TSVG

Bundestag beschließt neue Impfstoff-Vergütung und Rabattfixierung 

Berlin - 14.03.2019, 11:30 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am heutigen Donnerstag an der zweiten und dritten Lesung seines TSVG teilgenommen, das letztlich beschlossen wurde. (c / Foto: imago)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am heutigen Donnerstag an der zweiten und dritten Lesung seines TSVG teilgenommen, das letztlich beschlossen wurde. (c / Foto: imago)


Der Bundestag hat am heutigen Donnerstagvormittag das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) beschlossen. Mit dem Vorhaben will der Gesetzgeber in erster Linie dafür sorgen, dass GKV-Versicherte schneller an Arzttermine kommen. Aber auch für Apotheker hält das Gesetz einige wichtige Regelungen bereit: Beispielsweise werden Impfstoffversorgung und -vergütung neu geregelt. Außerdem soll das Fixhonorar der Großhändler künftig für Rabatte gesperrt sein.

Grippeimpfstoffe:

Sowohl die Grippeimpfstoffversorgung als auch die Vergütung für Apotheker hierfür wird mit dem TSVG erneuert. Die Große Koalition will vermeiden, dass es hier erneut zu Engpässen kommt. Dazu wurden ursprünglich vorgesehene Herstellerabschläge für Impfstoffe wieder gestrichen, Rabattverträge und andere Festpreisvereinbarungen soll es gar nicht mehr geben. Zudem sollen Ärzte ihre Bestellmengen auch überschreiten dürfen, ohne dass dies gleich als unwirtschaftlich bewertet wird. Das Paul-Ehrlich-Institut vergleicht künftig den durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gemeldeten Bedarf an saisonalen Grippeimpfstoffen unter Berücksichtigung einer 10-prozentigen Reserve mit den durch die Hersteller gemeldeten Daten und Informiert die Hersteller und die Ärzte über das Ergebnis der Prüfung. Was die Apothekenvergütung betrifft, gilt: Je Einzeldosis können Apotheker künftig fix 1 Euro abrechnen, höchstens jedoch 75 Euro pro Verordnungszeile. Diese Regelung wurde in die Arzneimittelpreisverordnung übernommen.

Mehr zum Thema

Großhandelsrabatte:

Für die Apotheken von Bedeutung ist zudem die beabsichtigte Klarstellung, dass das Großhandelsfixum um 70 Cent pro Packung keinem Rabatt zugänglich ist. Viel Diskussionsbedarf hatte es bis zuletzt um die Begründung dieser Regelung im Gesetzestext gegeben. Denn offen blieb die Frage, ob von der Fixierung auch die Skonti betroffen sind. Der Phagro hatte sich bis zum Schluss dafür eingesetzt, dass auch die Skonti begrenzt werden. In der Stellungnahme des Großhandelsverbandes hieß es damals: „Notwendig ist eine eindeutige Klarstellung, dass die Summe aus Rabatten und Skonti den Rahmen des prozentualen Zuschlags nicht überschreiten darf“.

Terminservicestellen, Sprechstunden, Ärztevergütung

Terminservicestellen:

Die Terminservicestellen werden bis zum 1. Januar 2020 zu Servicestellen für ambulante Versorgung und Notfälle weiterentwickelt. Dabei wird es auch Terminvermittlungen zu Haus- und Kinderärzten und Unterstützung bei der Suche nach dauerhaft versorgenden Haus-, Kinder- und Jugendärzten geben. Über die bundesweit einheitliche Notdienstnummer (116117) ist die Terminservicestelle 24 Stunden täglich an sieben Tagen pro Woche (24/7) erreichbar. In Akutfällen werden Patienten auch während der Sprechstundenzeiten an Arztpraxen oder Notfallambulanzen oder auch an Krankenhäuser vermittelt. Zudem ist geregelt, dass die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Akutbehandlung maximal zwei Wochen betragen darf. Außerdem wird es ein Online-Angebot der Terminservicestellen geben, die KBV arbeitet laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) daran.

