Lebensstilländerung hilft

Typ-2-Diabetes: Was Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung bewirken können 

Stuttgart - 25.03.2019, 15:15 Uhr

Die Studienlage der Low-Carb-Diäten unterstreicht zwar die Verbesserung der Insulinsensitivität und die erfolgreiche Gewichtsabnahme, doch der Langzeitnutzen bleibt fraglich. ( r / Foto: metamorworks / stock.adobe.com)
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Die Studienlage der Low-Carb-Diäten unterstreicht zwar die Verbesserung der Insulinsensitivität und die erfolgreiche Gewichtsabnahme, doch der Langzeitnutzen bleibt fraglich. ( r / Foto: metamorworks / stock.adobe.com)


Allein in Deutschland leiden mehr als 6 Millionen Menschen an Diabetes mellitus, 90 Prozent davon an Typ 2, oft als „Wohlstandsdiabetes“ bezeichnet – zu Recht. Neben einer genetischen Prädisposition und Umwelteinflüssen, denen man sich oft nicht entziehen kann, bilden aktiv beeinflussbare Lebensumstände, wie Übergewicht, fehlerhafte Ernährungsweise und Bewegungsmangel den Löwenanteil an der Entstehung des metabolischen Syndroms und Glucosestoffwechselstörungen bis hin zu Typ-2-Diabetes.

Die Pathophysiologie dahinter wird wie folgt kurz umrissen: Nimmt man über einen längeren Zeitraum übermäßig viel – und dabei noch die „falsche“ ‒ Nahrung zu sich und kompensiert diese nicht mit ausreichend körperlicher Aktivität, steigt als Antwort darauf dauerhaft die Insulinsekretion der ß-Zellen – es entsteht eine Hyperinsulinämie. Im Laufe der Zeit regulieren Körperzellen, die durch Insulin rezeptorvermittelt Glucose aufnehmen, die Anzahl eben dieser Rezeptoren herab (erhöhte Fettsäurewerte werden als Auslöser diskutiert). Sinkt die Rezeptordichte, wird trotz hoher Insulinspiegel im Blut nicht ausreichend Glucose in die Zellen aufgenommen. Durch die dauerhaft hohe, kompensatorische Insulinausschüttung ist bald auch die Sekretionsleistung der Bauchspeicheldrüse erschöpft. Dieser Prozess erstreckt sich von einer anfänglich gestörten Glucosetoleranz bis hin zum manifesten Typ-2-Diabetes. Dabei sind nicht nur entgleiste Glucosespiegel im Blut problematisch – Diabetes mellitus korreliert mit gravierenden Anomalien des Protein- und Fettstoffwechsels.

Lebensstilmodifikation kann die Stoffwechsellage signifikant verbessern

Eine Lebensstilmodifikation kann die Stoffwechsellage signifikant verbessern und bezieht sich sowohl auf die Prävention von Diabetes, als auch auf dessen Therapie. Dazu gehört eine Gewichtsreduktion – wenn Übergewicht vorhanden, ausreichend Bewegung und in den meisten Fällen eine Ernährungsumstellung. Schon eine Gewichtsabnahme von unter 10 Prozent des Körpergewichts verbessert die Insulinempfindlichkeit und die Glucosetoleranz und senkt Insulinbedarf, Serumlipidspiegel und Blutdruck. Durch ausdauernde Bewegung werden Muskelzellen sensitiver für Insulin, Fettzellen werden abgebaut und die Zahl freier Fettsäuren gesenkt. Sportliche Aktivitäten sollten dabei besonders zu Anfang relativ niedrig kardiorespiratorisch und gelenkschonend gestaltet sein. Um damit eine Reduktion des Körpergewichts zu erzielen, ist ein Ungleichgewicht der verbrannten zu aufgenommenen Kalorien entscheidend. Ein Defizit von ca. 500 kcal/Tag bis zum Erreichen des Normalgewichts hat sich dabei bewährt. Doch nicht nur die Kalorienbilanz der Ernährung entscheidet über Gewichtsverlust, Wohlbefinden und Insulinbedarf, auch auf die Auswahl der Lebensmittel sollte besonders geachtet werden.

