Arzthaftung

Bundesgerichtshof: Das Leben ist kein Schaden

Berlin - 02.04.2019, 16:30 Uhr

Der Bundesgerichtshof hatte sich heute mit einer ethisch heiklen Frage zu befassen – und kam zu einem klaren Ergebnis. (m / Foto: H. Feldwisch)

Der Bundesgerichtshof hatte sich heute mit einer ethisch heiklen Frage zu befassen – und kam zu einem klaren Ergebnis. (m / Foto: H. Feldwisch)


Kann ein Arzt dafür haftbar gemacht werden, dass er einen dementen Patienten durch künstliche Ernährung am Leben erhält? Der Sohn eines solchen Patienten, der knapp zwei Jahre nur über eine Magensonde ernährt wurde, meinte, der betreuende Arzt habe seinen Vater sinnlos leiden lassen. Er verlangte als Erbe seines Vaters Schmerzensgeld sowie Ersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen. Der Bundesgerichtshof wies die Klage jedoch am heutigen Dienstag zurück.

Ärzte haften grundsätzlich nicht mit Geld, wenn sie einen Patienten länger als medizinisch sinnvoll am Leben erhalten und damit sein Leiden verlängern. Es verbiete sich generell, ein Weiterleben als Schaden anzusehen, entschied der  Bundesgerichtshof am heutigen Dienstag. 

Worum ging es?

Geklagt hatte ein in den USA lebender Mann: Als Erbe machte er Ansprüche seines im Oktober 2011 verstorbenen Vaters gegen dessen behandelnden Arzt geltend.
Er hält es für einen Behandlungsfehler, dass sein dementer, kommunikations- und bewegungsunfähiger Vater ohne jede Aussicht auf Besserung jahrelang mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt wurde.
In den letzten beiden Jahren seines Lebens litt dieser zudem an Lungen-entzündungen und einer Gallenblasenentzündung. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Eine Patientenverfügung gab es jedoch nicht. 

Der Sohn meint, die im September 2006 begonnene künstliche Ernährung habe spätestens seit Anfang 2010 nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens seines Vaters geführt. Der Arzt sei verpflichtet gewesen, das Therapieziel zu ändern: Er hätte das Sterben zulassen und dafür die lebenserhaltenden Maßnahmen beenden müssen. Der Sohn verlangte von dem Arzt mindestens 100.000 Euro Schmerzensgeld und überdies mehr als 52.000 Euro für Behandlungs- und Pflegekosten.

Oberlandesgericht sprach 40.000 Euro Schadenersatz zu

Das Landgericht hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers sprach dann das Oberlandesgericht München diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro zu. Der Grund: Der beklagte Arzt hätte angesichts bestehender Aufklärungspflichten mit dem Betreuer eingehend erörtern müssen, ob die Sondenernährung fortgeführt oder beendet werden sollte. Dies war jedoch nicht geschehen. Die aus dieser Pflichtverletzung resultierende Lebens- und gleichzeitig Leidensverlängerung des Patienten stelle einen ersatzfähigen Schaden dar. Gegen dieses Urteil gingen sowohl der klagende Sohn wie auch der beklagte Arzt in Revision – und landeten damit vor dem Bundesgerichtshof. 



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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