Sprechstunden:

Das Mindestsprechstundenangebot der niedergelassenen Ärzte wird erweitert: Mindestens 25 Stunden pro Woche (Hausbesuchszeiten werden angerechnet) müssen die Ärzte GKV-Versicherten anbieten. Facharztgruppen der grundversorgenden und wohnortnahen Versorgung (zum Beispiel konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, HNO-Ärzte) müssen mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anbieten (ohne vorherige Terminvereinbarung).

Ärztevergütung:

Die Kassenärzte erhalten für ihre Mehrleistungen neue extrabudgetäre Vergütungen, Zuschläge, Entbudgetierungen oder bessere Förderung, etwa für die erfolgreiche Vermittlung eines dringenden Facharzttermins durch einen Hausarzt (Zuschlag von mindestens 10 Euro). Und: (Akut-)Leistungen für Patienten, die von der Terminservicestelle vermittelt werden, werden extrabudgetär vergütet, ebenso wie Leistungen für neue Patienten in der Praxis und Leistungen, die in den offenen Sprechstundenzeiten erbracht werden.Laut BMG sollen die Ärzte so pro Jahr zwischen 600 und 800 Millionen Euro mehr erhalten.

Landversorgung, mehr Leistungen für GKV-Versicherte

Ärztliche Versorgung auf dem Land:

Es wird künftig obligatorische regionale Zuschläge für Ärzte auf dem Land geben. Ein Strukturfonds der KVen soll verdoppelt werden. Die KVen werden verpflichtet, in unterversorgten Gebieten eigene Praxen (Eigeneinrichtungen) oder mobile und telemedizinische Versorgungs-Alternativen anzubieten, wenn es zu wenig Ärzte gibt. Die Länder können außerdem bestimmen, ob bestehende Zulassungssperren für die Niederlassung in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten gegebenenfalls entfallen können.

Mehr Leistungen:

Ausschreibungen für Hilfsmittel werden abgeschafft. Dadurch wird sichergestellt, dass es bei der Versorgung mit Hilfsmitteln keine Abstriche bei der Qualität gibt. Hiermit reagiert das BMG auf Hilfsmittelverträge der Kassen, die zuletzt auch das Bundesversicherungsamt heftig kritisiert hatte. Bei den Heilmittelerbringern werden die Preise für die Leistungen der Therapeuten bundesweit auf dem höchsten Niveau angeglichen. Die Honorarentwicklung wird von der Grundlohnsumme abgekoppelt und ermöglicht stärkere Honorarsteigerungen als bisher.

Für junge Erwachsene, die an Krebs erkrankt sind, werden die Kosten von Kryokonservierung von den Krankenkassen übernommen. Durch die Konservierung von Keimzellgewebe, Ei- und Samenzellen kann diese Patientengruppe auch nach einer Krebsbehandlung noch Kinder bekommen.

Die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) wird für Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko von den Krankenkassen übernommen.

Reine Betreuungsdienste werden für die Leistungserbringung von Sachleistungen in der ambulanten Pflege zugelassen. Damit verbessert sich die Pflege zu Hause, weil mehr Berufsgruppen zur Versorgung zur Verfügung stehen.

Die Versorgung mit Hebammen wird angepasst. Dem GKV-Spitzenverband wird die Aufgabe übertragen, Versicherten im Internet (und per App) ein Suchverzeichnis zu Kontaktdaten und dem Leistungsspektrum von Hebammen anzubieten. Ehemaligen Hebammen und Entbindungspflegern wird der Wiedereinstieg in ihren Beruf erleichtert. Krankenhäuser erhalten Unterstützung, um ihren Hebammen eine geeignete Kinderbetreuung anzubieten.

Die Festzuschüsse für Zahnersatz werden ab dem 1. Oktober 2020 von 50 auf 60 Prozent der Kosten für die Regelversorgung erhöht.

Digitalisierung, Selbstverwaltung, Transparenz

Digitalisierung:

Die Krankenkassen werden verpflichtet, bis spätestens 2021 ihren Versicherten E-Patientenakten anzubieten. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sollen ab 2021 von den behandelnden Ärzten an die Krankenkassen nur noch digital übermittelt werden.

