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EU-Patentrecht
Neue Generika: Bald aus Deutschland statt aus Indien?
Das EU-Parlament will nun noch stärker an den ergänzenden Schutzzertifikaten für Arzneimittel kratzen. Generika- und Biosimilarherstellern soll durch Änderung einer EU-Verordnung ermöglicht werden, schon vor Ablauf dieses verlängerten Patentschutzes Nachahmerpräparate in Europa zu produzieren – und zwar auch auf Vorrat, um für den Tag 1 nach Patentablauf vorbereitet zu sein.
Die EU-Kommission hat im vergangenen Mai einen Vorschlag
vorgelegt, der es Pharmaunternehmen mit Sitz in der EU erlauben soll, bereits
dann Generika oder Biosimilars herzustellen, wenn für das Original-Präparat noch das
ergänzende Schutzzertifikat (Supplementary Protection Certificates – SPC) gilt.
Das SPC ist ein europäischer verlängerter Patentschutz. Es sorgt derzeit dafür,
dass während seiner Geltungsdauer „Nachahmer“ nur außerhalb der EU in Ländern
hergestellt und vertrieben werden dürfen, in denen kein Patentschutz für das Arzneimittel
besteht. Das führt dazu, dass die ersten Generika, die nach einem Patentablauf auf den europäischen Markt kommen, häufig aus Ländern wie Indien stammen.
Doch das soll sich ändern. Dazu soll die EU-Verordnung über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel modifiziert werden – und zwar noch stärker als im Mai vergangenen Jahres angedacht. Zunächst ging es nämlich nur darum, Unternehmen mit Sitz in der EU während der Geltungsdauer des Zertifikats die Herstellung generischer oder biosimilarer Arzneimittel zu erlauben, wenn diese Produktion für die Ausfuhr in ein Nicht-EU-Land bestimmt ist, in dem der Schutz abgelaufen ist oder nie existiert hat.
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Vorschlag der EU-Kommission
Generika und Biosimilars trotz Schutzzertifikat
Beim Branchenverband Pro Generika erklärte man schon im Mai, dass dieser geplante sogenannte Manufacturing Waiver „ein erstes, wichtiges und vor allem überfälliges Signal“ sei. Allerdings hatte sich Pro Generika mehr erhofft: Nämlich die Möglichkeit, auch diejenigen Medikamente hierzulande herzustellen zu können, die am Tag nach Ablauf aller Schutzrechte für die Versorgung in Deutschland benötigt werden – also auf Vorrat für den heimischen Markt (sog. Stockpiling Waiver). Dies war im Vorfeld des Kommissionsvorschlags diskutiert, dann aber doch nicht umgesetzt worden.
Kordula Schulz-Asche hakt nach
Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche hatte sich schon frühzeitig nach dem ersten Kommissionsvorschlag bei der Bundesregierung erkundigt, ob sie sich für eine solche Ergänzung zur Vorratsproduktion für den europäischen Markt einsetzen würde. Aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) kam dabei das Signal, man prüfe diesen Vorschlag „intensiv“. Denn der Rechtsrahmen für den Patentschutz für Arzneimittel auf europäischer Ebene müsse ausgewogen gestaltet werden. Das Bundesgesundheitsministerium zeigte sich hingegen schneller bereit, sich für eine solche Erweiterung stark zu machen – hier hatte man offensichtlich eher Versorgungsaspekte vor Augen.
Schulz-Asche
hakte im Januar nochmals im BMJV nach, wie es
um die „intensive“ Prüfung stehe. In der
Antwort hieß es daraufhin: „Die Bundesregierung wird die
Trilogverhandlungen
mit dem
Ziel einer entsprechenden Erweiterung des Verordnungsvorschlags
konstruktiv unterstützen, sollte das Europäische Parlament die
Ausdehnung der Ausnahme vom Patentschutz auch auf die
Vorratsproduktion (Stockpiling Waiver) fordern“. Die Grünen Politikerin
zeigte sich erfreut: „Schön, dass sich nun auch die Bundesregierung
nach den
etlichen Fragen und Berichtswünschen, die wir hierzu gestellt haben, für
das Stockpiling
ausspricht. Die Vernunft scheint in diesem Fall mal
gesiegt zu haben“.
Bundesregierung und EU-Ausschüsse pro Vorratsproduktion
Und tatsächlich haben sich mittlerweile sowohl der Rechts- als auch der Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments (JURI und ENVI) für das Stockpiling ausgesprochen. Nun gilt es, im Rahmen der Trilogverhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Mitgliedstaaten und der Kommission eine tragfähige Einigung zu der Änderungsverordnung zu finden. Das BMJV bestätigte auf Nachfrage von DAZ.online, dass die Bundesregierung eine „abgestimmte Haltung“ zu der Erweiterung der Änderungsverordnung auf das Stockpiling habe. Aus Sicht der Regierung müsse allerdings ein adäquater Ausgleich gestaltet werden, der auch die Interessen der forschenden Arzneimittelindustrie wahre – etwa durch einen engen zeitlichen Rahmen in Verbindung mit entsprechenden Notifikationspflichten und Kennzeichnungsvorgaben.
Forschende Hersteller gegen Aufweichung des Patentschutzes
Die forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland und Europa lehnen bislang jede Aufweichung des Patentschutzes in Europa strikt ab: Dies wäre ein „industriepolitischer Nackenschlag für eine der vitalsten Branchen Europas“, heißt es beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Dass die Versorgung hierdurch besser würde, hält man für kein schlagendes Argument: Es sei in der Gesundheitsversorgung der Europäer kein Problem bekannt, das dadurch verursacht wäre, dass Generika-Firmen nicht vor Ablauf der Marktexklusivität des Originalmedikaments produzieren könnten.
Pro Generika: Alle Hersteller mit deutscher Produktion profitieren
Dagegen spricht für Pro Generika sehr viel für die Vorratsproduktion: Standort und Versorgungssicherheit würden gestärkt, zudem würde mehr nach deutschen Sozial- und Umweltstandards produziert. Selbst Originalhersteller mit Biotech-Produktion in Deutschland, die Auftragsproduktion für andere Unternehmen betreiben, würden profitieren. Die Sorge um eine mögliche Aushöhlung geistigen Eigentums kann man bei Pro Generika nicht nachvollziehen. Schließlich würden Patentschutz und SPC nicht um einen einzigen Tag gekürzt. Zudem: Generika gebe es schon heute meist am Tag 1 nach Patentablauf in deutschen Apotheken – nur eben nicht aus hiesiger Produktion, sondern als Importe aus Indien.
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