BMG-Antwort auf FDP-Anfrage

Ministerium: Cannabisanalytik in Apotheken hat sich „bewährt“

Berlin - 12.04.2019, 12:00 Uhr

Alles im grünen Bereich beim medizinischen Cannabis, findet die Bundesregierung. (c / Foto.imago)

Alles im grünen Bereich beim medizinischen Cannabis, findet die Bundesregierung. (c / Foto.imago)


Lieferengpässe bei Cannabisblüten, aufwändige Apothekenprüfung – was Pharmazeuten seit zwei Jahren Cannabisgesetz bemängeln, ist für die Regierung offenbar nicht problematisch. So erklärt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf eine kleine Anfrage der FDP, der künftige Cannabisbedarf sei zwar nicht vorherzusehen, aber man sei überzeugt, ihn decken zu können. Auch an der aufwändigen Identitätsprüfung in Apotheken müsse aus BMG-Sicht nichts geändert werden. Hauptfragesteller Dr. Wieland Schinnenburg (FDP) bezeichnet die Cannabis-Strategie der Regierung als „blauäugig“ und fordert eine Ausweitung des deutschen Anbaus.

Alles im grünen Bereich beim medizinischen Cannabis? Für die Bundesregierung offenbar schon. Dies geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor. Vor einigen Tagen hatten sich die Liberalen unter Federführung ihres drogenpolitischen Sprechers Dr. Wieland Schinnenburg nach verschiedenen „Baustellen“ beim Medizinalhanf erkundigt.

Keine Arbeitserleichterung für Apotheken

Beispielsweise wollten die Freien Demokraten wissen, ob die Bundesregierung plane, die Identitätsprüfung für Cannabisblüten in Apotheken beispielsweise durch Schnelltests vom Produzenten zu vereinfachen. Hier sieht die Bundesregierung offenbar keinen Handlungsbedarf. „Die Regelungen zur Prüfung von Ausgangsstoffen und Arzneimitteln in Apotheken haben sich grundsätzlich bewährt“, schreibt die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU).

Die Frage nach dem Prüfaufwand hat für die Apotheker auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Denn Bundesgesundheitsminister Spahn und die Kassen wollen Cannabisblüten aus der Arzneimittelpreisverordnung herausnehmen und den Rezepturzuschlag drastisch senken. Wenn die Apotheker nicht entlastet werden, würden sie deutlich weniger Geld für dieselbe Leistung bekommen. Dass seitens der Bundesregierung offenbar keine gesetzgeberische Entlastung angedacht ist, trägt vermutlich nicht zur Konfliktlösung beim Cannabiszuschlag bei.

Bedarfsprognose unbekannt

Und das Problem wird nicht verschwinden, denn die Blütenverordnungen nehmen zu. Laut dem aktuellen GamSi-Sonderbericht des GKV-Spitzenverbandes sind die Bruttoumsätze bei den Kategorien „unverarbeitete Cannabisblüten“ und „Cannabishaltige Zubereitungen“ zwischen Januar und Dezember 2018 kontinuierlich gestiegen.
Die Liberalen interessieren sich für die zukünftige Marktentwicklung und fragen, mit welchem Bedarf die Bundesregierung bis 2023 rechne und wie dieser zu decken sei.

Darauf antwortete das BMG vage. „Der Bedarf an Medizinalcannabis ist von vielen ineinandergreifenden Faktoren abhängig und lässt sich prospektiv nicht belastbar einschätzen“, schreibt die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss. Da Importe auch nach 2020 neben Cannabis aus deutschem Anbau möglich sein werden, geht das BMG davon aus, dass der Bedarf gedeckt werden kann. Allerdings fühlt sich das Ministerium für die Cannabisversorgung nur bedingt zuständig: „Es ist grundsätzlich nicht die Aufgabe der Bundesregierung, den Bedarf an Arzneimitteln auf Cannabisbasis durch Beschaffungsmaßnahmen des Bundes zu decken.“

Welche Auswirkungen hat die Freizeitlegalisierung in Kanada?

Bislang wird die Medizinalhanf-Versorgung durch Importe aus Holland und Kanada gestemmt. Im Oktober 2018 wurde Cannabis in Kanada zur Freizeitanwendung legalisiert. Könnte sich die Entwicklung auf die Medizinalhanfversorgung hierzulande auswirken? Eine ähnliche Situation liegt nämlich in Uruguay vor, das für Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung nicht als Importland in Frage kommt. Das BMG hatte dies in einer früheren Stellungnahme damit begründet, dass Uruguay nach den Feststellungen des International Narcotics Control Board (INCB) gegen das UN-Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe verstoße, weil es den Konsum von Cannabis zu Genusszwecken legalisiert habe.

