Zwei Jahre Cannabisgesetz

BAK: Weiterhin volles Programm bei der Cannabis-Analytik

Berlin - 05.03.2019, 14:00 Uhr

Die Identitätsprüfung von Cannabisblüten per DC kostet Zeit und Geld für die Referenzsubstanzen. Doch aus Sicht der Bundesapothekerkammer dürfen hier keine Abstriche gemacht werden. (m / Foto: DAZ.online / bj)

Die Identitätsprüfung von Cannabisblüten per DC kostet Zeit und Geld für die Referenzsubstanzen. Doch aus Sicht der Bundesapothekerkammer dürfen hier keine Abstriche gemacht werden. (m / Foto: DAZ.online / bj)


Am kommenden Sonntag wird das Cannabisgesetz zwei Jahre alt. Fast ebenso lange verhandeln Kassen und Apotheker über den Rezepturzuschlag beim Medizinalhanf. Einer Preissenkung steht entgegen, dass die Identitätsprüfung sehr aufwendig ist. Um die Apotheken zu entlasten, schlägt die Linksfraktion im Bundestag vor, Cannabisblüten als Fertigarzneimittel einzustufen. Doch die Bundesapothekerkammer stellt klar: Abstriche beim Prüfaufwand darf es nicht geben.  

Die grüne Welle in der Apothekenrezeptur hält an: Rund 95.000 Kassenrezepte über Cannabis-Zubereitungen oder unverarbeitete Blüten wurden im vergangenen Jahr beliefert. Das zeigt die aktuelle Statistik des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI). Der Anteil der Fertigarzneimittel war 2018 mit rund 53.000 Packungen geringer.

Mehr Cannabisrezepte – vor allem in der Rezeptur

Damit hat sich dieses Verhältnis im Vergleich zum Vorjahr umgedreht: So wurden 2017 noch 39.500 Packungen Fertigarzneimittel abgegeben und lediglich 27.000 Kassenrezepte über Cannabis-Zubereitungen oder unverarbeitete Blüten beliefert. Die Zahlen decken sich mit der Statistik des Marktforschungsinstituts IQVIA, die vergangenen Freitag veröffentlicht wurde, und die die Zahl der Rezepte über Cannabisrezepturen auf rund 94.000 beziffert. Auch die Zahlen des GKV-Spitzenverbandes bestätigen einen Wachstumstrend bei Cannabisrezepturen.

Am kommenden Sonntag wird das Cannabisgesetz zwei Jahre alt. Ein idealer Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen. Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), der auch Vorstandsvorsitzender des DAPI ist, kommentiert seine Zahlen in einer Meldung: „Unsere Daten legen nahe, dass heute deutlich mehr Patienten mit Cannabis versorgt werden als vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vor zwei Jahren.“ Gäbe es weniger Lieferengpässe, könnte die Zahl der belieferten Rezepte noch höher sein. Doch wie hoch ist der Bedarf in Deutschland tatsächlich?

Tatsächlicher Bedarf schwer abzuschätzen

Um diese Frage zu beantworten, eignen sich die Statistiken vom DAPI und IQVIA nur bedingt. Denn die Zahl der Privatrezepte ist nicht eingeflossen. Insbesondere zu Beginn, als die Ablehnungsquote bei den gesetzlichen Krankenkassen noch hoch war, dürften auch einige Kassenpatienten auf Privatverordnungen ausgewichen sein. Außerdem liegen zu den Blütenverschreibungen nur die Zahl der Rezepte beziehungsweise Abgabeeinheiten hervor, aber nicht die jeweils verordneten Mengen.  

Nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wurden im ersten Halbjahr 2018 rund 1,6 Tonnen eingeführt. Die Mengen des zweiten Halbjahres sind zwar noch nicht bekannt*. Doch aus Sicht der Importeure gibt es noch viel Luft nach oben. So haben neun Importeure seit März des vergangenen Jahres ihre jährlichen Einfuhrhöchstmengen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf insgesamt 25,6 Tonnen erhöht.

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Anmerkung der Redaktion 6.3.16:00: Wie uns ein BfArM-Sprecher ein Tag nach Veröffentlichung des Artikels mitteilte, wurden 2018 für die direkte Patientenversorgung über die Apotheken aus Kanada und den Niederlanden 3.130 kg Cannabisblüten importiert.


Regierung will Cannabiskosten halbieren

Das BMG schätzt die GKV-Ausgaben für Cannabisrezepturen im vergangenen Jahr auf 50 Millionen Euro. Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Kosten halbieren. Zu diesem Zweck sollen sich der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) auf einen neuen Rezepturzuschlag einigen.

