Rheumatoide Arthritis

Bei Tofacitinib an Lungenembolien denken

Stuttgart - 03.04.2019, 12:30 Uhr

Blutgerinnsel können überall im Körper auftreten. Der Januskinase-Inhibitor Tofacitinib scheint in hohen Dosierungen bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis Lungenembolien zu provozieren. (s / Foto: tussik /
stock.adobe.com)

Blutgerinnsel können überall im Körper auftreten. Der Januskinase-Inhibitor Tofacitinib scheint in hohen Dosierungen bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis Lungenembolien zu provozieren. (s / Foto: tussik / stock.adobe.com)


Tofacitinib ist seit 2012 in den USA zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis zugelassen. Erst 2017 konnte auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA überzeugt werden, den Januskinase-Hemmer zur Zulassung zu empfehlen. Seit März warnt nun ein Rote-Hand-Brief in Deutschland, die zugelassene Dosierung von 5 mg zweimal täglich bei Rheumatoider Arthritis nicht zu überschreiten.

Tofacitinib (Xeljanz®) kann in Deutschland in drei Anwendungsgebieten zum Einsatz kommen:

  • mittelschwere bis schwere aktive Rheumatoide Arthritis (RA) in Kombination mit Methotrexat (MTX), wenn ein oder mehrere krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARD) unzureichend gewirkt haben oder diese nicht vertragen wurden
  • aktive Psoriasis-Arthritis (PsA) in Kombination mit MTX, wenn eine vorangegangene krankheitsmodifizierende antirheumatische Therapie nicht ausreichend gewirkt hat oder nicht vertragen wurde
  • mittelschwere bis schwere aktive Colitis ulcerosa (CU), die auf eine konventionelle Therapie oder ein Biologikum unzureichend angesprochen hat oder nicht mehr anspricht beziehungsweise wenn die Therapie nicht vertragen wurde.

Wichtig bei diesen drei Indikationen ist, dass sich die zugelassenen Dosierungen unterscheiden: Bei der Rheumatoiden Arthritis und der Psoriasis Arthritis sollten nur zweimal täglich 5 mg eingenommen werden. Bei der Colitis Ulcerosa wird zu Beginn zweimal täglich die höhere Dosis von 10 mg über einen Zeitraum von acht Wochen eingenommen. 

Wichtig ist das, weil ein Rote-Hand-Brief vom 20. März 2019 vor einem erhöhten Risiko von Lungenembolie und Mortalität bei Patienten mit RA warnt, die zweimal täglich 10 mg statt 5 mg Tofacitinib einnehmen.

Das Risiko ist in der Studie A3921133 aufgefallen – einer offenen (nicht-verblindeten) klinischen Prüfung, die von den Zulassungsbehörden angefordert worden war, heißt es im Rote-Hand-Brief.
Tofacitinib gehört zu den Arzneimitteln, die mit einem „▼“ gekennzeichnet sind und
 unterliegt somit einer zusätzlichen Überwachung. So sollte die Studie A3921133 das Risiko von kardiovaskulären Ereignissen mit Tofacitinib bei Patienten im Alter von 50 Jahren oder älter untersuchen. Dabei wurde die Sicherheit einer RA-Therapie mit Tofacitinib 5 mg zweimal täglich oder 10 mg zweimal täglich mit der Sicherheit der beiden Tumornekrosefaktor-Inhibitoren (TNFi) Adalimumab (40 mg) und Etanercept (50 mg) verglichen. 

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Die Patienten wiesen in der Studie laut Rote-Hand-Brief mindestens einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor auf – etwa Nikotinkonsum, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, Diabetes mellitus, Anamnese mit Herzanfall, Familienanamnese mit koronarer Herzkrankheit, extraartikuläre Manifestationen von RA. Zudem wurden alle Patienten mit einer stabilen Dosis von MTX in die Studie aufgenommen.

Inzidenz von Lungenembolien um mehr als das Fünffache gesteigert

Publiziert ist die Studie noch nicht, jedoch habe ein externer Datensicherheitsüberwachungsausschuss bereits einen statistischen und klinisch relevanten Unterschied bei der Inzidenz von Lungenembolien für die Patienten ermittelt, die mit zweimal täglich 10 mg Tofacitinib behandelt wurden, im Vergleich zur TNFi-Kontrolle. So soll die Gesamtinzidenz pro Personenjahr sogar um mehr als das Fünffache höher gewesen sein. Gleichzeitig soll sie um das Dreifache höher gewesen sein, als die in anderen Studien im Tofacitinib-Programm beobachtete Inzidenz.

Gesamtmortalität unter 10 mg Tofacitinib höher als unter 5 mg und TNFi

Auch die Gesamtmortalität war im Therapiearm mit 10 mg Tofacitinib zweimal täglich höher als in den beiden Vergleichsgruppen – also unter Tofacitinib 5 mg zweimal täglich oder TNFi.

Die Studie wird nun zwar nicht abgebrochen aber umgestellt: Patienten, die zuvor zweimal täglich 10 mg Tofacitinib erhielten, bekommen über die restliche Laufzeit der Studie 5 mg zweimal täglich. Die Studie soll Ende 2019 abgeschlossen werden.

Ob sich die neuen Erkenntnisse auch in den Produktinformationen niederschlagen werden, werde derzeit für alle derzeit zugelassenen Anwendungsgebiete untersucht.

Ungeachtet des Anwendungsgebietes sollten Tofacitinib-Patienten auf Zeichen und Symptome einer Lungenembolie überwacht werden und sich sofort an einen Arzt wenden, sollten sie Symptome bei sich bemerken.

