Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

07.04.2019, 08:00 Uhr

Träume, Visionen, verzweifelte Suche und verstaubte Automaten – eine Woche pharmazeutischer "Hochgefühle". (Foto: Andi Dalferth)

Träume, Visionen, verzweifelte Suche und verstaubte Automaten – eine Woche pharmazeutischer "Hochgefühle". (Foto: Andi Dalferth)


Wenn der Apothekerverbands-Chef pharmazeutische Träume in Erfüllung gehen sieht und  die Kammerspitzen noch nach möglichen Dienstleistungen suchen, wenn der AOK-Chef an logorrhöischen Visionen leidet und sich nicht vorstellen kann, wozu Apotheken mehr Geld brauchen, wenn im Hause Spahn vorösterliche „Egg-Punkte“ in Sicht sind und wenn sich DocMorris über das Verbot seines verstaubten Arzneimittelautomaten wundert, dann, ja dann ist wieder eine Woche pharmazeutischer „Hochgefühle“ vorbei. 

1. April 2019 

Noch ein Nachklapp zu Spahns Thema, dass Apotheker impfen sollten: Ärztefunktionäre schlagen  die Alarmglocken gegen dieses Ansinnen des Bundesgesundheitsministers. Auch Niedersachsens Ärztekammer-Präsidentin Martina Wenker tönt: „Apotheker haben Impfen nicht gelernt, Ärzte schon.“ Oh, das tut weh, mein liebes Tagebuch, seichter geht’s nimmer. Wie wär’s, wenn wir mal annehmen, dass auch deutsche Apothekers fähig sind, Neues zu lernen? Impfen, zum Beispiel. Die Apothekers in den USA, in UK, in Frankreich und in der Schweiz haben es gelernt, sie dürfen impfen, sie übernehmen die Verantwortung. Und was Wenkers Argument angeht, dass Apothekers hierzulande gar nicht impfen wollen: So platt stimmt das nicht. Umfragen haben ergeben, dass sich nahezu die Hälfte aller deutschen Apothekerinnen und Apotheker durchaus vorstellen können, gegen Grippe zu impfen. So sieht’s aus! Mein liebes Tagebuch, lass uns wetten: In fünf Jahren impfen wir. 


Der Zukunftspakt von Noweda und Burda ist Realität: Die Bestellplattform "ihreapotheken.de" läuft und die dazugehörige Kundenzeitschrift MyLife wartet in mehr als 6000 Apotheken auf ihre  Verteilung. Der Kunde kann mittels dieser Plattform seine teilnehmende Wunsch-Apotheke wählen, OTCs vorbestellen und abfotografierte Rezepte hochladen, um sie dann dort abzuholen. Man nennt es auch click&collect. Und wenn er Glück hat, bietet ihm die Apotheke an, die Arzneimittel per Botendienst nach Hause zu bringen. Mein liebes Tagebuch, die Plattform kann sich sehen lassen. Jetzt kommt’s darauf an, was  die Apotheken daraus machen. Und was letztlich die Berufspolitik daraus macht. Die Abholung in der Apotheke werden sicher einige Kunden schätzen. Aber was ist mit den Kunden, die gewohnt sind, im Netz zu bestellen und die Ware dann an ihrer Wohnungstür in Empfang zu nehmen? Zum Erfolg der Plattform wird beitragen, wie sich Apotheken auf den Bringdienst, den Botendienst, eventuell auch gegen eine Gebühr, einlassen. Nur so wird die Vor-Ort-Apotheke gegen den Versandhandel antreten können und durch „same day delivery“, also die Lieferung noch am gleichen Tag, punkten können. Ja, mein liebes Tagebuch, und dann sollte man wohl noch über die Möglichkeit nachdenken dürfen, auch eine telefonische oder Video-Beratung anzubieten (sonst dürften nur PTAs den Bringdienst erledigen). Spahn kann sich telefonische Beratung und Telepharmazie vorstellen, aber da will die ABDA, so scheint es, noch nicht mitspielen. Ob sie diese Position lange durchhalten kann…? 

Und noch was: Der Zukunftspakt ist nur eine Initiative, es gibt da noch die Initiative pro AvO (Apotheke vor Ort) mit den Playern Wort & Bild Verlag, den Großhändlern Sanacorp und Gehe, der Noventi Group sowie BD Rowa. Wie man jetzt vernehmen durfte, können sich die Köpfe beider Initiativen vorstellen, dass eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen ist. Mein liebes Tagebuch, da ist einiges in Bewegung. 