Beide Parteien verhandeln darüber seit anderthalb Jahren. Doch in Apotheken ist der Arbeitsaufwand bei Cannabisrezepturen – insbesondere bei der Identitätsprüfung – unverändert hoch. Aus Apothekerperspektive stellt sich daher die Frage: Weshalb sollen wir für dieselbe Arbeit nur einen Bruchteil des Honorars akzeptieren?  

Der schleswig-holsteinische Weg

Einige Bundesländer haben Einzellösungen entwickelt, um die Apotheken zu entlasten. Die größte Arbeitsersparnis haben die Apotheken in Schleswig-Holstein bei Blüten aus den Niederlanden. Denn diese werden nach Auskunft des Landesgesundheitsministeriums formal als Fertigarzneimittel behandelt, was sich konsequenterweise auf die Kosten auswirkt: „Die Preisberechnung richtet sich nach der AMPreisV für Fertigarzneimittel ohne Rezepturzuschlag“, erklärt das Ministerium auf Nachfrage von DAZ.online.

Kann das Schleswig-Holstein einfach so festlegen? Vor etwa einem Monat hatte das BMG auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion jedenfalls erklärt, dass es in die Zuständigkeit der Bundesländer falle, Cannabis als Fertigarzneimittel einzustufen oder nicht. Eine bundesweite Regelung, die allen Apotheken Deutschlands Rechtssicherheit bietet, gibt es allerdings noch nicht.

Linke fordern Fertigarzneimittel-Status

Der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Niema Movassat, fordert die Bundesregierung dazu auf, medizinisches Cannabis deutschlandweit als Fertigarzneimittel einzustufen. Denn Medizinalhanf, der nach Deutschland importiert werde, sei bereits von den Cannabisagenturen in den jeweiligen Exportländen geprüft, begründet der Jurist gegenüber DAZ.online. „Es macht daher Sinn, Cannabis als Fertigarzneimittel einzustufen. Dies entlastet die Apotheken und senkt die Preise. Die Senkung der Preise ist gut für die gesetzlichen Krankenkassen, weil Cannabis als Medizin weniger Kosten verursacht und es ist gut für Patienten, die nur ein Privatrezept haben.“

„Anerkannte Prüfvorschriften sind kein Ballast“

Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten? Andreas Kiefer ist von der Fertigarzneimittel-Idee nicht überzeugt. In einer Mitteilung erklärt der BAK-Präsident: „Apotheker sind der Qualität verpflichtet. Die pharmazeutischen Qualitätskriterien gelten für jedes Arzneimittel, auch für Cannabisblüten – denn jeder Patient hat das Recht auf eine sichere Therapie. Wer meint, bei der Sicherheitsprüfung sparen zu können und anerkannte Prüfvorschriften als Ballast abtut, der öffnet minderwertiger oder verschnittener Ware Tür und Tor. Wir Apotheker werden dafür kämpfen, das zu verhindern und die Patienten zu schützen.“ 

Und in die Entwicklung von Qualitätsstandards bei Apotheken-Rezepturen ist Kiefer direkt involviert. Denn der BAK-Präsident und DAPI-Vorstandvorsitzende ist gleichzeitig auch Vorsitzender der Kommission des Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) und des Neuen Rezeptur Formulariums (NRF). Das DAC entwickelt Vorschriften, wie Apotheken Rezepturausgangsstoffe wie Cannabisblüten zu prüfen haben. Das NRF gibt die Herstellungsanweisungen vor, wie in der Apotheke Rezepturarzneimittel wie beispielsweise Cannabisrezepturen angefertigt werden.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Sozial ist was Arbeit schafft

von Bernd Jas am 07.03.2019 um 12:12 Uhr

Das ist wieder einmal ein bestes Beispiel dafür wie die deutschen Bruttoverwalter aus einem Klumpen Shit und Bullshit(-Verordnungen) das goldene Kalb gewinnen.
Wer zerschlägt es?

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Berufs-Identität--Prüfung

von Wolfgang Müller am 06.03.2019 um 11:04 Uhr

Genau genommen können die normalen Apotheker/innen ("normal" im Gegensatz zu Kiefer und Kammer-Co.) über alle Maßen dankbar für den insbesondere von der BAK verzapften und gegen jeden Verstand verteidigten Cannabisblüten-Wahnsinn sein. Bringt er doch den umfassenden Fremdinteressen-Missstand in "Rezeptur und Prüfung" dermaßen auf den Punkt, dass niemand mehr wegschauen kann.