Die häufigsten klinischen Symptome einer akuten Lungenembolie ...

... laut AWMF-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie“ sind:

  • Dyspnoe mit plötzlichem Beginn
  • Brustschmerz
  • Synkope oder Präsynkope
  • Hämoptyse (blutiger Husten)

Erstmals zugelassen wurde Tofacitinib in den USA bereits 2012, zunächst nur bei RA. Damals war bereits klar, dass es bei der Anwendung besonderer Vorsichtsmaßnahmen bedarf, die in einer „boxed warning“ in der US-amerikanischen Produktinformationen zum Ausdruck kommen. 

Weil es sich bei Tofacitinib um ein Immunsuppressivum handelt, bringt es die dafür typischen Nebenwirkungen mit sich: So können schwere Infektionen wie Tuberkulose einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen oder zum Tod führen. Genauso kann die Entstehung von Tumoren begünstigt werden. Allerdings kann Tofacitinib auch die Blutfettwerte und Leberwerte erhöhen. Schon 2012 forderte die FDA eine Postmarketingstudie.

2016 wurde in den USA dann auch eine retardierte 11 mg Tofacitinib-Tablette zugelassen, die die nur noch einmalige Einnahme am Tag ermöglicht. 2017 wurde die Zulassung in den USA auf die Behandlung der Psoriasis-Arthritis ausgeweitet. 

Erst am 30. Mai 2018 erweiterte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Indikation von Tofacitinib auf die Behandlung moderater bis stark aktiver Colitis Ulcerosa (CU). Obwohl in dieser Indikation auch zweimal 10 mg zugelassen sind, schien es zu diesem Zeitpunkt noch keine Sicherheitsbedenken bezüglich der höheren Dosis zu geben. Auch aktuell betrifft der Rote-Hand-Brief nur die Therapie der Rheumatoiden Arthritis (RA). Allerdings veröffentliche die FDA im Februar noch vor der EMA die nun bekannt gewordenen Sicherheitsbedenken.

In der EU ist Xeljanz® erst vor rund zwei Jahren bei RA zugelassen worden. Erst im April 2018 wurde es dann auch für die PsA zugelassen. Kurz darauf folgte die Indikation und höhere Dosierung für Colitis Ulcerosa. Warum hinkte die EMA der FDA in der Erstzulassung von Tofacitinib rund fünf Jahre hinterher? 

EMA hatte 2013 Sicherheitsbedenken und empfahl Xeljanz-Zulassung zunächst nicht

Tatsächlich hatte sich die EMA bereits im April 2013 mit der Zulassung von Xeljanz® beschäftigt, diese aber abgelehnt. Auf Verlangen des Antragstellers Pfizer beschäftigte sich die EMA direkt im Anschluss ein zweites Mal mit dem Antrag und lehnte ihn im Juli 2013 erneut ab. Die EMA hatte große Sicherheitsbedenken, allerdings nicht wegen etwaiger kardiovaskulärer Risiken wie aktuell, sondern wegen schwerer Infektionen, die allgemein unter Immunsuppressiva auftreten können. Daneben wurden aber auch andere Sicherheitsprobleme hervorgehoben: Tumoren, gastrointestinale Perforationen, Leberschäden und erhöhte Blutfettwerte.

Tofacitinib: So wirkt der Januskinase-Inhibitor 

Tofacitinib ist laut Fachinformation ein potenter, selektiver Inhibitor der JAK(Januskinase)-Familie.

In menschlichen Zellen hemmt Tofacitinib bevorzugt die Signalübertragung durch heterodimere Zytokin-Rezeptoren, die mit JAK3 und/oder JAK1 assoziieren, mit funktioneller Selektivität gegenüber Zytokin-Rezeptoren, deren Signalübertragung über JAK2- Dimere erfolgt.

Die Hemmung von JAK1 und JAK3 durch Tofacitinib dämpft die Signalübertragung von Interleukinen (IL-2, IL-4, IL-6, IL-7, IL-9, IL-15 und IL-21) und von Typ-I- und Typ-II-Interferonen, was eine Modulation der immunologischen und inflammatorischen Antwort zur Folge hat.

Zudem hätten die fünf hauptsächlich berücksichtigten Zulassungsstudien zwar die RA der Patienten verbessert, jedoch hätte gerade die niedrigere 5-mg-Dosierung keine konsistente Reduktion der Krankheitsaktivität zeigen können, gerade auch in der Patientengruppe, in der mindestens zwei DMARDs keine Erfolge gezeigt hatten. Die EMA ließ sich auch nicht nachträglich von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis überzeugen, als Pfizer vorschlug, in die Indikation nicht mit aufzunehmen, dass Tofacitinib sich positiv auf strukturelle Gelenkschäden auswirke.

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Ein weiterer Januskinase-Inhibitor, der sowohl in den USA als auch in Deutschland zugelassen ist, ist Baricitinib (Olumiant®). In der Fachinformation von Baricitinib wird sogar vor tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien gewarnt. Handelt es sich bei den kardiovaskulären Nebenwirkungen also etwa um einen Klasseneffekt? Noch gibt es darauf keine Antwort. Das Nachrichtenportal FiercePharma berichtete jedenfalls, dass Xeljanz® nicht der erste Januskinase-Inhibitor ist, der dosisbezogene Sicherheitsprobleme habe. So habe die FDA Olumiant® erst im letzten Jahr zugelassen – und zwar nur in der niedrigeren 2-mg-Dosierung. In Deutschland ist auch die 4-mg-Dosierung erhältlich.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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