Ideenwettbewerb des BMG

Blockchain-Technologie: Schwere Zeiten für Rezeptfälscher

München - 02.04.2019, 11:30 Uhr

Bald digital? Bei einem Ideenwettbewerb des BMG zum Thema Blockchain-Technologie hat ein Projekt gewonnen, das sich mit der Digitalisierung von BtM-Rezepten auseinander gesetzt hat. ( r / Foto: Klaus Eppele / stock.adobe.com)

Bald digital? Bei einem Ideenwettbewerb des BMG zum Thema Blockchain-Technologie hat ein Projekt gewonnen, das sich mit der Digitalisierung von BtM-Rezepten auseinander gesetzt hat. ( r / Foto: Klaus Eppele / stock.adobe.com)


Die Blockchain-Technologie ist auf dem Vormarsch und könnte auch im Gesundheitswesen zahlreiche Anwendungen finden. Das Bundesgesundheitsministerium hatte deshalb zu einem Ideenwettbewerb aufgerufen. Finden die eingereichten Projekte Eingang in die Praxis, könnte das Fälschen von Rezepten oder Krankmeldungen in Zukunft erheblich erschwert werden.

Mehr Transparenz, mehr Vertrauen, mehr Sicherheit – mit Blockchain werden viele Chancen verbunden. Um das Potenzial dieser Technologie auch für die Gesundheitsindustrie- und branche auszuloten, hatte das Bundesministerium für Gesundheit zu einem Ideenwettbewerb eingeladen. Bei den daraufhin eingereichten Projekten ging es unter anderem um Manipulationssicherheit bei Betäubungsmittelrezepten, schnellere und sichere Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitserklärung oder um den Datenschutz bei Patienteneinwilligungen. Noch ist unklar, ob diese Ideen eines Tages realisiert werden – sie zeigen aber, dass die Einsatzmöglichkeiten von Blockchain im Gesundheits- und Pharmabereich breit gefächert sind.

Die Besonderheit der Blockchain-Technologie liegt in ihrer Fälschungssicherheit. Im Gegensatz zur Lagerung von Daten auf einer zentralen Datenbank ist bei der Blockchain eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen mittels kryptographischen Verfahren miteinander verkettet. Da die Daten auf einer Vielzahl von Computern gespeichert werden, ist kein Administrator notwendig. Es können keine Veränderungen an den Datensätzen vorgenommen werden, ohne dass die gesamte Kette davon betroffen ist. Darin liegt der besonders hohe Fälschungsschutz diese Technologie.

Scheinbar paradox

Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) weist darauf hin, dass die Nutzung der Blockchain in der Gesundheitsbranche und beim Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten zunächst paradox erscheint. Denn die Blockchain sei ursprünglich als absolut transparentes System entwickelt worden. Deren Anwendung im Gesundheitsbereich könne aber funktionieren, wenn Verfahren zur Verschlüsselung der eigentlichen Information geschaffen werden.

Der Pharmaverband nennt in diesem Zusammenhang das Beispiel Estland, das als Pionier bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen gelte. Estnische Bürger verfügten schon heute über elektronische Patientenakten, die mittels Blockchain-Technologie abgesichert würden. Auch die Telemedizin, Personalisierte Medizin oder die Archivierung medizinischer Aufzeichnungen seien als Schwerpunkte für den möglichen weiteren Einsatz identifiziert worden.

Mittels Blockchain kann laut vfa aber auch die Sicherheit von Lieferketten weiter gestärkt und Produktfälschungen vorgebeugt werden. Nach einem Bericht der Onlineplattform Pharma + Food planen Pharmaunternehmen in den USA dies bei der Rücknahme von überschüssigen Arzneimitteln aus dem Großhandel: Im Rahmen des Drug Supply Chain Security Act (DSCSA) seien die Hersteller ab November 2019 gezwungen, die Authentizität der zurückgenommenen Arzneimittel zu überprüfen. Während in Europa dazu die Fälschungsrichtlinie der EU greife und dafür eine zentrale Datenbank (in Deutschland: Securpharm-System) genutzt werde, müsse in den USA bislang jeder Händler seine Computer mit jedem einzelnen System seiner zuliefernden Pharmahersteller integrieren. Da dies kaum zu bewerkstelligen sei, wollten die Hersteller die seit vergangenem Jahr geforderten Seriennummern auf der Verpackung per Blockchain erfassen und so eine dezentrale Verifikation ermöglichen. Branchenriesen wie Pfizer, Gilead oder Genentech hätten dazu das Mediledger Projekt gestartet, um ein offenes und dezentrales Netzwerk für die Arzneimittel-Lieferkette aufzubauen.

