AOK versus Ersatz-, Betriebs- und Innungskassen

Kassen streiten um Faire-Kassenwahl-Gesetz

Berlin - 16.04.2019, 16:55 Uhr

Martin Litsch hält nichts vom Freie-Kassenwahl-Gesetz. (c / Foto: AOK-BV)

Martin Litsch hält nichts vom Freie-Kassenwahl-Gesetz. (c / Foto: AOK-BV)


Der AOK-Bundesverband warnt vor negativen Folgen einer bundesweiten Öffnung regional begrenzter Kassen. Solche Pläne des Bundesgesundheitsministers führten nicht zu einer besseren Versorgung, sondern einem „einseitigen Fokus auf den Preiswettbewerb“. Auch aus der eigenen Koalition weht Spahn mittlerweile Gegenwind entgegen. Die bundesweit agierenden Kassenarten halten Spahns Gesetzesvorschlag hingegen für schlüssig.

Im März hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Referentenentwurf für ein Gesetz für eine faire Kassenwahl in der GKV vorgelegt (Faire-Kassenwahl-Gesetz – GKV-FKG). Sein Ziel: Den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fairer zu gestalten und Patienten den freien Zugang zu allen Krankenkassen zu gewähren. So sollen gesetzliche Regionalbegrenzungen gestrichen werden, die für die elf AOKen, bestimmte Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen gelten. Zudem soll der Risikostrukturausgleich weiterentwickelt werden, um Über- und Unterdeckungen zu verringern und Risikoselektion zu vermeiden.

Den AOKen gefällt das Vorhaben ganz und gar nicht. Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, erklärte anlässlich einer heute vorgelegten Stellungnahme: „Herr Spahn ist auf dem ordnungspolitischen Holzweg“. Das Vorhaben, die regionalen Krankenkassen zu einer bundesweiten Öffnung zu zwingen, mache die Kassenwahl nicht fairer, sondern führe zu einem falschen Kassenwettbewerb: „Gute und passgenaue Versorgungsverträge entstehen vor allem dort, wo Ortskenntnis, hoher Marktanteil und regionales Engagement vorhanden sind. Nur dann stehen sowohl genügend personelle Ressourcen als auch finanzielle Mittel zur Verfügung, um innovative Versorgungsformen ins Leben zu rufen und voranzubringen“, so Litsch. Eine Öffnung der regionalen Kassen für Versicherte aus anderen Regionen werde daher nicht zu einer besseren Versorgung führen, sondern zu einem einseitigen Fokus auf den Preiswettbewerb. Daher sei das Gesetz eine „Mogelpackung“.

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Zudem: Verschärfter Wettbewerb um den günstigsten Beitrag interessiere vor allem junge, gesunde, mobile Versicherte. Keinen Mehrwert habe er hingegen etwa für chronisch Kranke, die auf Vor-Ort-Angebote angewiesen seien. Und nicht jeder Vertrag, den Kassen mit den ebenfalls regional aufgestellten Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhäusern schließen, lasse sich einfach von einer Region nach anderswo übertragen. So habe ein in Süddeutschland eingeführtes Hausarztmodell für Versicherte im Norden keinen Sinn.

Widerspruch der anderen Kassenarten

Die Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen meldeten allerdings umgehend Widerspruch an. Die Behauptung, dass nur die regionalen Krankenkassen eine gute Versorgung vor Ort gewährleisten können, sei „unseriös und eine geschäftsschädigende Unterstellung", erklärte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Sie verfolge nur den Zweck, die geplante Reform des Morbi-RSA, die bundesweite Öffnung der regional organisierten AOKen sowie die Vereinheitlichung der Aufsichtsstrukturen durch das Faire-Kassenwahl-Gesetz zu verhindern. Franz Knieps, Vorstand des BKK-Dachverbandes, forderte die AOK auf, zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren. Der frühere AOK-Mann meint: „Das geplante GKV-FKG setzt nur konsequent das fort, wofür sich die AOK einst stark gemacht hat: Die Wahlfreiheit für alle Versicherten, ein funktionierender Finanzausgleich und ein fairer Wettbewerbsrahmen, wo alle Krankenkassen mit den gleichen Voraussetzungen an den Start gehen.“ Aus Sicht der Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die gemeinsam einen Marktanteil von etwa 60 Prozent haben, sind die wettbewerblichen Bestandteile sowie die den Finanzausgleich betreffenden Regelungen des GKV-FKG als Gesamtpaket schlüssig. Sie würden dazu führen, die Versorgung der Versicherten wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Das Problem mit der Kontrolle

