Apothekengesetznovelle in Österreich

Kammer: Filialen, Öffnungszeiten und Botendienste deregulieren

Remagen - 05.04.2019, 11:45 Uhr

In Österreich steht eine Novellierung des Apothekengesetzes an. Die Apothekerkammer hat jetzt Vorschläge vorgelegt, nach denen das System in einigen Bereichen dereguliert werden könnte. ( r / Foto: Imago)

In Österreich steht eine Novellierung des Apothekengesetzes an. Die Apothekerkammer hat jetzt Vorschläge vorgelegt, nach denen das System in einigen Bereichen dereguliert werden könnte. ( r / Foto: Imago)


Die österreichischen Apotheker haben sich für eine Gesetzesinitiative ausgesprochen, die umfangreiche Neuregelungen für die Niederlassung von Apotheken und die Versorgung vorsieht. Sie wollen damit nach eigenem Bekunden beweisen, dass sie mit der Zeit gehen und sich auf geänderte Bedürfnisse der Bevölkerung einstellen. Es geht um die Öffnungszeiten, Filialgründungen, aber auch um die Regelungen zum Fremdbesitz.

Am 7. November 2018 hatte sich der Kammervorstand der Österreichischen Apothekerkammer mit einem Beschluss für eine umfassende Novellierung des Apothekengesetzes ausgesprochen. Nicht nur dem Gesetz selbst, sondern auch der Arzneimittelversorgung solle damit, so die Forderung der Kammer, eine Verjüngungskur verpasst werden. Der konkrete Vorschlag der Apothekerkammer liegt dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz seit Ende 2018 nun zur Beratung vor. Was die Apotheker sich im Einzelnen vorstellen, ist in einer Zusammenfassung in der Österreichischen Apotheker Zeitung (ÖAZ) nachzulesen.

Im Zentrum des Novellierungsvorschlags stehen eine optionale Ausweitung und Liberalisierung der Öffnungszeiten, verbesserte Möglichkeiten der Arzneimittelzustellung, Erleichterungen bei der Gründung von Filialapotheken und die Stärkung des Prinzips der inhabergeführten Apotheke. 

Kern-und Rahmenöffnungszeiten

Nach geltender Rechtslage sollen in Österreich für alle Apotheken in einem Ort die gleichen Öffnungszeiten gelten. Will eine Apotheke darüber hinausgehend geöffnet halten, so muss sie dies extra bewilligen lassen, was zwar nach Darlegung in der ÖAZ weit verbreitet sein soll, sich aber als wenig praktikabel erwiesen hat. In Zukunft sollen die Behörden  dem Vorschlag zufolge nur noch die Kernöffnungszeiten für alle Apotheken in einem Ort einheitlich vorschreiben. Daneben soll es Rahmenöffnungszeiten geben, die jede Apotheke sich individuell einrichten können soll, wobei die gesamte Öffnungszeit einer Apotheke wie beim Handel maximal 72 Stunden betragen soll. Um den Bereitschaftsdienst sinnvoll einteilen zu können, sollen die Apotheken ihre individuellen Öffnungszeiten für ein Jahr im Voraus mitteilen. 

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Zustellung von Arzneimitteln soll gelockert werden

Derzeit dürfen Apotheken in Österreich mit Bewilligung durch die Kammer eine sogenannte apothekeneigene Zustelleinrichtung betreiben. Diese darf  nicht mehr als sechs Straßenkilometer von der Apotheke entfernt sein, und dort dürfen nur dringend benötigte Arzneimittel abgegeben werden. Die Botenzustellung an einzelne Patienten im Einzugsgebiet einer Apotheke ist ebenfalls erlaubt, aber nur in Notfällen.

