. plädieren in Bezug auf das Hauptverfahren auf Freispruch.

Gleichzeitig ist Porwoll wieder zum Landesarbeitsgericht gezogen. In der vergangenen Woche habe er unter Hinweis auf die vorab außergerichtlich erklärte Vergleichsanfechtung die Fortsetzung des Kündigungsschutzprozesses beantragt, bestätigt ein Pressesprecher – das Verfahren werde unter dem Aktenzeichen 18 Sa 465/19 fortgeführt. Es sei noch kein Termin anberaumt worden. Das Gericht habe S. eingeräumt, zum Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens Stellung zu nehmen. „Im Zweifel wird das Landesarbeitsgericht klären müssen, ob der Vergleich wirksam ist“, erklärt der Sprecher. Dann hätte er verfahrensbeendende Wirkung – ansonsten wäre er wirksam angefochten.

„Dann wäre das Berufungsverfahren mit den bisherigen Sachanträgen fortzusetzen und letztlich über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden“, erklärt der Gerichtssprecher. Nach Ansicht von Porwoll besteht bei erfolgreicher Anfechtung des Vergleichs ein Arbeitsverhältnis mit der Mutter von S. fort, da diese die Apotheke übernommen hatte – auch wenn sie die Apotheke zwischenzeitlich an eine andere Apothekerin verpachtet hat. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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