Vor Allem, weil hier unmittelbar nicht nur die schikanierten Kolleg/innen, sondern auch die Patienten und Kostenträger wegen immenser, vollkommen unnötiger Mehrkosten betroffen sind. Von denen zunächst einmal Kiefer und Co. in ihren um sich selbst kreisenden Gremien- und Ämter-Hochwichtigkeiten profitieren. Insbesondere aber natürlich auch alle teils - wie AVOXA - sogar ziemlich direkt verbundenen Lieferanten (Geräte, Chemikalien, Literatur etc.), die den überzogenen "Labor-Betrieb“ in jeder einzelnen Apotheke natürlich gerne weiter "ermöglichen".

Schön auch, dass das ganze Rezeptur-und-Prüfungs-Regularien-Elend inkl. der kaum zu glaubenden Interessen-Verflechtungen so hervorragend in einer einzigen Person greifbar wird, die den als "Interessen-Vertretung" vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Riesen-Apparat "Apothekerkammern" sagenhaft verkörpert: Kollege Kiefer. Sehr peinlich und vor Allem: vollkommen unakademisch und unwissenschaftlich hier wieder seine Äußerungen zum Thema, Kollege Rainer W. hat schon Alles dazu gesagt.

Was aber noch dazu kommt: Die unglaubliche, indirekte, massensuggestive Verknüpfung, dass genau DAS mit der WE-Prüfung für "DAS Qualitätsbewusstsein DER Apotheker/innen" steht. Das ist nicht mehr und nicht weniger als ein richtig primitives Totschlags-Argument. Um die Diskussion zur notwendigen Abschaffung dieser ganzen unprofessionellen und in Wirklichkeit GEGEN echtes QM gerichteten Prüfungs-Regularien mit tonnenweise bekanntermaßen vollkommen inhaltsleerem Anti-QM-Dokumentations-SCHROTT (ohne das hier näher erläutern zu wollen ….) von vorn herein abzuwürgen. Welch braves, ahnungsloses Apothekerlein könnte denn schon gegen so tolle „Qualitätssicherung“ zu sein sich trauen? Pfui Teufel.

Ehrlich, ich war letztens im Auditorium einer durchaus mal erfreulichen und lebhaften berufspolitischen Diskussion, wo als einziges Argument für den ganzen defizitären, Gemeinwohl-schädlichen Quatsch am Ende übrigblieb: Es sei schließlich „für den Beruf Identitäts-stiftend“. Da sollten wir uns dann wohl alle mal ganz schnell zusammen einer Berufs-Identitätsprüfung unterziehen.

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Lächerlich

von Rainer W. am 06.03.2019 um 9:42 Uhr

Das einzige, was Kiefer sichert ist den Fortbestand des DAC/NRF und Rezeptur-Doku-und-Analytik-Kolosses.

Qualitative Prüfvorschriften sind gar nicht geeignet quantitavie Verunreinigungen zu bestimmen.
Also letztendlich doch verlassen auf die Prüfzertifikate. Die Lieferkette ist ja wohl sicher, könnte auch locker mit Securpharm "abgesichert" werden.

Dass das DAC/NRF-Team keine Vorstellungen von den Kosten, die diese Prüfungen verursachen hat kann man regelmäßig auf deren Veranstaltungen sehen. "2-3 Euro mehr pro Rezeptur wären schon angebracht" durfte ich auch einem Vortrag zum Qualitätsstandard in der Rezeptur hören.

Dass die BAK an den weltweit völlig obsoleten Regeln der Wareneingansprüfung festhält, gleichzeitig aber keinerlei Äußerungen über den Arbeitsaufwand in der Apotheke und eine anständige Vergütung der selbigen tätigt zeigt doch dass sie von der Praxis völlig entfremdet sind.

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ProhbitionFailed

von SourDiesel am 05.03.2019 um 19:19 Uhr

Auf der einen Seite werden Hanfkonsumenten gnadenlos gejagt und teils härter bestraft als Vergewaltiger zur gleichen Zeit wird das in Deutschland als Rauschgift geltende Pflänzchen als Medizin angesehen wie in anderen Länder schon seit Jahrzehnten nur wird dort niemandem die private, berufliche wie soziale Existenz zerstört.

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Mit ´nem dicken Hammer

von Bernd Jas am 05.03.2019 um 14:31 Uhr

Was dem einen sein Joint,
ist uns ein Sargnagel.

Das war früher auch mal anders, aber auch nicht besser.
Immer nach dem Motto:
"Wir machen alles....
um sonst."

So geht sozialistische Mittelstandsvernichtung.

Wie schrieb Wolfgang Müller im Tagebuchkommentar:
"Ganz ernst gemeint: Dann lieber Verstaatlichung, gnadenhalber."

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