Kommentar zur AOK-Studie

Apotheken sind für alle da – nicht nur für AOK-Versicherte

Süsel - 19.03.2019, 07:00 Uhr

In einem Kommentar meint DAZ-Autor Thomas Müller-Bohn, dass die AOK Baden-Württemberg in ihrer aktuellen Apothekenstudie falsche Annahmen verfolgt. (Foto: Imago)

In einem Kommentar meint DAZ-Autor Thomas Müller-Bohn, dass die AOK Baden-Württemberg in ihrer aktuellen Apothekenstudie falsche Annahmen verfolgt. (Foto: Imago)


Die jüngste Studie der AOK Baden-Württemberg zur Apothekendichte bezieht sich auf die AOK-Versicherten, aber nicht auf die Gesamtbevölkerung. Damit zeichnet sie ein verzerrtes Bild der Versorgungslandschaft. Auch als Grundlage für Forderungen nach neuen apothekenrechtlichen Regelungen taugt die Studie damit nicht, meint Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Die AOK Baden-Württemberg hat die Apothekendichte in ihrem Bundesland untersucht. Das ist zunächst eine gute Nachricht für die Apotheken. Denn es zeigt, dass die AOK die Bedeutung der Apotheken für die Versorgung erkennt. Problematisch erscheinen dagegen die Konsequenzen, die die AOK ableitet: Sie fordert die Lockerung des Mehrbesitzverbotes und der Apothekenbetriebsordnung. Das deutete Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, auch auf der politischen Diskussion bei der Interpharm an.

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Zahl der AOK-Versicherten pro Apotheke untersucht

Doch was sagt die Studie überhaupt aus? Untersucht wurde die Zahl der AOK-Versicherten je Apotheke. Es ist verständlich, dass die AOK sich für die Versorgung ihrer Versicherten interessiert. Das ist ihr Auftrag. Doch der Auftrag der Apotheken ist die Versorgung der ganzen Bevölkerung, nicht nur der AOK-Versicherten. Die Studie zeigt große Unterschiede in der Relation zwischen der Apothekenzahl und der Zahl der AOK-Versicherten. In Freiburg versorgt eine Apotheke demnach im Durchschnitt nur 548 AOK-Versicherte, im Landkreis Biberach dagegen 2.021. 

Keine Aussage über die Versorgungslandschaft

Dabei bleibt unbeachtet, wie groß der Anteil der AOK-Versicherten in den betrachteten Städten und Kreisen ist. Daraus lässt sich keine Aussage über die Versorgungsdichte und ihre Verteilung im Land ableiten. Vermutlich ist der Anteil der AOK-Versicherten in Universitätsstädten wie Freiburg und Heidelberg mit vielen hoch qualifizierten Beschäftigten gering, auf dem Land dagegen höher. Das würde die ermittelten Zahlen erklären. Es erklärt auch die Interessenlage von AOK-Chef Hermann. Im Rahmen der Interpharm-Diskussion hat er sein Interesse an der ländlichen Versorgung glaubwürdig bekräftigt. Zugleich hat er zu verstehen gegeben, dass die relativ große Zahl städtischer Apotheken für die Versorgung nicht nötig sei.

„Apotheke light“: Nur noch Standardfälle

Es sei ihm zugestanden, dass er sich für die Versorgung seiner Versicherten interessiert - und davon gibt es zumindest in den Universitätsstädten offenbar nicht so viele, auf dem Land dagegen umso mehr. Doch für die Apotheken ist diese Perspektive unbeachtlich. Denn die Apotheken sind für alle da. 

Neben den regional unterschiedlichen Marktanteilen der AOK erklärt auch die Versorgungsfunktion der Städte einen großen Teil der Unterschiede in der Apothekendichte. Denn städtische Apotheken versorgen auch Patienten aus dem Umland, die in einer Großstadt arbeiten oder zum Facharzt gehen. Außerdem kommen bei kleinen Landkreisen regionale Verzerrungen hinzu, aus denen sich keine Trends ableiten lassen.

AOK-Forderungen zielen auf „Apotheke light“

Die AOK leitet hingegen aus den vermeintlich großen Versorgungsunterschieden weit reichende Forderungen ab. In Regionen mit niedriger Apothekendichte möchte sie die Apothekenbetriebsordnung und das Mehrbesitzverbot gelockert sehen. Offenbar geht es dabei mal wieder um die schon früher diskutierte „Apotheke light“. So soll die Hürde zum Betrieb einer Apotheke gesenkt werden. Damit würde eine Spirale eröffnet, die die Versorgung immer mehr auf die Bedürfnisse der Standardfälle ohne Extras reduziert. Die nächsten Schritte wären der Apothekenbus und schließlich der Versand.

Doch dies alles steht auf einer bedenklichen Grundlage. Statt der Relation zur Zahl der AOK-Versicherten müssten alle Einwohner betrachtet werden. Außerdem können einzelne regionale Ausreißer kein komplett neues Versorgungssystem rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Versorgung mit dem bestehenden System flächendeckend gelingt



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

AOK Apotheke

von Alexander Zeitler am 20.03.2019 um 2:54 Uhr

Endlich mal eine mutige Überschrift.

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AOK - Dichte

von ratatosk am 19.03.2019 um 18:43 Uhr

Da es anders als Apotheken ein wichtiger Kostenfaktor für die Versicherten ist, muß man dringend über die dramatische Dichte an AOK Gebäuden und nutzlosen Stellen in Zeiten der Digigtalisierung sprechen. - Aber nein , GKV Funktionäre sind ja in D so was wie höhere Wesen , gedeckt von Politik und Verwaltung. Die Art der Darstellung der Apothekendichte zielt genau darauf ab, den Bürger zu täuschen, da er sich sehr genau mit der Methodik beschäftigen müßte - und das tun nicht viele, das wissen auch die GKV ler. Ist sicher nicht illegal aber schäbig

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AOK gegen Apotheke

von Heiko Barz am 19.03.2019 um 11:53 Uhr

Diesen „Hermanschen Aufguß“ auch noch als Tee zu genießen ist doch nun absolut überflüssig. Nur muß er wohl Aufmerksamkeit heischend zum Ende seiner „Karriere“ noch etwas Sand in die Gesundheitsmühle werfen.

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Nicht nötig in der Stadt

von Peter am 19.03.2019 um 8:17 Uhr

Ich kann diese Argumente nicht verstehen. Eine Mini Stadt Apotheke mit nur einem Kunden wäre für diesen Kunden doch ebenso relevant und nötig? Aber unabhängig davon, wenn an einem Punkt einer Stadt auf dichtem Raum vier Apotheken mit je 2 Mio Umsatz ansässig sind, wie kann man dann davon sprechen dass die Dichte zu hoch wäre? Sie wäre zu hoch wenn vier Apotheken sich 2 Mio Umsatz teilten, ja, aber so? Ist es soooooooooo unverständlich dass wir dorthin gehen wo der Umsatz ist? Für mich eigentlich kaufmännisch logisch. Ich habe eher das Gefühl, dass die Worte Relevanz und Bequemlichkeit gerne verwechselt werden. Relevant ist im Bezug auf Ärzte und Apotheken die Zahl Derer die sie in Anspruch nehmen wenngleich jeder einzelne Mensch natürlich nicht irrelevant ist. Relevant im Bezug aufs Land aber ist dann wohl eher der Bequemlichkeit des Einzelnen geschuldet wobei ich persönlich ja immer denke, wer im Vergleich zur Stadt die Hälfte oder noch weniger der Miete zahlt sollte sich bewusst sein, dass es DIESE Ersparnis eben nicht für umsonst gibt.

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