Zur Verunsicherung trägt zudem bei, dass das INCB inzwischen auch die Situation in Kanada ins Visier genommen hat. In seinem Jahresbericht von 2018 kritisiert das internationale Kontrollgremium unter anderem, dass die medizinischen Cannabis-Programme in Kanada unzureichend reguliert seien.

BMG gibt Entwarnung für kanadische Importe

Die FDP wollte deshalb wissen, ob nun auch Importe aus Kanada in Gefahr seien. Das BMG antwortete mit einer vorsichtigen Entwarnung. Grundsätzlich könne Deutschland aus allen Ländern importieren, in denen der Anbau zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle erfolgt und Cannabis in Arzneimittelqualität anbieten. Diese Voraussetzungen seien derzeit in Kanada auch nach der neuen Gesetzgebung erfüllt. „Aus Sicht der Bundesregierung ergeben sich insoweit keine Konsequenzen für den Import von Medizinalcannabis nach Deutschland“, schreibt Weiss.

So weit, so gut. Doch worin liegt nun der Unterschied zu der Situation in Urugay? „In Uruguay gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Vergangenheit keinen Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle entsprechend den völkerrechtlichen Vorschriften", erklärte das Ministerium auf Rückfrage von DAZ.online. Dass Uruguay eine Cannabisagentur unterhält, schien zur Erfüllung der Auflagen offenbar nicht ausreichend gewesen zu sein. Seine frühere Aussage, dass Uruguay wegen der Freizeitlegalisierung gegen das UN-Einheitsabkommen verstoßen habe, kommentierte das Ministerium auch auf Nachfrage von DAZ.online nicht.

Ein weiteres Problem, das durch die Freizeitlegalisierung in Kanada offenbar bereits entstanden ist, ist das Auftreten von Lieferengpässen. Von diesen wisse die Bundesregierung nichts, erklärte das BMG. Im Gegensatz zur Realität in Apotheken, wo es dem Vernehmen nach in den vergangenen Monaten erhebliche Engpässe bei den kanadischen Blüten gegeben hatte.

Ausschreibung: Ministerium hält am Vergabeverfahren fest

Dafür gibt’s beim deutschen Anbau erste Fortschritte: Vor einigen Tagen hatte das BfArM unter Vorbehalt die voraussichtlichen Gewinner der Ausschreibung informiert –  Aurora, Aphria und Demecan, ein Joint-Venture-Partner von Wayland. Diese jüngste Entwicklung gibt Hoffnung, dass es mit dem deutschen Anbau überhaupt klappen könnte. Die FDP hat allerdings noch einige Grundsatzfragen zur Ausschreibung. So fragten die Freien Demokraten nach Alternativen zum Vergabeverfahren. Von der Ausschreibung scheint das BMG allerdings nicht abrücken zu wollen. Aus Sicht der Bundesregierung bestehen bei einem vergabefreien Verfahren erhebliche rechtliche Zweifel.

Außerdem hinterfragten die Liberalen, ob die Sortenvielfalt ausreiche, den therapeutischen Bedarf zu erfüllen. Laut dem BMG wurden nicht direkt einzelne Sorten, sondern drei Typen ausgeschrieben, die sich im Verhältnis der Cannabiswirkstoffe THC und CBD unterscheiden. Für eine weitere Differenzierung der Ausschreibung fehle die wissenschaftliche Grundlage, erklärt das BMG, allerdings auch ohne zu begründen, weshalb die Ausschreibung auf die drei Typen begrenzt ist.

Schinnenburg fordert Ausweitung der Ausschreibung

Für Schinnenburg liegt die Cannabisversorgung jedenfalls noch lange nicht im grünen Bereich. „Die Bundesregierung geht mit dem Thema Medizinalcannabis blauäugig um. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist gefährdet, Deutschland ist weiterhin von Medizinalcannabis-Importen abhängig“, erklärt der FDP-Gesundheitspolitiker. „Ich fordere die Bundesregierung auf, die FDP-Forderungen nach einer Ausweitung der Anbaumengen für Medizinalcannabis ,Made in Germany' zur Sicherung der Versorgung und für den Export umzusetzen“, so der Zahnarzt weiter. Ebenso fordere er eine wissenschaftlich belastbare Bedarfsprognose für medizinisches Cannabis.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