Erster Platz für BtM-Projekt

Bei dem Ideenwettbewerb des Bundesgesundheitsministeriums wurden den Angaben zufolge über 140 Skizzen eingereicht. Davon durften 20 Finalisten ihre Projekte zum Thema Blockchain im Gesundheitswesen dem Ministerium vorstellen. Für die ausgezeichneten Projekte wurde ein Preisgeld von insgesamt 30.000 Euro verliehen.

Auf Platz 1 kam dabei ein Anwendungsbeispiel aus dem Betäubungsmittelbereich. Rezepte für solche Produkte seien besonders anfällig für Manipulation, Missbrauch und Diebstahl, so das Ministerium. Die Gewinner hätten ein digitales Verfahren auf Basis der Blockchain entworfen: Das Rezept werde dabei in einer privaten Blockchain durch Arztpraxen, Apotheken und Aufsichtsbehörden gemeinsam digital verwaltet. Damit solle die Betäubungsmittelsicherheit in Deutschland erhöht und der Verwaltungsaufwand reduziert werden.

2.Platz: Patienteneinwilligungen

Den zweiten Platz belegte ein Blockchain-Konzept zu Patienteneinwilligungen. Damit sollen sehr persönliche und sensible Daten, die bei Studienteilnahmen, Organspenden oder bei Aufklärungsgesprächen und Operationen anfallen, besser geschützt werden. Zudem sollen die Patienten individuell über deren Verwendung entscheiden können.

Verbesserungen und Erleichterungen könnte die Blockchain-Technologie auch bei Krankschreibungen erzielen. Bei diesem Projekt, das es auf Platz 3 des Wettbewerbs schaffte, wird vom Arzt eine digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) erstellt, die verschlüsselt an Patient, Arbeitgeber und Krankenkasse übermittelt wird. Dank der Blockchain sollen Fälschungen solcher Bescheinigungen praktisch unmöglich werden. Über eine mobile Applikation könnten die Nutzer Informationen zu den AUs einsehen und verwalten. Der Patient habe stets den Vollzugriff auf seine AUs und könne seiner Krankenkasse und seinem Arbeitgeber eine Lesefreigabe in Echtzeit erteilen.

Herausforderung: Kosten und Skalierbarkeit

Nach der ersten Auswertung der eingereichten Projekte sieht das Gesundheitsministerium in der Blockchain-Technologie Vorteile in ihrer Dezentralität und Transparenz gegenüber herkömmlichen IT-Lösungen. Es gebe aber auch Nachteile wie mögliche hohe Anfangskosten. Der vfa sieht eine weitere Herausforderung in der Skalierbarkeit des Systems. Die Blockchain als verteilte Datenbank liege in so vielen Kopien vor, wie es Nutzer gebe. Alle Transaktionen würden auf allen Kopien gleichzeitig ausgeführt. Je mehr Teilnehmer und Historie, desto größer würden Speicherplatzanforderungen und benötigte Rechenleistung.

Die eingereichten Anwendungen und Skizzen sollen nun helfen bei der weiteren Sondierung und Prüfung, ob weitere Forschungsförderungen auf den Weg gebracht werden sollten. Außerdem werde sich auch die Blockchain-Strategie der Bundesregierung dem Thema Gesundheit widmen wird.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

ich werd langsam gaga

von Karl Friedrich Müller am 02.04.2019 um 18:16 Uhr

Blockchain, Apps, hauptsache digital.
Weiß man dort, von was man spricht? Wie viele Leute damit abgehängt werden?
Was das kostet? Überwachung,? Internetkriminalität?
ENGERGIEKOSTEN und -aufwand für Blockchain?
Ich halte es nicht mehr aus, diese pausenlose Phrasendrescherei, das Igorieren aller Gefahren, Tatsachen, Lebensumstände.
WER soll hier wirklich bedient werden? Die Datensammler, die Geldmacher? Wer hat den wirklichen Nutzen? WAS bekommt SPAHN dafür?
das ist doch nicht mehr normal.
Lesen Sie mal NSA von Eschbach. Dann gehen Ihnen die Augen auf.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: ich werd langsam gaga

von Gregor Dinakis am 03.04.2019 um 0:05 Uhr

Mit Blockchain wird niemand abgehängt, im Gegenteil. Es ist dringend jedem (!) Bürger anzuraten, sich frühzeitig mit dieser Thematik zu befassen, da die Technologie definitiv Einzug in unser aller Leben halten wird und unser monetäres System wie wir es kennen zwar nicht vollständig ersetzen, aber disruptiv verändern wird. Da können Sie auch gerne bei jedem Experten auf dem Feld nachfragen, die werden Ihnen das gerne bestätigen.