2. April 2019 

Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, nannte beim Parlamentarischen Abend der baden-württembergischen Apotheker in Berlin – das ist so ein nettes Tête-à-tête von Apothekerfunktionären aus Ba-Wü mit Gesundheitspolitikern bei einem Gläschen Wein oder Bier in der Landesvertretung –, das Spahn-Paket „einen guten Kompromiss“. Also, zufrieden mit Boni-Verbot (vor allem, wenn die PKV-Versicherten mit eingebunden werden) und zufrieden mit den pharmazeutischen Dienstleistungen (Becker: Ein Traum geht in Erfüllung“). Mein liebes Tagebuch, so sehen Träume aus! Trotz dieser Träume nahm Becker kein Maultäschchen vor den Mund: Das geschrumpfte Honorar, das im Spahn-Paket für Apothekers Träume zur Verfügung stehen soll, „ich sage das ganz frank und frei, das ist uns zu wenig“. Jawoll! Er ließ in der Runde auch noch durchblicken, wovon er und die ABDA noch träumen: Von der pharmazeutischen Verordnung im Ausnahmefall, soll heißen: Ein Apotheker soll schon mal im Notfall ein Präparat ohne ärztliche Verordnung abgeben dürfen. Mein liebes Tagebuch, ich höre schon wieder die gesamte Ärzte-Corona. Weitere Träume: Apotheker sollen Folgerezepte ausstellen dürfen (will auch Spahn). Und dann gibt’s auch noch die Alpträume für Becker und die ABDA: Impfen! Und da kennt man keine rosaroten Träume, denn: Von der ABDA (muss wohl heißen: von dieser ABDA) wird es keine Forderung nach Impfungen in der Apotheke geben. Aber dafür ein bisschen Impfstatus checken und so. Aus der Traum.


Aber jetzt zurück zum Traum: Das Spahn-Paket will den Apothekern bekanntlich pharmazeutische Dienstleistungen gegen Honorar, von den Kassen vergütet über eine Fonds-Lösung, ermöglichen. Hui, da wurde unsere ABDA wohl im Schlaf überrascht. Als der Wecker klingelt, reibt sie sich die Äuglein und fragt sich: Welche Dienstleistungen dürfen’s denn sein? Denn einen abgestimmten Katalog hat sie nicht in der Schublade, kommt ja alles so plötzlich! Klar, meint der BAK-Präsident, die Bundesapothekerkammer habe schon Leistungen bewertet und kategorisiert (was soll er auch sonst sagen), und in der vergangenen Woche haben sich die Kammerspitzen zu einem Werkstatt-Gespräch getroffen, um die definierten pharmazeutischen Dienstleistungen zu diskutieren. Mein liebes Tagebuch, wie immer nach solchen Workshops verrät die ABDA leider nicht, was dabei herausgekommen ist. Nur ein bisschen: Man hat über drei Leistungsblöcke gesprochen: 1. Medikationsanalysen, 2. Arzneimittelberatung bei Pflegebedürftigen und 3. Screenings. Wie gefällt das den Kammern? Einerseits, schön dass wir drüber gesprochen haben und Bewegung rein kommt. Andererseits große Sorgen: Können wirklich alle Apotheken Leistungen aus diesen drei Blöcken ohne Weiteres anbieten? Können sie natürlich nicht, mein liebes Tagebuch. Kann nicht einmal jede Apotheke einer jeden Kammerspitze. Aber muss das denn jede Apotheke anbieten können und vor allem wollen? Lässt sich das nicht als Wettbewerbsinstrument einsetzen: Wer will, muss sich dafür zertifizieren, die andern lassen’s. Oder warum fängt man nicht ganz einfach etwas niedrigschwelliger an, wie von einigen Kammern vorgeschlagen, und verständigt sich erstmal auf  Dienstleistungen, die wirklich jede Apo anbieten kann? Und übers angemessene Honorar dafür haben wir noch gar nicht gesprochen! Das gibt sonst Alpträume! 

