Mechanismus im Tiermodell aufgeklärt

Warum Glucocorticoide diabetogen wirken

Berlin - 08.04.2019, 12:15 Uhr

Arzneistoffe können Diabetes mellitus induzieren. (m / Foto: KANDA EUATHAM / stock.adobe.com)
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Arzneistoffe können Diabetes mellitus induzieren. (m / Foto: KANDA EUATHAM / stock.adobe.com)


Nicht wenige Arzneistoffe können eine gestörte Glucosetoleranz oder einen Diabetes mellitus induzieren – Glucocorticoide gehören dazu. Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen sind nicht immer klar. Forscherteams am Helmholtz Zentrum München, an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und weiteren Forschungseinrichtungen identifizierten im Mausmodell den Transkriptionsfaktor E47 als „Übeltäter“. Möglicherweise ist er auch beim Menschen in die unerwünschten Cortison-Wirkungen auf den Glucosestoffwechsel involviert.

Glucocorticoide binden an spezifische Rezeptoren, die in den Zellkern wandern und dort durch Wechselwirkung mit DNA-Sequenzen Genexpressionen sowohl fördern als auch hemmen können. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Transkriptionsfaktoren und Co-Regulatoren identifiziert, die in diese Genregulationsprozesse involviert sind. Dazu zählt der Transkriptionsfaktor E47, der in vielen Geweben nachweisbar ist. Mithilfe von Genomanalysen und weiteren genetischen Experimenten fanden Prof. Dr. Henriette Uhlenhaut und ihre Doktorandin Charlotte Hemmer vom Institut für Diabetes und Adipositas des Helmholtz Zentrums München heraus, dass homozygote E47-Knockout-Mäuse vor Cortison-Nebenwirkungen wie Hyperglykämie, Hyperlipidämie und Fettleber geschützt waren. Dagegen führte die Steroidgabe bei intaktem E47 zu den bekannten unerwünschten Stoffwechselveränderungen. 

Die Ergebnisse haben die Forscherinnen vor Kurzem in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Sie hoffen nun, dass diese Erkenntnisse in die Entwicklung von Glucocorticoid-Therapien mit weniger Nebenwirkungen einfließen können.

Auch andere Arzneistoffe sind diabetogen

Neben den Glucocorticoiden wirken weitere häufig eingesetzte Arzneistoffe diabetogen. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen wären dann sinnvoll; doch nicht immer findet man in den Fachinformationen entsprechende Hinweise. Vorsicht geboten ist beispielsweise bei Hypertonikern, die mit nicht selektiven Betablockern wie Carvedilol und Propranolol und/oder Thiazid-Diuretika wie Hydrochlorothiazid behandelt werden. Bei letzteren wird die Nebenwirkung auf eine Erhöhung der hepatischen Insulinresistenz und die Stimulation der Glucosefreisetzung aus der Leber zurückgeführt. Broncholytika wie Bambuterol, Clenbuterol und Terbutalin wirken hyperglykämisch, weil sie durch Stimulation von ß2-Rezeptoren die Glykogenolyse in Leber und Muskulatur anregen.

Verschiedene Psychopharmaka und Antikonvulsiva mit einer Gewichtszunahme als Nebenwirkung können ebenfalls die Manifestation eines Diabetes mellitus begünstigen. Deshalb sollten Patienten nach Ein- oder Umstellung auf Wirkstoffe wie beispielsweise Clozapin, Olanzapin, Mirtazapin, Mianserin, Carbamazepin, Valproinsäure oder Lithium diesbezüglich besonders beobachtet werden. Als ein Mechanismus der diabetogenen Wirkung von Statinen (vor allem Simvastatin, Atorvastatin) wird eine Reduktion der Insulinsekretion diskutiert. Der Effekt ist wahrscheinlich dosisabhängig. Ebenfalls dosisabhängig diabetogen wirken Ciclosporin und Tacrolimus, wahrscheinlich durch eine toxische Wirkung auf die Beta-Zellen des Pankreas. Auch das bei Organtransplantationen eingesetzte Sirolimus hemmt die Insulinsekretion. Auch bei antiretroviralen Wirkstoffen muss mit negativen Wirkungen auf den Glukosestoffwechsel gerechnet werden. Beispiele sind der Protease-Inhibitor Lopinavir sowie die NRTI Didanosin, Stavudin und Zidovudin. Levothyroxin erhöht in niedrigen Dosierungen die Glykogensynthese und kann dadurch einen latenten Diabetes mellitus klinisch manifest werden lassen. Auch die Wirkung von Antidiabetika wird abgeschwächt.


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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