Heilpraktiker Klaus R. vor Gericht

„Wenn es zu wenig war, habe ich noch eine Löffelspitze dazugetan“

Krefeld - 01.04.2019, 07:00 Uhr

Der Heilpraktiker Klaus R. muss sich seit dem vergangenen Freitag vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, das womöglich tödliche Mittel 3-Brompyruvat an Menschen abgegeben zu haben. (s / Foto: dpa)

Der Heilpraktiker Klaus R. muss sich seit dem vergangenen Freitag vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, das womöglich tödliche Mittel 3-Brompyruvat an Menschen abgegeben zu haben. (s / Foto: dpa)


Staatsanwältin: Waage war nicht geeignet

Doch das von ihm eingesetzte Modell sei „nicht geeignet“ gewesen, erklärte die Staatsanwältin: Mit ihm sei das Zuwiegen von Kleinstmengen nicht möglich, die Waage habe daher keine zuverlässigen Werte angezeigt. Daher entspreche die Herstellung nicht den anerkannten pharmazeutischen Regeln. Nach Ansicht der Anklage führten diese Probleme dazu, dass in sichergestellten Behältern das drei- bis siebenfache der eigentlich geplanten Dosis gefunden wurde. Für den nächsten Verhandlungstag am kommenden Freitag ist geplant, den Herstellungsprozess von R. im Gericht nachzustellen – allerdings voraussichtlich mit Haushaltszucker oder Salz, da ein Sachverständiger nur unter einem Abzug mit 3BP hantieren wollte. Es sind auch ein Amtsapotheker sowie eine Gutachterin geladen, die sich mit der Zuverlässigkeit der Waage beschäftigen soll.

Vor Gericht räumte R. ein, dass Flaschen teils falsch beschriftet waren – bei der Razzia war dies bei weggeworfenen Flaschen festgestellt worden. Dies sei „hier und da vorgekommen“, erklärte R. Es sei aber nicht so, dass er bewusst etwas Falsches drauf geschrieben habe: Er habe immer gewusst, welcher Patient welche Flasche erhalten sollte – und allein gearbeitet, so dass Verwechslungen seiner Ansicht nach ausgeschlossen waren.

Insgesamt habe er aus den USA zehn Lieferungen 3BP zu je 10 Gramm erhalten, erklärte R. – außerdem geringe Mengen von einem hessischen Apotheker, welche jedoch nicht eingesetzt worden seien. Der amerikanische Lieferant sei sehr vertrauenswürdig gewesen, die Reinheit soll über 97 Prozent betragen haben. Jedoch waren die letzten vier Flaschen, die er einen Tag vor den tragischen Zwischenfällen erhielt, anders gewesen. Der Richter verlas eine E-Mail von R. an seinen Lieferanten: „Ich habe einige Probleme“, schrieb der Heilpraktiker – ein Patient habe erbrochen. „Das Pulver ist anders als das letzte.“ Er sei nicht glücklich damit, aber er brauche es. Vielleicht sei „das Zeug durch die Plastikflasche verdorben“, mutmaßte er. „Wenn Du Reaktionen siehst, reduziere die Dosis“, erhielt er als Empfehlung.

Mehr zum Thema

Nach Heilpraktiker-Skandal

AMK warnt Apotheker vor 3-Brompyruvat

Eine Patientin reagierte laut Anklage am nächsten Morgen auf Ansprache durch ihre Tochter unverständig – und sprach anschließend nicht mehr. Am Nachmittag hatte sie einen Krampfanfall, Ärzte diagnostizierten ein ausgeprägtes Hirnödem. „Am Tag darauf verstarb sie gegen Mittag“, erklärte die Staatsanwältin. 3BP sei ins Gehirn gelangt, wo es zu Vergiftungserscheinungen kam. Bei anderen Patienten kam es teils zu ähnlichen Komplikationen. Er habe Vitamin C und einen anderen Stoff als Infusion gegeben, erklärte R. – „als Sofortmaßnahme“: Es sei bekannt, dass dies die Wirkung von 3BP stoppe, behauptete er. Während Angehörige laut dem Vorsitzenden Richter ausgesagt haben, dass die Verstorbenen nach der Behandlung Gangprobleme hatten und teils nicht mehr sprechen konnten, erklärte der Heilpraktiker, er habe dies nicht beobachtet.