3. April 2019

Für den Aufreger in dieser Woche sorgt Martin Litsch, hochdotierter Chef des AOK-Bundesverbands. Eine AOK-eigene Studie, wonach die Apotheker mit den besten Zufriedenheitswerten aller ambulanten Einrichtungen abschneiden, nimmt dieser gutsituierte Kassenfunktionär in seinem bequemen Ledersessel zum Anlass und fragt: Wozu mehr Geld für die Apotheken? Ja, mein liebes Tagebuch, die Frage ist gut! Sag, hat er komplett die Bodenhaftung verloren? Natürlich brauchen die Apotheken mehr Geld, fürs Personal, damit sie ihre Versorgungsleistungen halten und ausbauen können, zum Wohl der Patienten, auch der AOK-Versicherten. Aber so tickt der AOK-Mann nicht. Er will stattdessen Veränderungen, damit die Zufriedenheit so hoch bleibt, z.B. mobile Apotheken, Apotheken light ohne Labor, Abgabeterminals für Arzneimittel mit Teleberatung, größere Filialverbünde, mehr Versandhandel und überhaupt Lockerungen am Fremd- und Mehrbesitzverbot – also, alles, was nachteilig für seine Versicherten ist. Was ist das für eine schräge Logik. Was ihm noch missfällt: das Spahn-Paket mit honorierten Dienstleistungen. „Dagegen muss das zu lösende Versorgungsproblem erst noch erfunden werden“, meint der Kassen-Boss zynisch. Mein liebes Tagebuch, dabei müsste er es besser wissen, wenn er sich die laufenden Projekte anschaut, an denen seine AOKs mitbeteiligt sind (z. B. ARMIN u.a.) und bei denen Apotheken hervorragende Dienstleistungen anbieten. Und dann setzt er seiner Logorrhö noch die Krone auf, indem er von sich gibt, dass der Versandhandel nicht die Ursache für die Schwierigkeiten ist, die einige Apotheken haben. Und überhaupt sei das Apothekensterben nur eine „Chimäre. Mein liebes Tagebuch, sorry, wenn für diesen Mann die 250 bis 300 Apotheken, die jährlich schließen, ein Trugbild sind, dann hat er psychedelische „Visionen“ – ich denke, da hilft nur eine Einweisung. 

4. April 2019

Ein Blick nach Deutschland und seinen Schwierigkeiten mit dem Arzneimittelversandhandel reichte Polen: Das wollen wir nicht, sagte sich die polnische Regierung, die in letzter Minute vor einer geplanten Änderung des Arzneimittelgesetzes lieber die Finger davon lassen will, den Rx-Versand teilweise zu erlauben. Mein liebes Tagebuch, welch ein Glück für unsere östlichen Nachbarn, sie haben noch ihr Rx-Versandverbot und wollen es auch behalten. Sie wollen ihren behinderten und nicht mobilen Bürgern zwar einen besseren Zugang zu Arzneimitteln verschaffen, aber nicht via Rx-Versand. Sie zweifeln massiv an den Vorteilen des Versandhandels. Die polnische Apothekerzeitung zitierte sogar die Apotheker-Demo in Berlin und machte deutlich, dass die Gründe für die Demo u. a. das Gerangel um den Rx-Versand sind. Mein liebes Tagebuch, da hatte Polen  einen Schutzengel. 


Das könnte noch ein dickes Osternest werden: Das Haus Spahn arbeitet an seinem ersten Entwurf für eine Apothekenreform, sie könnte schon in den kommenden Tagen vorliegen. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die „Egg-Punkte“ dann tatsächlich ausformuliert anfühlen. Ein Knackpunkt beim vorgesehenen Boni-Verbot war, dass es nicht für PKV-Versicherte gilt. Doch da wiegelt Spahn jetzt ab: Sollten privat Versicherte einen Bonus von der Apotheke erhalten, muss dieser quittiert und dann bei der Erstattung durch die Versicherung wieder abgezogen werden. So geht Gleichpreisigkeit, mein liebes Tagebuch. Ein EU-Notifizierungsverfahren wird es laut Spahn übrigens auch nicht geben, denn die Regelungen, verankert im Sozialgesetzbuch, betreffen nicht den Binnenmarkt, sondern gesetzlich Versicherte. Sozialrecht ist Mitgliedstaatrecht. Na, warum nicht gleich so.

