„Datenklau“-Prozess

Plädoyers der Verteidigung bleiben vorerst unvollendet

Berlin - 27.03.2019, 17:35 Uhr

Am heutigen Mittwoch war am Berliner Landgericht das erste Plädoyer der Verteidigung zu hören. (m / Foto: DAZ.online)

Am heutigen Mittwoch war am Berliner Landgericht das erste Plädoyer der Verteidigung zu hören. (m / Foto: DAZ.online)


Am heutigen Mittwoch sollten die Verteidiger der beiden Angeklagten im „Datenklau“-Prozess ihre Plädoyers halten. Der Anwalt des Systemadministrators kam auch zum Zuge: Er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten und zerlegte das Plädoyer des Staatsanwaltes. Der Systemadministrator soll für Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz laut Anklage brisante Mails aus dem Bundesgesundheitsministerium abgezweigt haben. Ehe aber konkret der Vorwurf des Ausspähens von Daten zur Sprache kam, unterbrach das Gericht die Hauptverhandlung. 

40 Tage lang wurde im Strafprozess gegen den früheren ABDA-Sprecher und heutigen Apotheke Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und den IT-Spezialisten Christoph H. bereits vor dem Berliner Landgericht verhandelt. Die beiden sind angeklagt, Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ausgespäht zu haben: H. hatte in seiner Position als externer Systemadministrator Zugriff auf die E-Mail-Postfächer der Staatssekretäre und Abteilungsleiter im BMG und soll hier politisch interessante Informationen heruntergeladen und an Bellartz verkauft haben.

Am heutigen Mittwoch sollte man dem Prozessende endlich nahe kommen: Nachdem der Staatsanwalt im letzten Termin sein Plädoyer gehalten hatte, sollten diesmal die Verteidiger ihre Schlussvorträge halten. H.‘ s Anwalt Nikolai Venn plädierte auch eine Stunde lang – doch dann unterbrach das Gericht überraschend die Hauptverhandlung. H. musste nach einem Telefonanruf aus nicht weiter erläuterten, persönlichen Gründen plötzlich die Verhandlung verlassen.

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Auch wenn Bellartz' Verteidiger Carsten Wegner noch gar nicht zu Wort kam und auch H.'s Pflichtverteidigerin Diana Nadeborn gerade erst ansetzen wollte, sich konkret zum Vorwurf des Ausspähens von Daten zu äußern: Venns Plädoyer hatte es bereits in sich.
Staatsanwalt Roland Hennicke hatte im letzten Termin relativ nüchtern und knapp die Anklageschrift mehr oder weniger wiederholt und erklärt, die darin erhobenen Vorwürfe hätten sich durch die Beweiserhebung bestätigt. Er hatte einige die Strafzumessung mildernde und andere schärfende Gründe aufgeführt und letztlich eine Geldstrafe für Bellartz sowie eine Haftstrafe für H. gefordert.

Dieses Plädoyer des Staatsanwalts bot H.'s Verteidiger einiges an Angriffsfläche. Venn holte rhetorisch wie rechtlich weit aus. „Da ist mit der großen Kelle ausgeteilt worden, aber serviert wurde nur ein sehr dünnes Süppchen“, so der Anwalt. Er beantragte in allen Anklagepunkten den Freispruch seines Mandanten. Venn führte zahlreiche Punkte auf, die Hennicke bei seinen Überlegungen zur Strafzumessung nicht oder unzutreffend berücksichtigt habe. Zum Beispiel hatte der Staatsanwalt erklärt, dass es sich bei den zwei verbliebenen Fällen des „Datenklaus“ nur um „die Spitze eines Eisbergs“ handele. Immerhin waren ursprünglich 40 Fälle angeklagt. Dazu sagte Venn, dass die übrigen Anklagepunkte eingestellt wurden, weil hier nichts weiter ermittelt werden konnte. „38 Nicht-Fälle sollen sich nun nachteilig auswirken?“, so der Anwalt unverständig.

Hauptbelastungszeugin: Unglaubwürdig und von Rache getrieben

Vor allem aber setzte sich Venn eingehend mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen – allen voran der Hauptbelastungszeugin Katja S., der Ex-Frau von H. – auseinander. Hennicke hatte in seinem Plädoyer mit wenigen Worten erklärt, dass er keine Zweifel hege, dass die Zeugin glaubwürdig sei. Dagegen hatten die Verteidiger bereits im Laufe des Prozesses immer wieder betont, dass Katja S. bereits wegen einer Falschaussage vor Gericht vorbestraft sei, es zudem einen Sorgerechtsstreit mit H. um den gemeinsamen Sohn gegeben habe. Darauf hob Venn auch heute ab: „Die Zeugin war getrieben davon, H. zu schädigen.“ Nicht nur Rache unterstellt er der Frau, sie habe auch finanzielle Motive gehabt. Ihr waren bis zu 9.000 Euro für ihre Hilfe bei den Ermittlungen in Aussicht gestellt worden. Der Anwalt ist überzeugt: Würde das Gericht all dies in seiner Beweiswürdigung vernachlässigen, werde „der Bundesgerichtshof dies nicht verzeihen.“ Venn verwies auch auf widersprüchliche Aussagen und wenig detailreiche Schilderungen der Zeugin – all dies spreche gegen ihre Glaubwürdigkeit.  

Nach einer Stunde sollte H.'s Pflichtverteidigerin Nadeborn das Plädoyer mit Ausführungen speziell zum Straftatbestand des Ausspähens von Daten fortsetzen. Diesen hält die Verteidigung bekanntlich für nicht erfüllt. Doch nach einer kurzen Pause nach Venns Plädoyer, entschied der Vorsitzende Richter, die Hauptverhandlung zu unterbrechen.
Nun geht es am 5. April weiter mit den Schlussanträgen der Verteidigung. Auch Wegner hatte bereits angekündigt, auszuführen, dass der Staatsanwalt in seinem Plädoyer „viel heiße Luft“ produziert hatte. Damit verschiebt sich auch die Urteilsverkündung.   



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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