Der Angeklagte hätte die Überdosierungen erkennen und verhindern müssen, erklärt die Staatsanwältin. Er habe vorhersehen können, dass Überdosierungen „erhebliche Schäden“ mit sich bringen: Er habe eine besondere Sorgfaltspflicht gehabt, da 3BP nicht zugelassen ist. Es täte ihm sehr leid, was passiert ist, betonte der Heilpraktiker – er könne sich nicht erklären, wie es zu den Zwischenfällen kam. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, sagte R.: Er habe ein gutes Gefühl, dass er „richtig und sauber“ gearbeitet habe. Niemals sei es seine Intention gewesen, Menschen zu schaden. Er habe zum Dienste der Menschen als Heilpraktiker arbeiten wollen.

Klaus R.: Ich verstehe die Überdosierungen selbst nicht

„Es muss an der Substanz gelegen haben“, erklärte der Heilpraktiker zum Abschluss der Verhandlung als Grund für die Todesfälle – bis auf die Änderung des 3BP-Produkts sei alles andere gleich gewesen. Die Überdosierungen seien „das, was ich nicht verstehe“, erklärte R. Er sei froh, wenn er im Zuge des Prozesses eine klare Ansage bekäme, was passiert ist.

Derzeit sind in dem Verfahren neun weitere Verhandlungstermine geplant. Als Reaktionen auf den Fall haben Patientenschützer strengere Regeln für den Berufsstand der Heilpraktiker gefordert. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen Heilpraktiker zur Herstellung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln zukünftig eine Genehmigung einholen müssen – bislang mussten sie dies nur der zuständigen Behörde anzeigen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Heilpraktiker Klaus R. wegen Todesfällen durch 3-Brompyruvat vor Gericht

„Es muss an der Substanz gelegen haben“

Überdosis 3-Bromopyruvat (3-BP)

Anklage gegen Heilpraktiker wegen Todesfällen

Überdosiertes 3-Bromopyruvat

Zwei Jahre auf Bewährung für Heilpraktiker

Nach Heilpraktiker-Skandal

AMK warnt Apotheker vor 3-Brompyruvat

Bundeseinheitliche Vorgaben für Erlaubniserteilung, Ausbildung und Aufsicht gefordert

Was sollen Heilpraktiker dürfen?

10 Kommentare

Heilpraktiker

von Alexander Zeitler am 03.04.2019 um 1:42 Uhr

Es iat nicht zu fassen, Geben wir einfach mal ein Löffelchen dazu. IRRE
werden die nicht kontrolliert? und dann im Hinterkopf noch unseren super "Kollegen". der hat ein löffelchen weniger oder gar nix in die Infusion getan.
Ein einziges kriminelles Tollhaus.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Unmöglich!!

von Sven H. am 02.04.2019 um 14:09 Uhr

Der Heilpraktikerberuf sollte als solcher verboten werden!! Es kann nicht sein, dass Menschen mit einer Ausbildung von nur 2 JAHREN, sich messen wollen mit Menschen, die ein Grundstudium der Medizin ablegen, dann nochmal mehrere Jahre der Fachausbildung für Onkologie und anschließend viel Berufserfahrung sammeln müssen, um eine einigermaßen erfolgreiche Therapie empfehlen zu können. Heilpraktiker die sich mit diesem Wissen, messen und bereichern wollen, sollte man für immer die Lizenz weg nehmen!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Heilpraktikerberuf

von Dr. Arnulf DIesel am 03.04.2019 um 13:31 Uhr

Den Beruf des HP gibt es nicht, auch keine geregelte Ausbildung, vielmehr nur eine Prüfung, die verhindern soll, daß der HP größeren Schaden anrichtet. Demnach braucht man keine Ausbildung (auch wenn es durchaus Schulen oder Kurse gibt), sondern nur die Prüfung bestehen.

AW: Kommentar von Dr. Arnulf Diesel/Maxmo-Apotheke in Düsseldorf

von Rumpelstilzchen am 05.04.2019 um 14:54 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Diesel von der Maxmo-Apotheke/Düsseldorf:

zuerst möchte ich Ihnen recht herzlich zur Eröffnung Ihrer 2. Apotheke in Düsseldorf/Wehrhahn gratulieren!! "Hurra, ab heute 2 x in Düsseldorf. "

Ich bitte Sie jedoch, auf falsche Informationen und billige Polemik zu verzichten. Ich erwarte nun MINDESTENS (!!), dass Sie nun so ehrlich sind und Heilpraktiker-Anfragen und Aufträge an Ihre Maxmo-Apotheken mit dem Hinweis zurückzuweisen, es handele sich beim Heilpraktiker nach Ihrer polemischen Auffassung ja um keinen Beruf und schon gar nicht um einen Heilberuf, bei dem Sie dazu verpflichtet wären (und auch lt. GESETZ auch sind !!) Aufträge und Anweisungen entgegenzunehmen.