5. April 2019 

Kann man nicht wirklich ernst nehmen: Dr. Ingmar Hoerr, Mitgründer des Biotech-Unternehmens Curevac, erklärte kürzlich in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“, Apotheken könnten einmal überflüssig werden“. Nein, ein Apothekenhasser ist er nicht. Er spintisiert nur von seiner Idee, über Erbmaterial den Körper so zu programmieren, damit er sich sozusagen seine Medikamente selbst herstellen kann. Gab’s das nicht schon mal im Raumschiff Enterprise? Also, mein liebes Tagebuch, warten wir’s ab und kümmern uns erstmal um die Gleichpreisigkeit, die liegt uns näher. 


Hüffenhardt, da war doch noch was! Richtig: der mittlerweile verstaubte Arzneimittelautomat von DocMorris, über den noch – geklagt hatte die Versandapo – das Verwaltungsgericht Karlsruhe endgültig entscheiden muss. Hat es getan. Und herausgekommen ist, was zu erwarten war: Es hat das behördliche Verbot bestätigt, apothekenpflichtige Arzneimittel mittels eines Automaten in den Verkehr zu bringen. Aus die Maus. Lustig: DocMorris war über das Urteil verwundert. Mein liebes Tagebuch, das zeigt: Der Versender versteht nichts - oder will nichts verstehen. Jetzt will er die Begründung abwarten, der Weg in die Berufung wäre noch möglich. Na denn, viel Spaß. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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9 Kommentare

Es ist zum ...

von Christian Timme am 07.04.2019 um 16:13 Uhr

Die Gewaltenteilung in der „Gesundheitsarena“ steht seit Jahren. Die Medienlieblinge Politiker, Leistungsverwalter und Rosinenpicker hochgerüstet auf der einen Seite ... entmündigte Kunden, Patienten und Leistungserbringer als verlumptes Fußvolk auf der anderen Seite. Das ganze nennt sich BRD und natürlich als Demokratie „geführt“. Wir haben zwar seit über 70 Jahren „Frieden“... aber so ein „bisschen Krieg“ haben wir immer noch ... und anscheinend „jede Menge Zeit“ ... für EU, Exits, Bevölkerungsexplosion, Klimaveränderungen etc. ...

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Wir malen uns mal wieder unsere Welt ...

von Reinhard Herzog am 07.04.2019 um 13:46 Uhr

Zitat:
"Doch da wiegelt Spahn jetzt ab: Sollten privat Versicherte einen Bonus von der Apotheke erhalten, muss dieser quittiert und dann bei der Erstattung durch die Versicherung wieder abgezogen werden. So geht Gleichpreisigkeit, mein liebes Tagebuch."

... geht so eben nicht. Rund die Hälfte der Privatverordnungen schlägt gar nicht in der Kostenbilanz der PKV auf, da unterhalb der Selbstbeteiligung. Und die ganzen Life-Style-Verordnungen auch nicht. Da wirkt ein Bonus sehr wohl noch nach, gilt alsbald als quasi-legalisiert und "infiziert" so dann womöglich wieder den Rest.

Zitat:
"Kann man nicht wirklich ernst nehmen: Dr. Ingmar Hoerr, Mitgründer des Biotech-Unternehmens Curevac, erklärte kürzlich in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“, Apotheken könnten einmal überflüssig werden“.

... absehbare Zukunftsentwicklungen nicht ernst nehmen, das taten schon viele: Postkutschen-Besitzer, Fotofirmen wie Kodak, Schreibmaschinen-Hersteller, bei den für uns so wichtigen Autofirmen wird man sehen müssen, ob sie die Kurve kriegen.
Die "Visionen" von Herrn Hoerr sind sehr wohl berechtigt und sollten aufmerken lassen. Auch wenn es sich um langfristige Prozesse handelt, da reden wir eher über Jahrzehnte als Jahre. Aber die Autos haben die Pferde auch nicht von heute auf morgen verdrängt ...

Und dazu passend Hüffenhardt:
Ja, da jubelt die Apothekengemeinde. Und droht zu verkennen, dass sie zu bedeutenden Teilen bereits heute wegrationalisierbar und automatisierbar ist. Nur ein paar Paragrafen - ggf. schnell geändert - kaschieren das.
Also weiterhin geduldete Existenz am seidenen Politiker-Faden. Kein schönes Gefühl. Und nebenbei eine weitere Erklärung dafür, warum die Standesführung eher das Leisetreten denn die Elefant-im-Prozellanladen-Strategie fährt. Denn unser Apothekensystem ist ein sensibler Porzellanladen, der in Nullkommanichts zerschlagen sein kann ...