In Zukunft sollen die apothekeneigenen Zustelleinrichtungen nach den Vorstellungen der Apothekerkammer durch das Modell der sogenannten „Mobilen Apotheke“ abgelöst werden. Eine solche „Mobile Apotheke“ muss zwar im Einzugsgebiet der Apotheke liegen, jedoch soll hierfür keine konkrete Maximalentfernung vorgegeben werde. Sie soll auch von mehreren Apotheken gemeinsam betrieben werden können. Arzneimittel sollen auch dort lediglich durch Apotheker abgegeben werden dürfen, aber nicht, wie bei den Zustelleinrichtungen, nur dringend benötigte, sondern alle Arzneimittel. Außerdem sollen die Apotheken in Notfällen verpflichtet sein, dringend benötigte Arzneimittel in ihrem Einzugsgebiet gegen Verrechnung eines ortsüblichen Entgelts zuzustellen oder die Zustellung zu veranlassen. Das soll dann auch im Wege der Botenzustellung möglich sein, aber ein Apotheker muss telefonisch für die Beratung zur Verfügung stehen.

Die Zustellmöglichkeiten sollen darüber hinaus noch weiter gelockert werden. So sollen öffentliche Apotheken in Zukunft als freiwillige Dienstleistung in ihrem Einzugsgebiet rezeptfreie Humanarzneimittel zustellen oder versenden dürfen. Die Abgrenzung dieser neuen Option zum Fernabsatz könnte allerdings knifflig werden.

Einschränkungen bei der Fremd-Teilhabe

Nach dem geltenden österreichischen Apothekengesetz muss ein Konzessionsinhaber grundsätzlich mehr als die Hälfte des Apothekenunternehmens besitzen. Zunächst reicht auch eine Viertelbeteiligung, aber der Gesellschaftsvertrag muss vorsehen, dass er seinen Anteil entweder über eine Vererbung oder innerhalb von längstens zehn Jahren durch ein Rechtsgeschäft (in der Regel Kauf) auf mehr als die Hälfte erhöht. Im letzten Jahr hatte die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde eine überproportionale vertikale Marktintegration, das heißt, eine zu enge Verschränkung zwischen den Apotheken und dem pharmazeutischen Großhandel bemängelt. Diesem Trend soll nun ein Riegel vorgeschoben werden, was bei den Großhändlern bereits für heftigen Unmut gesorgt hat. 

Nach dem Vorschlag der Apotheker soll der Konzessionsinhaber in Zukunft immer von Beginn an eine Beteiligung von mindestens 51 Prozent an der Apothekengesellschaft (davon mindestens 25 Prozent in Form einer direkten Beteiligung) und entsprechende Stimmrechte halten müssen. Außerdem soll eine Regelung eingeführt werden, nach der eine Person oder ein Unternehmen an maximal 3 Prozent der öffentlichen Apotheken eine direkte oder indirekte Beteiligung von mehr als 25 Prozent halten darf. Dabei sollen Beteiligungen unterhalb dieser Grenze allerdings unberücksichtigt bleiben.

Bis zu drei Filialapotheken

Derzeit darf eine öffentliche Apotheke in Österreich nur eine einzige Filialapotheke betreiben. Diese muss sich in einer höchstens vier Kilometer entfernten Ortschaft befinden, in der kein Arzt mit Hausapotheke praktiziert. Nach dem Vorschlag soll in Zukunft  jede Apotheke bis zu drei Filialen haben dürfen. Entscheidend für die Bewilligung soll nicht mehr die Entfernung zwischen der Filial- und der Stammapotheke sein, sondern dass die Stammapotheke zu den drei nächstgelegenen öffentlichen Apotheken einer Filialapotheke gehört. Für konkurrierende Anträge soll gelten: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Bestehende Apotheken sollen insofern geschützt werden, als die Zahl der Personen, die sie jeweils versorgen, nicht unter 5.500 fallen darf. Auf den Bestand an ärztlichen Hausapotheken soll die Lockerung für die Filialapotheken keine Auswirkungen haben. Das heißt, eine bestehende ärztliche Hausapotheke soll die Bewilligung einer Filialapotheke in derselben Ortschaft auch weiterhin verhindern können.

Wann könnte die Novelle kommen?

Laut ÖAZ will die Regierung bis zum Sommer einen Gesetzentwurf erstellen, der dann in die Anhörung geht. Es wird damit gerechnet, dass der Entwurf  im Herbst 2019 im Ministerrat als Regierungsvorlage verabschiedet und in den Nationalrat  eingebracht werden könnte. Das revidierte österreichische Apothekengesetz könnte dann eventuell schon Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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