Light-Apotheken, Apothekenbusse, Honorar-Absenkung

BKK-Verband: Apotheker erhalten 530 Millionen Euro aus der Gießkanne

Berlin - 19.02.2019, 13:10 Uhr

Der BKK-Dachverband hat Angst, dass die Apotheken zu viel Geld ohne Leistung kriegen. (c / Quelle: BKK Magazin)

Der BKK-Dachverband hat Angst, dass die Apotheken zu viel Geld ohne Leistung kriegen. (c / Quelle: BKK Magazin)


Der BKK-Dachverband protestiert heftig gegen die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgestellten Pläne zur Reformierung des Apothekenmarktes. In einem Politik-Magazin des Verbandes heißt es, dass die Politik die Apotheker nach dem Gießkannenprinzip besserstellen wolle, ohne dafür neue Versorgungsleistungen von den Apothekern zu verlangen. Das Apothekenhonorar solle vielmehr nach dem Modell des 2HM-Gutachtens reformiert werden. Die Landversorgung solle unter anderem durch Apothekenbusse, den Versandhandel und Automaten gestärkt werden.

Die Eckpunkte zur Reformierung des Apothekenmarktes von Jens Spahn (CDU) stoßen nicht nur bei den Apothekern auf Ablehnung, sondern auch im Kassenlager. Während sich der GKV-Spitzenverband mit einer detaillierten Analyse von Spahns Plänen bislang zurückhielt, hat der BKK-Dachverband nun eine ausführliche Stellungnahme formuliert. Im regelmäßig erscheinenden „Magazin für Politik, Recht und Gesundheit im Unternehmen“ beschreiben die Politik-Expertin Kerstin Macherey und die Apothekerin Natalie Kohzer, warum die Pharmazeuten aus ihrer Sicht von der Politik massiv bevorteilt werden sollen – ohne dabei wesentliche Mehrleistungen anbieten zu müssen.

Bevor sie in die Kritik von Spahns Eckpunkten einsteigen, stellen die beiden BKK-Mitarbeiterinnen aber klar, dass sie vehement gegen das im Koalitionsvertrag festgehaltene Rx-Versandverbot sind. Im Artikel ist eine Grafik (s. unten) enthalten, die belegt, dass der Anteil der bei den BKKen abgerechneten Versand-Rezepte seit dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung konstant bei etwa 2 Prozent liegt. Das „Drohszenario“ der Apotheker, dass immer mehr Kunden zum Versandhandel abwandern, sei also nicht zutreffend.

Abbildung 1: Anteil von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die über eine ausländische Versandapotheke bezogen werden, Nettoumsatz von öffentlichen Apotheken für verschreibungspflichtige Arzneimittel. (aus BKK-Magazin)

Doch auch mit Spahns Alternativ-Paket hat der BKK-Verband große Probleme. Beispiel Notdienst-Fonds. Zur Erklärung: Spahn will die Zahlungen der Kassen in den Fonds verdoppeln, sodass Apotheker pro Notdienst nicht mehr etwa 280 Euro, sondern dann etwa 550 Euro erhalten sollen. Der BKK-Dachverband weist dies zurück und verweist auf das 2HM-Gutachten und auf die Monopolkommission. Im Honorar-Gutachten sei darauf hingewiesen worden, dass im Nachtdienst auch OTC-Präparate abgegeben werden – daher sei es „nicht zwangsläufig sinnvoll“ den Fonds nur mit den Einnahmen aus Rx-Präparaten zu füttern. Mit Verweis auf ein Papier der Monopolkommission erklärt der Kassenverband zudem, dass die Notdienstpauschale zu Fehlanreizen führe. Schließlich komme der Zuschlag auch Apotheken zugute, die „zur Sicherstellung der Versorgung nicht erforderlich sind“. Vor allem aber gebe es Fehlanreize, weil die Landesapothekerkammern die Notdienstgebiete selbst abgrenzen. Denn: „Eine engere Abgrenzung von Notdienstgebieten hätte zur Folge, dass mehr Apotheken zu dem entsprechenden Notdienst herangezogen würden und auf den Strukturtopf zugreifen könnten.“