P.S.: Verunglimpfung von Großkunden - und das sind die Krankenkassen und insbesondere die AOK nun mal - hilft nicht weiter. Dieser kleine Psycho-Kick für geschundene Apothekerseelen wird teuer erkauft. Zumal wir eben selbst von einer sauberen versorgungswissenschaftlichen Argumentation bislang noch meilenweit entfernt sind. Weil man deren Resultate fürchtet?

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AW: Wir digitalisieren uns unsere Welt und das geht schneller,...immer

von Bernd Jas am 07.04.2019 um 15:45 Uhr

Zitat: "Aber die Autos haben die Pferde auch nicht von heute auf morgen verdrängt ..."
Es gibt da zwei legendäre Photos von der Fifth Avenue. Eins von 1900 und das andere von 1913. Auf ersterem ist die Straße voll mit Pferdekutschen. Auf dem zweitem sieht man nur noch Autos.
Für mich ist das "von heute auf morgen".
Quelle: "Der letzte Führerscheinneuling....ist bereits geboren" von Dr. Mario Herger.
Hat das exponentielle erst mal den Anlauf hinter sich, gibt es kein halten mehr.
Apotheke? Deutschland? Überregulierung? Bürokratie?
O´, ohh!

AW: Keine Schonung für GKV-Strategen

von Wolfgang Müller am 07.04.2019 um 18:29 Uhr

Sie wissen ja, dass ich Ihre Erläuterungen meistens für sehr gut und richtig, ja manchmal für unentbehrlich halte. Und dass ich andererseits in grundsätzlichen Fragen zur zukünftigen Organisation der deutschen Apothekerei manchmal gänzlich anderer Meinung bin, schmälert diesen Respekt auch nicht, ich finde sogar: ganz im Gegenteil.

Manchmal sind mir ihre Äußerungen - mit Verlaub - allerdings umso mehr etwas unheimlich, was den Nutzen für "Die Apothekerschaft" betrifft" .........

Heute will ich gar nicht länger davon reden, dass ich die aktuelle Linie der CDU/des BMG und damit neuerdings wohl auch "Der ABDA" zur Erhaltung der Rx-Gleichpreisigkeit strategisch erstmal richtig finde, Privatrezepte hin oder her.

Nein, dass Sie die GKVen als eher zu pampernde "Großkunden" einordnen, irritiert mich sehr.

Rein formal sind sie es natürlich; inhaltlich sehe ich die aber überhaupt nicht mehr als "Kunden". Klar, es werden immer weiter Verhandlungen mit denen zu führen sein, und auf operativer Ebene gibt es da offensichtlich auch große Vernunft und Menschlichkeit. Auf strategischer Ebene haben die GKVen uns traditionellen Apothekern aber inzwischen eindeutig und flächendeckend den Krieg erklärt. Die strategischen Gremien der GKVen wollen definitiv Rx-Selektivverträge mit Ketten oder Versendern.

(Und mal nebenbei - weil ich es so irre finde, und weil es so ähnlich ist, wie in unseren eigenen Kammer-Gremien zu berufs-internen Schikanen - da sind zur Vernichtung der Normal-Apotheken vor Allem auch gerne mal sooooo nette apothekerliche KollegInnen dabei, die unseren Untergang in vorderster Front mit betreiben. Weil "Apotheke so doof ist, das kam für mich mit meinen Noten sowieso nie in Frage", u. a. Glauben Sie mir, ich kenne die Hintergründe der Einen oder Anderen dieser "apothekerlich-kollegialen" GKV-StrategInnen konkret und ziemlich gut.)

"Die GKVen" sind übrigens inzwischen auch für die Ärzteschaft aus sinngemäß genau den gleichen Gründen nicht mehr Kunden, sondern Gegner geworden. Da hilft kein beschönigen:

Lässt "Die Politik" aus Trägheit oder weil im Anschluss an das Politikerleben so schöne Posten bei den GKVen zu haben sind, die GKVen gewähren, fährt zumindest das traditionelle System der freiberuflichen Hausärzte (und einiger anderer besonders wichtiger Ärztegruppen) und kleinteiligen Apotheken vor die Wand. Bei den Hausärzten wird es vielleicht aus Krankenversicherungs-Wahn-erzeugtem Mangel zu einer Situation wie vor ca. 25 - 30 Jahren in England kommen: Dass für ein- bis zweimal im Monat für drei Tage wg. Versorgungsnotstand eingeflogene ausländische Hausärzte mehr verdienen als die inländischen "General Practitioner" im ganzen Monat. Wie Sie vielleicht wissen, ist meine Frau Hausärztin, wir können uns daher an die Krise damals sehr gut erinnern. Erst als das System SICHTBAR am Ende war, wurde es mit einem Mal mit hervorragendem Respekt und mit entsprechender Honorierung der Ärzte dramatisch repariert.

