Neue Risiken bei MS-Arzneimittel Lemtrada

PRAC prüft Alemtuzumab – und beschränkt die Anwendung

Amsterdam / Stuttgart - 15.04.2019, 16:15 Uhr

Alemtuzumab in Lemtrada soll vorerst nur bei hochaktiven RRMS-Patienten eingesetzt werden, die auf mindestens zwei krankheitsmodifizierende Therapien nicht angesprochen haben oder bei denen Kontraindikationen für alternative „disease-modifying drugs“ bestehen. (b/Foto: Genzyme)

Alemtuzumab in Lemtrada soll vorerst nur bei hochaktiven RRMS-Patienten eingesetzt werden, die auf mindestens zwei krankheitsmodifizierende Therapien nicht angesprochen haben oder bei denen Kontraindikationen für alternative „disease-modifying drugs“ bestehen. (b/Foto: Genzyme)


FDA warnt vor Schlaganfällen bereits seit 2018

In den USA warnt die FDA bereits seit dem vergangen Jahr vor neuen, zwar seltenen, aber schweren Nebenwirkungen unter Lemtrada® – es sind die gleichen unerwünschten Wirkungen, die nun auch der PRAC beschreibt. Die FDA veröffentlichte schon am 29. November 2018 einen Sicherheitshinweis zum MS-Arzneimittel. In diesem informiert die amerikanische Arzneimittelbehörde, dass in seltenen Fällen Patienten unter Alemtuzumab schwere Schlaganfälle erlitten hätten. Außerdem seien Risse in der inneren Gefäßwand von Arterien im Kopf- und Halsbereich aufgetreten. „Diese Probleme können zu einer dauerhaften Invalidität und sogar zum Tod führen“, erklärte die FDA im November.

13 Fälle von Schlaganfällen und Arteriendissektion

In Europa ist Alemtuzumab in Lemtrada® bereits seit 2013 zugelassen, in den USA erteilte die FDA  Alemtuzumab in der Indikation der RRMS 2014 die Zulassung. Seither sind nach Angaben der amerikanischen Arzneimittelbehörde weltweit 13 Fälle (zehn in den USA, drei in Europa) von ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen und Aortendissektionen an Kopf- und Halsarterien aufgetreten. Darunter waren auch kombinierte Ereignisse (Schlaganfall und Arteriendissektion), ein Patient verstarb. In den meisten Fällen (zwölf) trat die unerwünschte Arzneimittelwirkung innerhalb eines Tages nach Alemtuzumab-Gabe auf.

Details, die eine vollständige Bewertung der einzelnen Risikofaktoren ermöglichten, fehlten bislang, erklärt die FDA. Obwohl die Ätiologie unbekannt sei, traten die Nebenwirkungen innerhalb desselben Zeitraums wie das Zytokin-Freisetzungssyndrom auf. Dieses systemisch-entzündliche Reaktionssyndrom ist als Nebenwirkung unter Lemtrada® bekannt und kann laut FDA zu den beschriebenen unerwünschten Wirkungen unter Alemtuzumab beitragen. „In vielen Fällen wurden jedoch unzureichende Informationen gemeldet, um festzustellen, ob das Zytokin-Freisetzungssyndrom zusammen mit Schlaganfall oder arterieller Dissektion auftrat“, erklärt die FDA auf ihrer Homepage.

Alemtuzumab in Campath bei Leukämie

Auch die amerikanische Arzneimittelbehörde hatte damals bereits Maßnahmen ergriffen – gleich denen der EMA aktuell. So musste Sanofi die fachinformierenden Texte (prescribing information) zu Lemtrada® und den Patientenleitfaden (Medication Guide) um die neu bekannt gewordenen Risiken erweitern. Auch das bereits bestehende Box-Warning zu Lemtrada® wurde ergänzt: „Schwerwiegende und lebensbedrohliche Schlaganfälle (einschließlich ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfälle) wurden innerhalb von drei Tagen nach Lemtrada®-Verabreichung gemeldet. Weisen Sie die Patienten an, bei Anzeichen eines Schlaganfalls sofort einen Arzt aufzusuchen“, warnt die Box.

Was ist ein fairer Preis für einen bekannten Wirkstoff in neuer Indikation?