5 Kommentare

Identitätsprüfung bei Cannabis sinnlos

von Jörg Horlitz am 01.05.2019 um 21:31 Uhr

Naja, ob da Cannabis flos drin ist, erkennt man auf den ersten Blick und spätestens am Geruch. Und ein qualitativer DC-Nachweis (wenn er denn gelingt) von THC ist auch nun wirklich kein Kriterium. Die genaue Varietät und den THC-Gehalt zu bestimmen ist ja offensichtlich nicht gefordert und auch nicht mit vertretbarem Aufwand möglich. Insofern bleibt der Cannabisnachweis in der Apotheke ein bewährter Unsinn - als wenn wir keine anderen Baustellen hätten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Satire zum Abschluss - What the fact !

von Sascha Henschke am 27.04.2019 um 15:09 Uhr

Ich häätt noch gern ein Test ob das grün ist und ob Stengel dran sind. Vllt auch ein Anfühltest ala wie flauschig es doch ist oder nicht. Dies bitte auf eienr Skala eintragen und Porbanden einladen zum Gruppen-Flauschen :D Vllt ob die Dosen Deckel bei Bedrpócan gelb sind "bitte starren Sie 5min auf den Deckel - verändert isch Form, Farbe aussehen oder ist der Deckel schon vorher weggelaufen? - dokumentieren sie ausführlich mindestens 3 Seiten und den Einleitesatz bitte nicht vergessen. Inhaltsangaben genügen hier jedoch nicht, wir wollen Dinge über den Deckel wissen. Danach gehen Sie zu Schritt 2 und sagen uns ob das Etikett auf isländisch oder norwegisch ist und übersetzen uns das ins chinesische um abzugleichen ob sie das auch wirkkich verstanden haben. ;D

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

einfach mal was behaupten

von Benjamin Schäfer am 12.04.2019 um 16:12 Uhr

Liebes BMG,

als zwangs-interessierter Ausgangsstoffidentitätsforscher würde ich gerne mal die Messmethode kennen wollen. Woran hat sich die Identprüfung bewährt? GIbts es Zahlen - ähnlich wie beim MM, dass eine bestimmte Zahl an Patienten vergiftet oder dem Tod geweiht wäre, würde man auf die Prüfung bei bereits vom Unternehmen geprüften Substanzen verzichten? Wieviele Apotheken reklamieren ihre Ausgangsstoffe und melden dies den Behörden? Oder geht es lediglich um ein paar wirtschaftliche Interessen und akademisch-kollegiale Nettigkeiten gewisser Anbieter von Schulungen, Vorschriften und Prüfmaterial?
Aber was denke ich mir bei solchen ketzerischen Fragen? Wo kämen wir denn da hin?!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Kasperletheater

von Wolfgang Müller am 12.04.2019 um 14:06 Uhr

Zu der in der Überschrift zitierten Äußerung des Ministeriums dürfte es vielleicht folgendermaßen gekommen sein:

Das BMG hat bei der ABDA nachgefragt: "Wie wollt Ihr das eigentlich selber geregelt haben? Wollt ihr da lieber auch die Regelung, dass die schwierige, unzuverlässige, sehr aufwändige nd unnötig kostentreibende Analytik wegfallen kann? Hätten wir kein Problem damit."

Die Antwort ist dann halt wahrscheinlich in altbewährter Weise gewesen: "Die Cannabisanalytik in Apotheken hat sich bewährt“.

Das ist einfach eine dreiste Fake-Behauptung über einen sowieso kompletten akademischen Hochwichtigkeits-"Berufsidentitätsstiftungs"-Fake, zu Lasten ALLER.

Praktisch KEINE Analytik in Apotheken "bewährt" sich, wenn das seit Anfang des Jahrtausends vorgeschriebene QS-Zertifikat mit persönlicher Haftung einer Qualified Person vorhanden ist, exakt wie bei der Freigabe von Fertigarzneimitteln. Außer für die Prüfmittel-Lieferanten, Laborausstatter, sowie die Hochwichtigkeits-Fachliteratur-Veröffentlicher und -Verkäufer. Und für die, die sich aus irgendwelchen anders gearteten menschenfeindlichen Gründen über "Personalmangel und wachsende defizitäre Umsätze in Apotheken wg. Kasperletheater" amüsieren.

Egal, ob es so ist, wie ich es befürchte, oder ob es sich das BMG wirklich SELBST so unabhängig von der ABDA als Meinung gebildet hat: unwürdig.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kasperletheater

von Dr. Stromeier am 24.04.2019 um 14:01 Uhr

Zu "QS-Zertifikat mit persönlicher Haftung einer Qualified Person":
Falls Sie ein Freigabezertifikat einer Sachkundigen Person meinen, dann möchte ich dieses gerne einmal für niederländisches Bedrocan-Cannabis sehen. Es gibt zwar ein von der niederländischen Behörde ausgestelltes release certificate, dieses ist aber nicht von einer QP unterzeichnet.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.