Apotheker und Hausärzte sind entscheidende Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die GKVen sind es nicht. Die sind VERWALTUNG, und vor Allem: grotesk hypertrophe und hybride Verwaltung, mit einem Sanierungsbedarf in recht hoher einstelliger Milliarden-Höhe. DAS muss man sich mal vorstellen. DAS - und das Bewusstsein dessen - ist ja auch der Hauptgrund dafür, wild um sich zu schlagen und auf uns arglose Leistungserbringer kopflos loszugehen. Für offensichtlich, und auch nur scheinbare PEANUT-Einspar-Beträge in unseren Praxen und Apotheken. Der strategischen "verkrustete-Strukturen-aufbrechen"-Manager-Pseudo-Hochwichtigkeit leider viel zu vieler GKV-Vorstände halber.

Im Gegensatz zu Ihnen bin ich daher absolut der Meinung, dass Apotheker- und Ärzteschaft geradezu verpflichtet sind, "Die Politik" in dem Sinne zu beeinflussen, dass diesem Gehabe und Getue der GKVen Einhalt geboten wird! Gerade auch im Sinne der Patienten, die am besten behandelt werden, wenn es den Leistungserbringern angemessen gut geht und die in Ruhe ihre EIGENTLICHE Arbeit machen können, statt sich um GKV-Blödsinn zu kümmern.

Ceterum censeo, es ist unvermeidlich, auch diese Gelegenheit dafür zu ergreifen: Gleiches gilt sinngemäß für die inzwischen bzgl. der sinnleeren Ausuferung den GKVen vergleichbare BAK unter Kiefer. Auch eine Verwaltung, die für ihre Leistungserbringer vorwiegend Schaden anrichtet. Für die ABDA gilt das hoffentlich seit Januar weiter nicht mehr ....

Erkenntnis

von Reinhard Rodiger am 07.04.2019 um 11:38 Uhr

Wann reift die Erkenntnis,dass Versand ein Schlüsselbegriff für staatlich verordnete Margensenkung ohne Kompensationsmöglichkeit ist. Abgesehen von Risiken aller Art bleibt eine drastische Senkung der Rentabilität der Vor-Ort-Apotheken.Deshalb ist das Rx-VV nichts anderes als das Codewort, dass dieser desaströse Effekt verstanden wurde.

Deshalb bedeutet die Distanzierung vom Rx-VV nichts anderes als die Erosion der Erträge zu akzeptieren und via Kapitalkraft
für das Verbleiben von 20-30 % der Apotheken zu sorgen.
Dazu passt die Einlassung von der BAK(Kiefer) quasi erst mal wirtschaftlich ungedeckt Sonderleistungen anzubieten.

Ausserdem kann zusätzliche Arbeit niemals diese Erosion der Erträge ausgleichen.Sie kann günstigstenfalls sich selbst tragen, aber das ist im erforderlichen Rahmen nicht vorgesehen.

Das macht doch deutlich, dass die Anerkennung der heutigen Arbeit - ausgedrückt durch Ertragssteigerung - Vorrang hat, wenn wirklich noch an Flächendeckung gedacht wird.

Deshalb ist völlig unverständlich, dass der BAV (Becker) davon spricht, dass das angebotene Honorar "...uns zu wenig ist " .
Er meint das Honorar für die Träume, nicht das für die Realität.
Das führt in die falsche Richtung oder ist ein Zeichen dafür, dass es garnicht mehr um heutige Honorierung geht und die 20-30%- Strategie verinnerlicht wurde.

Es ist überfällig, sich mit den desaströsen Effekten staatlich verordneter Margensenkung ernsthaft zu beschäftigen. Versand bedeutet nichts anderes.Deshalb ist die fehlende Unterstützung der Führung so tragisch.

