Brexit

Kein Ausstieg aus dem Mietvertrag: EMA drohen 21 Jahre doppelte Miete

Remagen - 25.02.2019, 10:15 Uhr

Die EMA zieht aus dem Hauptquartier in London aus, aus dem Mietvertrag kommt sie aber wohl nicht. ( r / Foto: dpa)

Die EMA zieht aus dem Hauptquartier in London aus, aus dem Mietvertrag kommt sie aber wohl nicht. ( r / Foto: dpa)


Erst vor zwei Jahren hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in London ganz neue Räumlichkeiten bezogen, mit der Perspektive, dort bis 2039 zu bleiben. So sah es jedenfalls der langfristig abgeschlossene Mietvertrag vor. Aber die Briten wollten raus aus der EU. Damit musste die EMA raus aus London, und wer zahlt nun die „Zeche“ bzw. die Miete? Ein Ausstieg sei nicht möglich, hat ein britisches Gericht jetzt entschieden.

Für die Europäische Arzneimittelagentur wird das Jahr 2019 ohne Zweifel zum schwersten seit ihrem 24-jährigen Bestehen. Zweimal muss umgezogen werden, einmal über den Ärmelkanal und dann noch mal innerhalb von Amsterdam. Dabei liegt der letzte Umzug, quasi um die Ecke, noch gar nicht so lange zurück. Erst im August 2014 war die Agentur in einen Neubau am Churchill Place 30 in der Londoner Canary Wharf verlegt worden, nachdem der Mietvertrag am Westferry Circus ausgelaufen war.

Am 26. Januar 2015, dem 20sten Jahrestag des Bestehens der Agentur, war der neue Hauptsitz feierlich bezogen worden. Der Mietvertrag mit der Canary Wharf Group sollte über 25 Jahre gehen, und zwar ohne Ausstiegsklausel. Wie dem EMA-Jahresbericht 2014 zu entnehmen ist, startete der Vertrag am 1. Juli 2014. Dort wird eine Jahresmiete in Höhe von knapp 15 Millionen Euro angeben und der Finanzrahmen des „Project 2014“, das heißt der Verlegung der Agentur innerhalb Londons über die gesamte Mietdauer hinweg wird, inklusive einer Erweiterung der Räumlichkeiten im Jahr 2018 mit rund 565 Millionen Euro beziffert.

Provisorisch 14 Millionen Euro ins Budget eingestellt

Für die Jahre 2015 bis 2018 waren dann Mietbeträge zwischen etwa 13,5 und 17 Millionen Euro in den Budgets ausgewiesen. Im Jahresbudget der Agentur für 2019, das sich auf rund 333 Millionen Euro beläuft, sind nur knapp 3,7 Millionen Euro an Mietkosten vorgesehen. Allerdings findet sich darin als vorläufige Mittelzuweisung ohne Bestimmungszweck ein Betrag in Höhe von 14,4 Millionen Euro. In keinem Finanzjahr davor hatte es an dieser Stelle provisorische Zuweisungen gegeben. Das neue endgültige Domizil in Amsterdam, das im November 2019 übergeben werden soll, soll laut Jahresbericht 2017 der Agentur 10,2 Millionen Euro Miete kosten. In Amsterdam wird es also ein bisschen billiger.

„Brexit war unwahrscheinlicher als ein Erdbeben in London“

Verständlich, dass die EMA angesichts dieser Perspektive versucht hat, aus dem Mietvertrag in London herauszukommen, aber der Vermieter legte sich quer, zog vor Gericht und bekam jetzt Recht. Nach aktuellen Presseberichten hat ein britisches Gericht die vorzeitige Kündigung des Vertrags durch die EMA abgeschmettert.  

In der Anhörung hatte die Europäische Arzneimittelbehörde argumentiert, dass der Mietvertrag durch Großbritanniens bevorstehenden Austritt aus der EU durchkreuzt („frustrated“) worden sei, ein juristischer Begriff, der bedeutet, dass die Grundlage der Vertragsunterzeichnung sich aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses verändert habe, so dass es unmöglich sei, diese zu erfüllen. Bei den Mietvertragsverhandlungen sei es um Bestimmungen für „Erdbeben, Explosionen und Terrorismus“ gegangen, aber nicht um den Brexit. Der Brexit sei weniger wahrscheinlich gewesen als „ein Erdbeben im Osten Londons".  

Keine Sonderbehandlung für EU-Institutionen

Die Richter folgten dem nicht und befanden, der Übergang Großbritanniens zu einem Nicht-Mitgliedstaat der EU sei kein „frustrating event“. Deshalb müsse die EMA ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag weiterhin nachkommen. In seinem 95-seitigen Urteil legt der Richter außerdem dar, dass die Agentur den Mietvertrag nach englischem Recht unterschrieben habe und ihren Verpflichtungen nicht einfach dadurch entkommen könne, weil sie eine Agentur der Europäischen Union sei.

Erfreuliche Nachricht für den Immobilienmarkt

„Dass der Richter so entschieden hat, ist eine erfreuliche Nachricht für den Immobilienmarkt und den Rechtssektor, denn er bringt mehr Sicherheit hinsichtlich der Auswirkungen des Brexit auf Verträge,“ kommentiert Ben Hatton, Anwalt der Kanzlei Clifford Chance für die Canary Wharf Group die Entscheidung. Damit wird nach Einschätzung britischer Anwälte ein wichtiges Exempel für Banken und andere Unternehmen statuiert, die sich ebenfalls mit dem Gedanken tragen könnten, ihre Mietverträge mit Bezug auf den „Brexit“ vorzeitig zu kündigen.

Für die EMA bedeutet das nun 21 Jahre doppelt Miete zahlen, aber ein Schlupfloch gibt es vielleicht noch: Der Richter am High Court hat bestätigt, dass die Agentur die Räumlichkeiten in London mit Einwilligung des Vermieters untervermieten könne.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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