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Der BKK-Verband fordert daher, dass die Ausschüttung zusätzlicher Gelder an Kriterien gebunden werden müsse. Eines dieser Kriterien müsse sein, festzulegen, welche Apotheke überhaupt „erforderlich“ ist für die Versorgung und welche nicht.  Auch bei der Versorgungsrelevanz bezieht sich der Kassenverband erneut auf das 2HM-Gutachten: Dies zeige „interessanterweise“, dass Apotheken in ländlichen Regionen sogar mehr Umsatz machten als Apotheken in städtischen Kreisen. (s. Abbildung)

Abbildung 2: Quelle: Honorar-Gutachten des BMWi, 2018 (aus BKK-Magazin)

Die beiden BKK-Mitarbeiterinnen kritisieren Spahns Eckpunkte aber auch aus strukturpolitischer Sicht. Es fehlten Ideen dazu, wie die Versorgung da gestärkt werden kann, „wo es wirklich nötig ist“. Aus Sicht von Macherey und Apothekerin Kohzer wäre es vielmehr angebracht, die Apothekengründung in ländlichen Regionen zu deregulieren – so könnten die Anforderungen an die Betriebe verringert werden (Laborvorhaltung, Herstellungen, etc.). Aber auch weitere alternative Versorgungsmethoden sind aus Sicht der BKKen denkbar: erweiterte Botendienste, Abholfächer, der Apothekenbus, Apothekenautomaten „und natürlich der Erhalt des Versandhandels auch mit verschreibungspflichtigen Medikamenten“. Ebenso denkbar sei eine Aufhebung der Regel, dass ein Apotheker vor Ort sein muss – schließlich gebe es „Pharmahotlines“ oder Video-Sprechstunden.

Auch bei der von Spahn geplanten neuen Zusatz-Vergütung der Apotheker für pharmazeutische Dienstleistungen melden die BKKen Redebedarf an. Zur Erinnerung: Spahn will die Kassen verpflichten, mit den Apothekern Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen abzuschließen. Die Pharmazeuten sollen damit im Jahr 240 Millionen Euro zusätzlich einnehmen. Die Kassen fordern, dass sich die Apotheker für diese Leistungen „entsprechend qualifizieren“ und diese Zusatz-Qualifikationen auch gegenüber den Kassen nachweisen müssen.

Zusatz-Honorare nur bei gleichzeitiger Fixum-Absenkung

Noch ist völlig unklar, welche Leistungen die Apotheker anbieten könnten. Die ABDA hatte in den vergangenen Wochen mehrfach angekündigt, solche Leistungen zu benennen und dem BMG Vorschläge zu machen. Der BKK-Dachverband kann sich vorstellen, dass es Schulungen für Devices bei Asthma und Diabetes in der Apotheke gibt oder auch AMTS-Checks. Außerdem solle der Medikationsplan nicht mehr nur durch den Arzt, sondern auch von Apotheken erstellt und aktualisiert werden. So sollten die Pharmazeuten einen Wechselwirkungscheck einführen.

Allerdings fordern die BKKen, dass in dem Moment, in dem die Apotheker zusätzlich honoriert werden, das Fixhonorar abgesenkt wird. Mit Verweis auf das Honorargutachten erklärt der Verband, dass das Fixum jetzt schon zu hoch sei und auf 5,84 Euro abgesenkt werden müsste. „Würden besondere Beratungsleistungen gesondert vergütet werden, wäre eine weitere Absenkung des Betrages erforderlich“, heißt es in dem Text. Des Weiteren beschwert sich der Kassenverband auch über die weitere Erhöhung der BtM-Gebühren, die vom BMG geplante neue Honorierung der Impfstoffabgabe sowie darüber, dass Apotheken der neue Vertriebsweg in der Hämophilieversorgung werden sollen – ohne dass sich die Versorgung der Bluter qualitativ verbessere.