Ein entsprechender Hinweis ergeht an Ihre zuständige Kammer!

Somit haben Sie schon zu Beginn Ihrer 2. Apotheke (Hurra, ab heute 2 x in Düsseldorf) einen hervorragenden Start hingelegt. In Polemik und Falsch-Information haben Sie in Düsseldorf schon den 1. Platz belegt:

Hurra, ab heute 2 x in Düsseldorf.

Ich wünsche Ihnen noch weiterhin viel Erfolg beim Pillendrehen!

Hurra, ab heute 2 x in Düsseldorf.

Zum Kommentar des Pseudonyms "Jess"

von Friedrich Bühler am 01.04.2019 um 23:57 Uhr

Es gibt eine Apothekerin in Stuttgart, die hat Crack VOR Ihrer Apotheke an die Raschgiftsüchtigen verscherbelt. Vom Schwabenzentrum aus hat die Polizei sie beim dealen mit Telekameras infagranti erwischt. Stand damals in allen Stuttgarter Zeitungen. Kam mit einem blauen Auge davon. Heute ist die Dame ein älteres Weibchen. Verkauft noch immer in ihrer Apotheke. Jetzt natürlich nur evidenzbasierte Medizin.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Zum Kommentar des Pseudonyms "Jess&

von Alexander Zeitler am 03.04.2019 um 1:50 Uhr

kicke meinen Text immer wieder raus.
Hab in der STZ leider nix mitbekommen.
Approbation weg? Apo zu? Wissen Sie mehr?
Bin gespannt auf Ihre Antwort

Unglaublich

von Dr. Eisenbart und Konsorten am 01.04.2019 um 23:45 Uhr

Lesen Sie mal den jährlichen AOK - Bericht, dann wird Ihnen vollends schlecht! 15 000, ja fünfzehntausend, Tote durch nachgewiesenen Ärztepfusch jährlich. In Deutschland. Durchschnittlich. Auch nicht schlecht. Dunkelziffer und Arztpraxen nicht mitgerechnet.
Wenn man die armen Teufel, die sich in Brüggen-Bracht haben behandeln lassen, nicht als austherapiert entlassen hätte, wäre ALLES ganz anders gekommen. Selbstverständlich...
Ah, Sie wissen gar nicht was "austherapiert" bedeutet?
Ganz einfach: " Gehen Sie nach Hause, wir können Ihnen nicht mehr helfen. Ordnen Sie Ihre Angelegenheiten und verbringen Sie die restliche Zeit im Kreise der Familie ... "
Und gehen Sie in keine Klinik mehr. Sie werden nirgends mehr aufgenommen. Wegen keiner Erkrankung mehr.
Das bedeutet AUSTHERAPIERT. Ooch ....

Naja, die Apotheker sind ja wohl raus. Durchschnittlich, so auf Dauer .... meine ich. Waage hin, Waage her.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Keine Angst?

von Bernd Jas am 05.04.2019 um 23:30 Uhr

Weiß die KV eigentlich welche Terrortruppe sie da beherbergt?
15.000 Tote im Jahr. Da fällt mir nur der Spruch von Volker Pispers ein:
"Und Sie haben Angst vor Al-Qaida"?

Unfassbar

von Jess am 01.04.2019 um 11:56 Uhr

Das ist unfassbar, wenn man es liest. Vor allem muss man mal überlegen, dass das so weitergegangen wäre, wenn nichts passiert wäre.
Hier kommt jedes Jahr der Pharmazierat, kontrolliert Waagen, Herstellungs-/Prüfprotokolle, Qms, etc. dazu noch das Eichamt, etc.
Wer überprüft solche Leute? Und dann icht einmal irgendein Unrechtsbewustsein. Man kann nur mit dem Kopf schütteln.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Unfassbar

von Rumpelstilzchen am 01.04.2019 um 23:31 Uhr

Ja, und wenn man den Apotheker der Krebsmedikamente für die Finanzierung seiner Villa und diverser Sportwagen nicht erwischt hätte, würde der noch heute panschen !! Ja, wirklich unglaublich diese Heilpraktiker! Zum Glück gibt es sonst keine panschenden Apotheker und auch keine Zahnmediziner die 15 gesunde Zähne ziehen. Auch keine Röntgenärzte die jahrelang mit überhöhten Strahlungswerte arbeiten, ja, ja, ja ..... Die standen ja auch nie vor Gericht .... Mann, träum weiter !!!

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.