Testkäufer überführt Urologen

Apotheker stoppt Sildenafil-Abgabe in der Arztpraxis

Berlin - 27.02.2019, 17:50 Uhr

Ein Arzt verkaufte in seiner Arztpraxis Sildenafil an seine Patienten, ein Apotheker klagte und bekam Recht. (j/Foto: Imago)

Ein Arzt verkaufte in seiner Arztpraxis Sildenafil an seine Patienten, ein Apotheker klagte und bekam Recht. (j/Foto: Imago)


Verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion können hierzulande ausschließlich über Apotheken legal bezogen werden. Ein Urologe in Sachsen sah die Sache allerdings lockerer und gab die fraglichen Mittel auch direkt an Patienten ab. Was zunächst nur der Verdacht eines Apothekers war, belegte in der Folge ein Testkauf. Nun hat das Landgericht Leipzig den Mediziner zur Unterlassung verurteilt.

Ein Apotheker aus dem Landkreis Leipzig hat einen in seiner Nachbarschaft niedergelassenen Urologen wegen der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel vor dem Landgericht Leipzig auf Unterlassung verklagt. Zudem machte er einen Auskunfts- und Feststellungsanspruch geltend, um den Mediziner auch auf Schadenersatz in Anspruch nehmen zu können. Das Gericht gab seinem Begehren weitgehend statt.

Was war geschehen?

Der Apotheker hatte den Verdacht, dass der Arzt verschreibungspflichtige Arzneimittel an Patienten abgibt. Daraufhin beauftragte sein Anwalt einen „Test-Patienten“: Ein Mann sollte in der Praxis des Urologen erscheinen, eine psychisch bedingte erektile Dysfunktion vortäuschen und sodann gegebenenfalls ein Arzneimittel kaufen. So geschah es auch. Der vermeintliche Patient erklärte gegenüber dem Arzt, dass er seit Monaten an einer Depression und an Erektionsproblemen leide und deshalb gerne Viagra ausprobieren würde. Der Mediziner untersuchte den Mann, schloss physische Ursachen für das vorgegebene Leiden aus und erklärte sodann, dass er ihm entweder ein Arzneimittel verschreiben oder aber direkt an ihn abgeben könne. Der Test-Patient entschied sich für letzteres, woraufhin der Arzt ihm aus einer Liste von Potenzmitteln vorlas und erklärte, dass er diese alle in verschiedenen Packungsgrößen vorrätig habe. Schließlich erwarb der Mann eine Packung Soldaristo 100 mg mit zwölf Tabletten für 30 Euro. Die beiden Männer verständigten sich, dass in die Rechnung für die Behandlung als Behandlungszweck „Hodenkrebsvorsorge“ eingetragen werde. Für diesen Arztbesuch und Testkauf erhielt der Mann vom Anwalt des Apothekers 60 Euro plus 30 Euro für das Medikament.

Erfolglose Abmahnung

Der Pharmazeut ließ den Arzt zunächst abmahnen – als dieser keine Unterlassungserklärung abgab, erhob er Klage. Er sieht nicht nur den gesetzlich vorgeschriebenen Vertriebsweg über Apotheken verletzt und dadurch einen Unterlassungsanspruch gegeben. Er machte auch geltend, dass in seiner Apotheke weniger urologische Verschreibungen eingelöst würden als es bei anderen Apotheken in der Nachbarschaft von Urologen üblich sei. Um den genauen Schaden feststellen zu können, begehrte er Auskunft, wann der Arzt welche Arzneimittel abgegeben hat. Überdies, wollte er wissen, wer ihm diese Arzneimittel verschafft. Sodann sollte das Gericht feststellen, dass der Mediziner zum Schadenersatz verpflichtet ist. Zudem verlangte der Apotheker die Anwalts- und Abmahnkosten zurück, ebenso die 90 Euro für den Testkäufer. Der beklagte Arzt stritt alle Vorwürfe ab und beantragte, die Klage abzuweisen.

Gericht kann am Testkauf nichts anstößiges finden

Lediglich den Auskunftsanspruch hinsichtlich der Bezugsquelle der Arzneimittel versagte das Gericht dem Apotheker – denn dies sei für die Ermittlung des Schadens nicht nötig. Alle anderen Begehren hielten die Richter dagegen für begründet. Der Mediziner habe insbesondere gegen § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz verstoßen – er hat nämlich ein Arzneimittel abgegeben, das nur von einer Apotheke hätte abgegeben werden dürfen. Die verletzte Norm sei eine Marktverhaltensregel und der Verstoß dagegen spürbar, sodass ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegeben sei. Auch eine Wiederholungsgefahr nahm das Gericht an – eine solche habe der Beklagte nicht ausgeräumt, insbesondere habe er keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Das Gericht führt zudem aus, dass der Arzt nicht geltend machen könne, zu seinem Verhalten provoziert worden zu sein und Ansprüche gegen ihn deshalb nach den Grundsätzen von Treu und Glauben versagt seien. In einem normalen Testkauf sei kein unlauteres oder sonst gesetzwidriges Handeln zu sehen, heißt es im Urteil. Vielmehr seien Testkäufe ein „weithin unentbehrliches Mittel zur Überprüfung des Wettbewerbsverhaltens von Mitbewerbern“.

Gericht bejaht Schadenersatzpflicht

Auch eine Schadenersatzpflicht nahm das Gericht an: Der Arzt habe vorsätzlich eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen und sei damit zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Apotheker aufgrund des Verkaufs verschreibungspflichtiger Arzneimittel in der Arztpraxis entstanden ist (§ 9 UWG). Vorliegend sei ein solcher Schaden durchaus wahrscheinlich. So habe auch der Steuerberater des Apothekers darauf hingewiesen, dass dessen Umsatz mit vom beklagten Arzt verschriebenen Arzneimitteln hinter dem anderer Apotheken zurückbleibe, die ebenfalls eine urologische Praxis in der Nachbarschaft haben. Zudem: Nachdem die Abmahnung ausgesprochen wurde, sei der Umsatz mit vom Beklagten verordneten Arzneimitteln wieder gestiegen.

In welcher Höhe der Schadenersatz zu leisten ist, ist allerdings noch zu klären. Erst einmal muss der Mediziner Auskunft erteilen, welche rezeptpflichtigen Arzneimittel er an seine Patienten abgab oder verkaufte – aufgeschlüsselt nach Monaten und Arzneimitteln.  

Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. Februar 2019, Az.: 05 O 1614/18



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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