Führt man alle geplanten Änderungen zusammen, würden die Apotheker 530 Millionen Euro mehr erhalten, rechnet der Verband vor. Das Resümee des BKK-Dachverbandes: „Fast alle Punkte führen zu einer besseren Vergütung der Apotheken, überwiegend nach dem Gießkannenprinzip verteilt.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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9 Kommentare

Wasser predigen und Wein trinken - Personalkosten GKV

von Heike Nickolay am 19.02.2019 um 21:24 Uhr

Für Personal der KK scheint das Gießkannenprinzip kein Problem zu sein: (Zahlen lt. BMG)
2013: Persönliche Verwaltungskosten 8.580.812.762 € Personal der Krankenkasse insgesamt 135.322
2017: Persönliche Verwaltungskosten 9.800.844.230€ Personal der Krankenkasse insgesamt 135.243

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entweder

von Karl Friedrich Müller am 19.02.2019 um 15:20 Uhr

demagogisch oder strunzdoof.
Wo sind denn die "Mehrleistungen" der Kassenvorstände seit 2004?
Warum sollen wir für weniger Geld mehr leisten? (was wir aber tun, weil ständig neue Leistungen in die stagnierende (in Wirklichkeit sinkende)Vergütung eingepreist werden) Wenn wir den Inflationsausgleich erhielten, hätten wir nicht "mehr", sondern nur das Gleiche.

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Woher der Wind weht....

von Helge Killinger am 19.02.2019 um 14:17 Uhr

.... nämlich daher:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2011/10/31/big-direkt-retaxiert-35-000-euro

Frau Kollegin Natalie Kohzer, Mitautorin des besagten Artikels, machte sich auch schon früher sehr beliebt unter den Offizinkollegen/innen.

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AW: Woher der Wind weht

von Wolfgang Müller am 21.02.2019 um 9:34 Uhr

Hat das jemand weiterverfolgt? Die Argumentation zu den 35.000 Euro Retax und die Gnadenlosigkeit gegenüber dem Kollegen-Einzelschiksal ist dermaßen fast schon pathologisch bösartig, was ist daraus geworden?

Es ist auch vollkommen klar, dass all diese Maßnahmen und vollkommen überzogenen politischen Initiativen - wie im obigen Artikel beschrieben - der GKVen BEWUSST auf die Vernichtung der normalen öffentlichen Apotheken und deren Ersatz durch "Große Strukturen" hinauslaufen. Mit denen man dann "Selektivverträge" abschließen kann. Die GKVen sind diesbezüglich inzwischen ein gut geschmiert auf Hochtouren arbeitendes, vollkommen autoreferentielles System. Leider mit entsetzlichen Einfluss- und Interessenverstrickungs-Wucherungen in bestimmte Kreise der Politik. Und - wie man sieht - auch direkt in unseren Beruf.

Andererseits: Frau Kohzer handelt und kommuniziert gegen die niedergelassenen Apotheker mit eiserner Konsequenz und kühler Professionalität genau so, wie ich es inzwischen von sehr vielen Apotheker_innen auch sehr wohl in standeseigenen und -nahen Institutionen erlebt habe. Die sich ebenfalls in Büros und Sitzungsräumen haupt- und nebenberuflich um Schikanen zur Arbeitserschwerung der Leistungserbringer in der Öffentlichen kümmern. Meist völlig unnötige standeseigene Erschwernisse unserer Existenz, die ich persönlich bekanntermaßen klar schlimmer finde als die ebenfalls vielgehassten Retaxationen und die Rabattverträge.

Genaugenommen muss man Frau Kohzer zu Gute halten, dass Sie im Gegensatz zu diesen ähnlich ausgerichteten Kolleg_innen in unserer eigenen Standespolitik und -Verwaltung ja eine Loyalitätsverpflichtung gegenüber ihren Arbeitgebern, also den GKVen, hat, und nicht gegenüber uns ...... viel besser macht es das bzgl. Frau Kohzer aber auch nicht.

Und jetzt

von Peter am 19.02.2019 um 13:54 Uhr

erkläre mir mal einer, warum EINMALIG XXX Millionen Erhöhung für die Apotheken bäh sind, bei den Ärzten aber eine noch höhere Summe JÄHRLICH normal? Wollten WIR jedes Jahr eine Nullrunde, mit Inflation sogar eine Minusrunde beim Honorar über 15 Jahre lang drehen? Nein, es wurde immer negiert. Diese "Schulden" haben sich jetzt aber leider nunmal in 15 Jahren angehäuft und wirken immens, wir hätten aber keine Diskussion, wenn wir pro Kopf jährlich die gleiche Erhöhung wie die Ärzte beim Honorar genossen hätten. Wer sein "Konto" 15 Jahre lang im Minus lässt zahlt nunmal die Zinsen für diesen Zeitraum, kein Grund zu weinen und es ist arm die Schuld bei der "Bank" zu suchen...16 000 Betriebsstätteneigner, knapp 140 000 Ärzte, Faktor 8,75, 500-750 Mio pro Jahr für die Ärzte, 57 - 85 Mio pro Jahr für die Apotheker. Das Geheule diverser GKVen tangiert mich nicht im Geringsten.