Der Fall Alemtuzumab

Lemtrada® ist nicht das einzige Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Alemtuzumab. Seit Mai 2001 darf Alemtuzumab unter dem Markennamen Campath® zur Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie vom B-Zell-Typ (B-CLL) eingesetzt werden. Die FDA veranlasste auch für Campath® die Ergänzung der Nebenwirkungen und dass diese als „Postmarketing Experience“ dokumentiert werden. 
In Europa ist das Risikobewertungsverfahren auf Alemtuzumab in Lemtrada® bei MS beschränkt. Zwar hatte Genzyme 2001 auch die Zulassung für Mabcampath® für B-CLL erhalten, jedoch hat der Hersteller die Zulassung von Mabcampath® bei Leukämie zugunsten der Zulassung des Antikörpers bei MS zurückgegeben, sodass in Europa nur noch Lemtrada® Alemtuzumab enthält.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

MS

von Roswitha Lüer am 08.01.2020 um 16:29 Uhr

Ich bitte um Veröffentlichung

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MS Anfang

von Roswitha Lüer am 08.01.2020 um 14:41 Uhr

Guten Tag.
Bei meinem Mann der mittlerweile 58 Jahre ist, wurde im Dezember MS festgestellt, was eigentlich untypisch ist. Aufgefallen ist es , weil er immer das Gefühl hatte, das er etwas im Auge hat. Nach mehreren besuchen beim Augenarzt musste er ins MRT, wo die Krankheit erkannt wurde. Jetzt möchte der Neurologe ihm ein Medikament geben, was auch das Immunsysten verschlechtert. Die Medikamente heißen unter anderem Tecfidera, Aubagie, Copaxone und Betafenon. Es sind bisher noch keine anderen Schübe aufgetreten. Gibt es keine anderen Alternativen , die den Körper nicht so angreifen? Ich habe auch gehört, das man sehr viel mit Vitamin B12 machen kann. Bitte um Rückmeldung.
Liebe Grüße
Roswitha Lüer

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AW: MS Anfang

von Lisa am 24.01.2020 um 12:24 Uhr

Liebe Roswitha,
ein Vitamin B12 Mangel kann die gleichen Symptome erzeugen wie eine MS. Einfach mal ein Blutbild machen lassen.

Lemtrada-Neueinstellung

von Maria am 07.05.2019 um 17:35 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich spritze seit Februar 2017 Copaxone. Dieses Medikament vertrage ich sehr gut und hatte im Februar diesen Jahres nun trotzdem Auffälligkeiten im MRT. Mir geht es aber gut und ich habe derzeit keinerlei körperliche Probleme. Nun soll ich auf Lemtrada (ab nächster Woche) umgestellt werden. Allerdings sträube ich mich dagegen und möchte es ungern. Wie gehe ich damit um, wenn die Ärzte es mir trotz der "Sicherheitshinweise" infundieren möchten? Meine ambulante Neurologin kann meine Entscheidung nicht nachvollziehen und hat nur gesagt, ich möchte trotzdem erstmal zur stationären Aufnahme gehen.
Ich bitte dringlichst um Rückantwort.

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AW: Lemtrada-Neueinstellung

von Annemarie am 07.11.2019 um 10:02 Uhr

Ich würde mir von den Ärzten nichts aufzwingen lassen. Die stecken nicht in deinem Körper. Ich habe Avonex gespritzt, mußte aber später wechseln weil ich das nicht mehr vertragen habe und mehrere Schübe hatte. Ich würde auf meinen Körper hören und würde den Wechsel lassen, denn du hast ein Medikament was hilft. Die Frage ist auch immer, was für Medikamente kann man danach noch nehmen? Mir wollte man Mitox geben und als ich fragte, was ich danach noch für Möglichkeiten habe und man mir sagte keine, habe ich gesagt, daß meine MS noch nicht so weit ist. Oftmals halten sich Ärzte für allwissend und vergessen den Menschen. Ich kann dir nur den Tip geben immer nach Medikamenten fragen die man danach noch bekommen kann, denn nach Mitox gibt es nichts mehr und man braucht kein Starkes Medikament, wenn die Ms noch nicht so weit ist und man kaum bis keine Schübe hat.
Annemarie

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