Selbstverwaltung:

Das BMG übernimmt 51 Prozent der Geschäftsanteile der Gematik. Damit will es Entscheidungsprozesse in der Gematik effektiver gestalten, damit die Einführung weiterer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur zügig umgesetzt wird.

Die Bedarfsplanungs-Richtlinie soll durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zügig angepasst werden. Hierzu wird die Frist für die Überprüfung durch den G-BA auf den 1. Juli 2019 festgesetzt. Darüber hinaus werden die Kompetenzen des G-BA weiterentwickelt, damit die vorhandenen Versorgungsbedarfe noch besser abgebildet werden können.

Transparenz in der Versorgung:

Die Transparenz bei der Veröffentlichung der Vorstandsgehälter bei Krankenkassen, dem medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie ihren Spitzenorganisationen wird erhöht. Es gibt nun konkretere gesetzliche Vorgaben für die Beurteilung der Angemessenheit der Vergütung durch die Aufsichtsbehörden und künftige Vergütungssteigerungen bei den Spitzenorganisationen auf Bundesebene werden begrenzt.

Beschränkt wird auch der Einfluss von reinen Kapitalinvestoren auf medizinische Versorgungszentren (MVZ). So dürfen Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen künftig nur fachbezogene MVZ gründen. Auch die Gründungsbefugnis für zahnmedizinische Versorgungszentren durch Krankenhäuser wird eingeschränkt.

Das Gesetz muss abschließend noch einmal durch den Bundesrat.

Die meisten Regelungen werden ab Anfang Juli 2019 greifen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Klarstellungen zu Impfstoffvereinbarungen und Großhandels-Fixzuschlag geplant

Spahn bringt Versorgungs-Omnibus auf den Weg

Großhandels-Rabatte, Impfstoffe, ärztliche Versorgung

TSVG (größtenteils) in Kraft getreten

Änderungsanträge zum Spargesetz: Perspektiven auch für die Apotheker

Lukrative Zugeständnisse an die Ärzte

Terminservice- und Versorgungsgesetz

BMG will bei Impfstoffen nachbessern

5 Kommentare

Impfstoffe zum Billigtarif

von Stefan Schwenzer am 14.03.2019 um 19:12 Uhr

Ein Euro ist absolut lächerlich für eine kühlkettenpflichtige Versorgung mit Impfstoffen, bei der ich das volle wirtschaftliche Risiko träge und die ich mit qualifiziertem pharmazeutischen Personal abwickeln muss. Jede Tankstelle verdient mehr an einer Packung Magnum.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Impfstoffe zum Billigtarif

von gerd am 15.03.2019 um 9:44 Uhr

wir sind aber keine Tankstellen :-(

Lersermeinung dazu

von Georg Dribusch am 14.03.2019 um 13:31 Uhr

Und die ABDA schauet stumm in der Haus-Baustelle rum.....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Erwartungen

von Christiane Patzelt am 14.03.2019 um 13:10 Uhr

Ich dachte, heute wird ein großes Ei für uns ApothekerInnen gelegt -- nee, ach kiek, war doch nur ne verschrumpelte Rosine, die uns im Hals kratzen wird -- danke mal wieder für die Beschränkung auf finanzieller Seite...wenn wir so platt wie die Hebammen sind, bekommen wir 2025 bestimmt auch wieder ne Erleichterung zum Einstieg in den Beruf ( ja-Sarkasmus ).

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

ist schon klar

von Karl Friedrich Müller am 14.03.2019 um 12:30 Uhr

die Apotheker sind schuld daran, dass es zu wenig Grippe Impfstoffe gab.
Da muss man das Problem lösen und den Apothekern die Vergütung runtersteichen, schon funktioniert das.
Was für ein übler Schwachsinn. Vorurteile, eine Art Rassismus, üble nachrede.... ich find kaum Worte
Das ganze Gesetz ist was uns betrifft, mal wieder nur negativ

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.