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AW: Und jetzt

von Wolfgang Müller am 21.02.2019 um 9:47 Uhr

Kann ich leicht und - vollkommen ernst gemeint - erklären. Weil bei den Ärzten allgemein von "Höhere Nachfrage als Angebot" ausgegangen wird. Und die Ärzteschaft solche Fragen, genau wie betriebswirtschaftliche Überlebensfragen ganz allgemein, professionell handhabt, und wir nicht.

Würden wir es z. B. endlich einmal schaffen, den Bedarf an einer bestimmten Anzahl Apotheken für eine sinnvolle Flächendeckung überhaupt zu bennenen, schlüssig zu begründen und im Bewusstsein "Der Politik" zu verankern (am Besten: die aktuelle Zahl), insbesondere auch in der bisher sträflich tabuisierten Auseinandersetzung mit dem 2HM-Gutachten, wäre das ein erster Anfang, ähnlich akzeptiert zu werden wie die Ärzte.

Die aktuelle Boni-Diskussion zwingt uns gerdezu dazu, diese BWL-und VWL-Essentials nicht weiter schnöde liegenzulassen. Hoffentlich geschieht da jetzt seitens der "neuen" Januar-ABDA etwas. Es müsste eigentlich jeder kapiert haben, dass wir mit blumigen, unkonkreten, Hochwichtigkeits-strotzenden "Perspektivpapieren" und "Berufsbildern" nur uns selbst beeindrucken, im Überlebenskampf aber keinen Millimeter weiterkommen..

Völlig richtig

von Mathias Mallach am 19.02.2019 um 13:48 Uhr

Ich sehe das genauso wie die beiden Damen. Wo kommen wir denn dahin, wenn die Apotheken schon wieder ne halbe Milliarde Euros abgreifen ? Für nüscht.
Überlege man mal, was man alles mit dieser Milliarde anfangen könnte : Wieviele Milliarden Beitragszahler man damit spürbar entlasten könnte... Und überhaupt: 2 Milliarden auf einmal wieder mehr ? Die Apotheken haben doch gerade erst 3 Millarden bekommen, oder ? Und jetzt schon wieder 4 Milliarden ? Nee, Leute, das könnt Ihr Euch knicken. Wozu braucht eine einzelne Apotheke denn tatsächlich 5 Milliarden ? Kann mir das mal einer erklären ? Also, ich bräuchte 1000 Jahre, um ein Honorar von 6 Milliarden zu verprassen. 7 Milliarden pro Apotheke ? Fürs Schubladenziehen und die popeligen gefühlt nur 500.000 anderen kleinen Aufgaben, die Ihr so tagtäglich absolviert ? Ihr spinnt doch, Ihr Apothekers !

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Vorschlag

von Anita Peter am 19.02.2019 um 13:30 Uhr

Als erstes sollten wir mal den Gesundheitsfonds abschaffen und die Krankenkassenbeiträge komplett freigeben. Wir brauchen dringend mehr Preiswettbewerb bei den Kassen und müssen hier dringend das vorhandene Sparpotential heben.
Ebenso sollten europäische Versicherer zugelassen werden, die sich nicht an deutsches Recht halten müssen und Rosinenpickerei betreiben dürfen. ( Abzug von den jungen, gesunden zu Onlineversicherern in Holland )
Zudem sollten die Gehälter der Vorstände auf das Niveau von 2004 zurückgeführt werden und dort dauerhaft verbleiben.

Keine Schutzzäune und keine Gieskanne mehr für die Krankenkassen!

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AW: Vorschlag

von pille62 am 21.02.2019 um 9:42 Uhr

............freie Kassenwahl in Europa dafür war ich schon vor 15 Jahren und wär angeblich kein Geld hat soll auch keine Erhöhngen seiner Personalkosten oder gar Erfolgsprämien erhalten......

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