Schließungen, hohes Durchschnittsalter

Die Ausdünnung des Apothekenmarktes – am Beispiel des Landkreises Kassel

München/Berlin - 26.02.2019, 07:00 Uhr

Immer weniger Apotheken: Die sinkende Apothekenzahl trifft auch den Landkreis Kassel, hinzu kommt eine besonders hohe Zahl von Apothekern, die ins Rentenalter kommen. (Foto: dpa)

Immer weniger Apotheken: Die sinkende Apothekenzahl trifft auch den Landkreis Kassel, hinzu kommt eine besonders hohe Zahl von Apothekern, die ins Rentenalter kommen. (Foto: dpa)


Kammer: Apotheken hängen von Ärzten ab

Eine wesentliche Ursache für die Ausdünnung mit Apotheken im ländlichen Raum sieht HAV-Sprecherin Förster darin, dass auf dem Land auch die Zahl der Ärzte seit Jahren abnimmt. Für Apotheker gebe es aber eine massive Abhängigkeit von vor Ort niedergelassenen Ärzten. „80 Prozent der Umsätze machen die Apotheken mit verordneten Arzneimitteln“, so Förster. Viele Jung-Apotheker, so Förster, würden außerdem das Angestelltenverhältnis der Selbstständigkeit vorziehen und weder eine Apotheke gründen, noch übernehmen wollen. Stattdessen würden sich viele für eine Tätigkeit in der Pharmaindustrie entscheiden - „das ist ein Problem.“

Der Verband selbst sieht nur begrenzte Möglichkeiten, die Lage in der Fläche zu verbessern. „Wir können ja keine Apotheken auf das Land bringen“, sagt Förster gegenüber DAZ.online. Die Sprecherin verweist allerdings auf bundesweit laufende Projekte, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen sollen. Dazu zähle die Kampagne „Unverzichtbar, sichere Perspektive für junge Apotheker“, die die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken betont und von Landräten und Bürgermeistern aus ganz Deutschland unterstützt wird. So auch von Uwe Schmidt, dem Landrat im Kreis Kassel. „Für uns sind Apotheken ein ganz wichtiger infrastruktureller Faktor“, stellte Harald Kühlborn, Sprecher des Landkreises Kassel, gegenüber der HNA fest. „Sie erfüllen eine Beratungsfunktion für den Bürger. Das Internet leistet dies nicht.“ Mit der Teilnahme an der Plakatkampagne wolle man die Menschen in den Orten für das Thema sensibilisieren.

Für einen wichtigen Baustein hält Verbandssprecherin Förster auch die im vergangenen Jahr durch die Apothekerverbände Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen zusammen mit dem Apothekenrechenzentrum Darmstadt entwickelte digitale Rezeptsammelstelle. Im Gegensatz zu den vielfach auf dem Lande vorhandenen traditionellen Rezeptsammelbriefkästen biete die digitale Version den Vorteil, dass Rezepte deutlich schneller bearbeitet und die Arzneimittel an die Patienten ausgeliefert würden.

Verordnungen fotografieren

Ein weiteres Hilfsmittel zur Sicherung der ländlichen Versorgung mit Arzneimitteln stellt laut Förster die App Apojet dar, die ebenfalls in Kooperation des HAV und des Apothekenrechenzentrums Darmstadt entwickelt worden sei. Dabei könnten Patienten durch das Scannen eines Barcodes mit ihrem Smartphone ihre Stammapotheke festlegen, an die Vorbestellungen übermittelt werden sollen. Erhalten sie eine Verordnung, könnten sie diese mit ihrem Smart Phone fotografieren und an ihre Stammapotheke übermitteln. Auch Text- und Sprachnachrichten könnten gesendet werden. Die Apotheke antworte umgehend, wann das Arzneimittel abgeholt oder, im Bedarfsfall, nach Hause gebracht werden könne. Die Patienten profitierten so von einer schnelleren Versorgung mit ihren benötigten Arzneimitteln.

Eine Ursache für die Tatsache, dass sich viele Jung-Apotheker nicht mehr selbstständig machen wollen, kann aber auch der Verband nicht beheben – die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. „Es fehlt an Planungssicherheit“, so Förster in der HNA. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2016 zu Rx-Boni seien unfaire Wettbewerbsbedingungen zu Lasten der öffentlichen Präsenzapotheken entstanden. Auch die Unklarheit, wie sich die Vergütung in der Zukunft entwickeln wird, spiele eine Rolle, so die Sprecherin.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Einwohnerzahl Stadt Kassel

von Joachim Schulz am 26.02.2019 um 13:26 Uhr

Eher eine Anmerkung, als ein Kommentar:
Die Stadt Kassel hat 205.076 Einwohner (Stand 31.12.2018 Quelle: Serviceportal Stadtverwaltung Kassel)
Daraus folgt, dass die verbliebenen 53 Apotheken in der Stadt im Schnitt je 3.869 Einwohner versorgen.
Als ich die Stern-Apotheke im Jahr 1990 in Kassel übernommen habe, waren es, bei ca. 195.000 Einwohnern, 71 Apotheken im Stadtgebiet.
Davon befanden sich 16 in der Innenstadt (PLZ 34117). Heute sind es dort noch 7 Apotheken.

Joachim Schulz Stern-Apotheke am Hbf. Kassel

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