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Soviele Einzelfälle

von Gregor Dinakis am 07.04.2019 um 10:53 Uhr

Gut, dass die 2 Kooperationen mit den Bestellplattformen die AvO's stärken wollen, eine Anpassung/Hybridisierung Richtung ist the way to go, wenn man die Vorteile der Online-apotheken auch anbieten möchte (mit sämtlichen Vorteilen, diebonline nicht möglich sind: schnell, persönlich, sicherer, etc).
Die Versorgungsqualität sehe ich da explizit nicht gefährdet, da obliegt es den Apothekern/Inhabern mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und diese in unsere Spitzenversorgung einzubinden (dann werden es demnächst auch mehr als die jetzigen 93%).

Aber: das aktuelle Gesetz erlaubt den Botendienst nur im Einzelfall. Wenn schon andere Themen als rechtsunsicher aufgefasst werden, dann ist es dieses allemal.

Man könnte ja überlegen, den Versand regional in die Betriebserlaubnis einzubinden, damit nicht nur im Einzelfall beliefert werden kann.

Wenn jetzt einige Leute an der Uhr drehen wollen und wieder das RxVV fordern, wird das die Versender zwar treffen, die AvO's aber langfristig auch, indem wir uns als Anachronisten hinstellen, uns diesen Vertriebsweg (mit dem man in direkter Konkurrenz zu den Versendern treten kann) vorsorglich verbauen und vor allem: dem mündigen Bürger nicht zutrauen, selbst für seine Gesundheit sorgen zu können.
So ist das nunmal in einer Freiheits-orientierten Gesellschaft, jeder hat das Recht sich selbst zu schaden.

Das ist auch beim Großteil angekommen, sonst wäre der Rx-Versand schon längst bei 5-10% angekommen. Zudem dann die jetzigen Besteller in die AvO's geradezu zurück genötigt werden und ihre Unzufriedenheit auch im Bekanntenkreis teilen werden. Dann sehe ich die 93% eher in Gefahr.

Und letztlich reden wir hier von ca 40-50 Mio Gewinn, der an die Versender geht. Da klingen selbst die mauen 150 Mio. Doch um einiges besser, als dass man sich borniert aufs VV versteifen möchte.

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Apotheken-Schließungen

von Uwe Hüsgen am 07.04.2019 um 10:24 Uhr

Na ja,
der Versandhandel greift aktuell rund 20 Prozent des Apotheken-Umsatzes (außerhalb von Rx-AM) ab.
Das tut weh, und zwingt im Ergebnis auch die eine oder andere Apotheken zur Schließung - im Durchschnitt täglich eine!

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AW: Apotheken-Schließungen

von Bernd Jas am 07.04.2019 um 16:15 Uhr

Sehr geehrter Herr Hüsgen,

das tut zwar für "die ein oder andere Apotheke" weh, aber der eigentliche Zerfallsprozess hat m.E. viel früher begonnen, als die Abschöpfung der Umsätze durch die Versand-Apotheken.
Erst 2004, na klaar, die Erlaubnis durch Ullllalala. Aber dann kam es weiterhin dicke. Die neue AMPVO mit 8,10 €. Dann das Verbot für Apotheken und Händler mit RX-Präparaten zu handeln (d.h. kein NR und kein Bar-Rabatt mehr). Das Abschnüren der Großhändler vom Gewinn, wodurch uns die letzten Rabatte genommen wurden. Da waren dann noch das ANSG, AMNOC und Freunde, welche das marodierende Ende einläuteten.
Deshalb sterben Apotheken! Langsam aber SICHER.
Versandhandel, Boni, EuGH-Verhalten, usw. ist doch nur fieses Nachtreten.

Steter Tropfen .... ist dagegen sehr aufbauend.

Visionen und Einweisungen

von Ulrich Ströh am 07.04.2019 um 9:03 Uhr

Na ja, Herr Ditzel,
in Zusammenhang mit den Gedanken von Herrn Litsch von der AOK von „psychedelischen Visionen und einer daraus resultierenden Einweisung “ zu schreiben,bedient nur Gefühle von Lesern.

Wir sollten aufhören, von derzeit 1 Pronzent Versand -Rx in der Öffentlichkeit die Begründung von jährlich 250 Apothekenschließungen zu suchen..
Von den Fachleuten glaubt uns das derzeit keiner.

Stattdessen sollten wir endlich wahrnehmbar von unseren täglich erbrachten Leistungen sprechen und schreiben.
Und neue Felder besetzen.

Und aus Angst vor dem Impfen nicht nur die Überprüfung des Impfstatus anbieten.

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