Art der Kohlenhydrate ist entscheidend

Prinzipiell gelten für Diabetiker die allgemeinen Ernährungsempfehlungen der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) für ausgewogene, gesunde Kostformen. Allerdings wird ganz besonderes Augenmerk in der Ernährungstherapie für Diabetiker auf Art und Menge der Kohlen­hydrate, sowie auf die Qualität der Fettsäuren gelegt. Komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten und Gemüse sorgen dabei für einen gleichmäßigen und moderaten Anstieg der Blutglucose. Die Empfehlungen für fetthaltige Lebensmittel orientiert sich an der mediterranen Ernährungsweise: ungesättigte Fettsäuren aus hochwertigen Pflanzenölen und Omega-3-Fettsäuren aus Fisch und Nüssen. Dagegen sollte der Anteil der gesättigten Fettsäuren in der Nahrung auf ein Minimum begrenzt werden. Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, wenig Fleisch und Eier und mäßig viel fettarme Milchprodukte runden die mediterrane Diät ab. Trotz des erhöhten Fettanteils von 35  Prozent an der Gesamtenergie (die DGE empfiehlt 30 Prozent), konnte in der PREDIMED-Interventionsstudie gezeigt werden, dass eine konsequente mediterrane Diät nicht nur das kardiovaskuläre Risiko verringert, sondern auch die Neuerkrankungsrate an Typ-2-Diabetes um 40 Prozent reduziert, den HbA1c-Wert senkt und die Insulinsensitivität verbessert. Ist eine Verminderung des Körpergewichts bei einem Patienten angezeigt, muss die hohe Kaloriendichte von Ölen, Nüssen und Fettfisch natürlich berücksichtigt und eingerechnet werden.

Was bringt Low-Carb?

Um eine rasche Gewichtsreduktion zu erreichen und Stoffwechselanomalien möglichst schnell wieder in die Bahn zu bringen, stehen neben diesen Ernährungsempfehlungen noch spezielle Diäten zu Verfügung. Die meisten stützen sich auf eine strenge Kohlenhydratreduktion, durch die die Anwesenheit von Insulin eine etwas untergeordnetere Rolle im Stoffwechsel erlangt und eine schnelle Gewichtsabnahme möglich ist (z.B. LOGI-Methode, South-Beach-Diät). Der Klassiker – die „Low Carb“-Diät, erlebt eine gerade regelrechte Renaissance. Sie setzt auf Lebensmittel mit sehr niedriger glykämischer Last, also niedriger Auswirkung auf die Blutglucose. Die Atkins-Diät gilt in Sachen „Low Carb“ als besonders radikal, nur 5 bis 10 Prozent des Energiebedarfs werden durch Kohlenhydrate abgedeckt, wodurch der Körper in einen Fettstoffwechsel umschalten soll.

Die heutzutage beliebtere ketogene Ernährungsweise nimmt Abstand von dieser kurzzeitigen Crash-Diät und macht ketogene Ernährung und die Ketose als Energiestoffwechsel als dauerhafte Lebensweise für Gesunde und Erkrankte salonfähig.

Die Studienlage der Low-Carb-Diäten unterstreicht zwar die Verbesserung der Insulinsensitivität und die erfolgreiche Gewichtsabnahme, allerdings bislang nur bei gesunden Probanden, auch der Langzeitnutzen bleibt fraglich. Ähnlich verhält es sich mit Formuladiäten (Shakes) oder Trennkost. Den Übergang zwischen kurzfristigen Diäten und einer dauerhaft gesunden Lebensweise biete die DASH-Diät (Dietary Approach to Stop Hypertension). Sie legt Wert auf qualitativ hochwertige Fette, Proteine und Kohlenhydrate mit besonderes hohem Ballaststoffanteil. Ballaststoffe binden Cholesterin und helfen dadurch den Serumlipidspiegel und darüber das kardiovaskuläre Risiko zu senken. Sie sättigen langanhaltenden und dienen gesundheitsfördernden probiotischen Darmmikroben als Nahrung.

Allgemein, aber für Diabetiker im Besonderen, sollte eine langfristige Lebensstiländerung erwogen werden, mit einer Normalisierung des Gewichts, Bewegung und ausgewogener Ernährung, bei der man sich auch hin und wieder etwas gönnen darf.


Ariane Gerlach, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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