Wer wird denn hier bitte abgehängt? Die Digitalisierung setzt auf intuitive Bedienbarkeit, die wortwörtlich kinderleicht ist. Wer es nicht bedienen kann, will es ganz einfach nicht oder kann es nicht, weil z.B. schon gaga geworden, wie Sie so schön sagten.

Sie verstehen anscheinend nicht den Vorteil, den ein sogenanntes Trustless System mit sich bringt. Es ist kein vertrauenswürdiger Mittelsmann mehr notwendig, der für seine Infrastruktur einen Anteil beansprucht, es wird also günstiger und definitiv sicherer.


Die Energiekosten bei neueren Ansätzen belaufen sich gegen Null bzw. können mit minimalstem Aufwand betrieben werden. Bitcoin als Proof of Work (PoW) System IST energiehungrig, ja, Proof of Stake (PoS) z.B. geht da schon ganz andere Wege, um nur die bekannteste Alternative zu nennen.
Bitcoin ist letztlich auch nur eine (die erste) Blockchain.

Es werden weder Daten- noch Geldsammler hier direkt bedient werden:
1) die Datensammelei existiert bereits. Mit den entsprechenden Verschlüsselungen (es heißt ja auch Crypto), die im Gesundheitssektor unabdingbar sind, werden diese dezentral bei vielen Blockchain-Bereitstellern bereitgestellt. Das kann auch bspw. Ihre EDV in der Apotheke sein, die ungenutzte Bandbreite bzw. Rechenleistung entsprechend monetarisiert.
Da können Sie in einem P2P-System an der Sicherheit durch SecurPharm direkt mitwirken und profitieren.

Ich wage zu behaupten, dass in einem sehr weit fortgeschrittenen System eher noch die Krankenkassen als Verwaltungsorgan/Wasserkopf am stärksten um ihre Existenzberechtigung bangen müssen, die Leistungsträger können sich hier im Vergleich zurücklehnen.

Ansonsten gehen Ihre letzten Sätze schon eher Richtung Verschwörungstheorien und bedürfen keines weiteren Kommentars.

Ja, die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Ja, es ist noch der wilde Westen, wo keiner noch eine Ahnung hat, was wirklich möglich ist und wer sich durchsetzen wird.

Der Sektor ist heute da, wo das Internet ca. 1995 war. Goldgräber- und Aufbruchstimmung herrscht vor. 90% der Namen werden in der Versenkung verschwinden, wie es immer in so einem Zyklus abläuft.

Aber auch damals gab es bereits Kritiker, die fest davon überzeugt waren: "Dieses neumodische Internet wird sich ganz bestimmt nicht durchsetzen und ebenso schnell in der Versenkung verschwinden, wie es gekommen ist."

Gut, dass die nicht Recht behalten haben, sonst müssten unsere PKAs noch heute (am besten per Standleitung) beim GH für Nachschub sorgen.

AW: ich werd langsam gaga

von Karl Friedrich Müller am 03.04.2019 um 6:28 Uhr

Sie mögen mit der Feststellung, dass ich Blockchain nicht in Gänze verstanden habe, recht haben, nur: Sie romantisieren die digitale Welt und blenden die Gefahren komplett aus, die mit Verschwörungstheorien nichts zu tun haben. Sie sind real existent und werden durch Blockchain nicht verschwinden.
Siehe auch das von Ihnen zitierte Internet.
Ich bin mir der Vorteile bewusst, die eben gleichzeitig auch die Gefahren beschreiben.
Selbst wenn der Energiebedarf nicht so hoch sein wird wie bei einigen Anwendungen, wird er doch enorm sein bei sehr vielen Anwendern und weitere Abhängigkeit schaffen. Wenn die Energiezufuhr ausfällt, was geht dann noch? (Richtig, das Problem gibt es heute schon)
Heute schon wird versucht, schnelle Datenleitungen für die Industrie und andere zu reservieren, während das niedere Volk mit langsamen vorlieb nehmen soll.
Ich glaube nicht, dass Blockchain nicht kommt, im Gegenteil. Und immer gibt es Leute wie Sie, die in ihrer blinden Technikliebe die menschliche Natur ausblendet. Für mich ich die Digitalisierung kein Heilsbringer. Überwachung, Datenmissbrauch, Cyberkriminalität werden explodieren. Sie dürfen mir gerne vorwerfen, dass ich zu schwarz sehe. Mag sein. Ich hoffe es sogar.

AW: Vielleicht...

von Stefan Haydn am 03.04.2019 um 14:53 Uhr

Möglicherweise wäre die Blockchain Technologie eine Option. Aber nur ohne den teilweise enormen Energiehunger.

Generell wird bei all den Digitalisierungstendenzen der Energiebedarf sträflich missachtet. Mit den bisherigen Unsicherheiten der erneuerbaren Energien kann dies noch lustig werden.

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