Doch auch in der Politik rumort es. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erklärte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Wir werden das so nicht mitmachen“.  Auch er fürchtet eine Verschlechterung der Versorgung. Gebraucht würden mehr regionaler Wettbewerb und mehr regionale Versorgung, betonte Lauterbach. „Wer sich als Versicherter für eine bundesweite Kasse entscheiden will, kann das jetzt schon jederzeit tun“. In Wirklichkeit gehe es bei den Plänen um angeblich mangelnde Kontrolle durch die jeweiligen Länder. Das sei aber eine Unterstellung, auch den unionsregierten Ländern gegenüber. Hierfür gelte vielmehr: „Wenn es Kontrollprobleme gibt, müssen sie gelöst werden“.

Auch in den Ländern brodelt es. Die Gesundheitsminister machten schon geschlossen Front gegen weitere Zentralisierungen. Hintergrund ist auch, dass eine bundesweite Öffnung der Kassen eine zentrale Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt brächte, wie jetzt schon für Barmer, DAK und Co. Erklärtes Ziel des Bundesministeriums ist es, so weitere „Wettbewerbsverzerrungen durch Unterschiede im Aufsichtshandeln“ zu beseitigen. Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, dringt ebenfalls auf gleiche Regeln: „Vielfalt ist in vielen Bereichen des Lebens zu begrüßen – Aufsichtshandeln gehört klar nicht dazu.“

Verbraucherschützer für einheitliche Rechtsaufsicht

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht in den geplanten größeren Wahlmöglichkeiten zuerst „eine gute Nachricht“ für die Versicherten. Auch eine übergreifende und einheitliche Rechtsaufsicht sei eine wichtige und richtige Weichenstellung, sagte vzbv-Experte Kai Vogel der dpa. „Das darf allerdings regionale Versorgungskonzepte der Kassen nicht einschränken“. Nötig sei unabhängig davon endlich mehr Transparenz, damit Verbraucher das Leistungsangebot ihrer Kasse wirklich beurteilen könnten. Jede Kasse sollte daher Informationen zu Leistungen, Service und Beratung veröffentlichen müssen. „Eine gute Krankenkasse darf nicht allein nach dem Preis bewertet werden.“



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

AOK, s haben seine eigene Gesetze.

von Tatjana Ruf am 21.04.2019 um 16:23 Uhr

Es muss schon längst passieren. AOK machen was sie wollen und wie sie wollen. Um Kosten zu sparen gegen Sie über die Leichen. Fast 5 Jahren kämpfe ich mit AOK um meine gesetzlich geregelten Krankengeld. Sie haben mich finanziell ruhiniert und gesundheitlich zerstört. Ich hätte viel mehr geschrieben, aber darf man nicht alles Schreiben. Schade. AOK diskriminieren,mobben,schikanieren, belügen und betrügen ältere, schwerkrake und arme Bürger. Danke Tatjana Ruf

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Macht macht es

von reinhard Rodiger am 16.04.2019 um 17:35 Uhr

Endlich Klartext: Nur mit Marktmacht kann innovativ gestaltet werden, also der Preis diktiert werden.Das ist der Boden für Selektivverträge, um auszuhebeln. Damit wird klar, dass die AOK-Familie Angst hat, Marktanteile (oder RSA-Positionen) zu verlieren und damit über weniger Macht zu verfügen.

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