Balsam für die Glieder

Wie Wärmesalben Schmerzen und Verspannungen Einhalt gebieten

Stuttgart - 12.02.2019, 12:30 Uhr

Bei bestimmten Schmerzen kann Wärme wohltuend sein. ( r / Foto: C. Schüßler / stock.adobe.com)

Bei bestimmten Schmerzen kann Wärme wohltuend sein. ( r / Foto: C. Schüßler / stock.adobe.com)


Ob fehlerhafte Beanspruchung und Haltung, zu wenig Bewegung oder schlicht und ergreifend die Abnutzungserscheinungen im Rahmen des Älterwerdens. Die Ursachen für schmerzende Muskeln und Gelenke im Alltag sind vielfältig und nicht wenige sind davon betroffen. Häufig verlangen auch Kunden in den Apotheken nach Cremes und Salben, Gelen und Pflastern oder Tabletten, um die Schmerzen im Bewegungsapparat zu lindern. Neben NSAR-haltigen Arzneimitteln werden dabei auch Wärmepräparate gern benutzt.

Kirschkernkissen oder Wärmflaschen spenden zwar wohltuende Wärme, zwingen den Anwender allerdings zur Ruhe und das, obwohl Bewegung kombiniert mit Wärme in vielen Fällen den größten Effekt der Besserung erzielt, da einer Schonhaltung und einer daraus resultierenden Versteifung der Körperpartie vorgebeugt wird. Um die Mobilität nicht einschränken zu müssen, hat die Apotheke einiges an Wärmesalben oder Wärmepflastern im Repertoire.

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Mit Wärmepflastern Schmerzen lindern

Tiefenentspannt

Die lokale Anwendung empfiehlt sich besonders bei Muskelverspannungen und chronischen Schmerzen, beispielsweise durch rheumatische Arthritis oder durch Arthrose bedingt. Die aufgebrachte Wärme sorgt für eine gesteigerte Durchblutung, den Abtransport von Stoffwechselprodukten im Gewebe und zu einer vermehrten Produktion von Immunzellen. Diese Effekte entsprechen einem neurogenen Entzündungsgeschehen als Reaktionen auf die aufgetragenen Wirkstoffe. Rötung, ein leichtes Brennen und Juckreiz sollten dabei – wenn in einem normalen Maß aufgetreten  ̶  nicht als Unverträglichkeit, sondern als Zeichen der Wirksamkeit gedeutet werden. Durch die wirksamen Bestandteile der Wärmesalben wird unter anderem eine Ausschüttung des Neuropeptids Substanz P forciert, das an den Nozizeptoren zunächst die Entzündungskaskade befeuert. Dadurch steigt die Durchblutung, die Muskulatur wird gelockert und Entzündungsherde werden aktiv bekämpft. Einige der Wirkkomponenten in Wärmesalben oder -cremes besitzen zusätzlich zu den durchblutungsfördernden Eigenschaften, die Fähigkeit antinozizeptiv und desensibilisierend zu wirken und so die Empfindlichkeit für Schmerzen zu schmälern. Auf diesem Weg wirkt Capsaicin – ein Alkaloid aus Paprikaarten, das bei Menschen ein Wärme- und Schärfegefühl auslöst. Gelangt es auf die Haut und deren Nervenendigungen, aktiviert es den TRPV1-Kanal (transient receptor potential vanilloid subtype 1) und führt so zu einer Erhöhung der Calciumkonzentration in den Nozizeptoren. Dadurch bedingt wird ein Aktionspotential ausgelöst. Unter anderem wird Substanz P freigesetzt und die Schmerzschwelle erhöht. Der Anwender empfindet dies als gelinderten Schmerz, zusätzlich wird das Entzündungsgeschehen bei regelmäßigem Auftragen gemildert.

Capsaicin: Der Klassiker

Diesen Effekt machen sich einige bekannte Produkte zu Nutze. Die Finalgon® CPD mit Cayennepfeffer-Dickextrakt enthält 53 mg Capsaicinoide, berechnet als Capsaicin, pro 100 g Zubereitung und ist damit in der Konzentration weit vorn angesiedelt. Finalgon® CPD kann für Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren bei Muskelverspannungen und -schmerzen im Nacken- und Rückenbereich eingesetzt werden. Mit 75 mg Capsaicin pro 100 g Creme wird sie in Sachen Wirkstoffgehalt von der ABC® Wärme Creme getoppt – durch diesen hohen Gehalt ist die Creme für Erwachsene ab 18 Jahren bei schmerzhaften Muskel- und Gelenkbeschwerden, Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen, sowie Durchblutungsstörungen der Haut zugelassen. Thermo Bürger® Salbe und Rheumamed® enthalten etwas niedrigere Konzentrationen, setzen aber ebenfalls auf den Effekt des Capsaicins. Die schmerzstillende Wirkung des zweiten Produkts der Finalgon®-Palette – der Finalgon® Wärmecreme DUO beruht auf zwei Komponenten: Nonivamid, synthetisches Capsaicin-Analogon mit analgetischen Eigenschaften, und Nicoboxil, ein gefäßerweiterndes B-Vitamin. Die Kombination hat einen deutlich spürbaren Effekt und ist somit auf dem Markt eine der stärkst wärmenden Zubereitungen. Die Wärmecreme DUO ist wegen der intensiven Wirkung ebenfalls erst ab 18 Jahren anzuwenden. Durch die heftigen Reaktionen, die sie auf Schleimhäuten auslösen kann, ist Vorsicht geboten – und das gilt für alle Wärmesalben! Mittels Applikator oder behelfsweise Gummihandschuh korrekt aufgetragen, soll sie stark durchblutend und analgetisch bei Muskel- und Gelenkbeschwerden wirken. Wer sich schon einmal mit durchblutungsfördernden Formulierungen vertraut gemacht hat, oder ansonsten eher unempfindlich reagiert, kann zu solch stark wirkenden Cremes greifen. Für Kinder und Kunden mit empfindlicher Haut oder einer sehr geringen Schmerzschwelle sind sie ungeeignet, da die Anwendung die Haut reizt und oft als brennend oder unangenehm empfunden wird. Auch Schwangere und Stillenden sollten von diesen Wirkstoffkonzentrationen Abstand nehmen. Nur der Vollständigkeit halber sei das dritte Produkt aus der Finalgon®-Familie aufgeführt:

Finalgon® 4mg/g + 25mg/g Salbe (Nonivamid + Nicoboxil), die nur zur Förderung der Hautdurchblutung vor der kapillaren Blutentnahme (Ohrläppchen oder Fingerkuppe) zugelassen ist.

Gibt es auch was Pflanzliches?

Andere Hersteller bedienen sich der entzündungshemmenden, hyperämidisierenden und dadurch wärmenden Eigenschaften von Pflanzenextrakten und/oder ätherischen Ölen. Der Kytta® Wärmebalsam ist sicherlich in den meisten Apotheken zu finden und oft empfohlen. Früher unter „Kytta® Balsam F“ als Arzneimittel im Handel, ist die Zubereitung jetzt aus Zulassungsgründen als Kosmetikum auf dem Markt. Was steckt drin? Neben ätherischen Ölen aus Eukalyptus, Fichtennadeln und Lavendel bilden Methylnicotinat und der für Kytta® bekannte Beinwellwurzel-Extrakt die Wirkkomponenten. Das enthaltene Allantoin fördert die Penetration in tiefere Hautschichten, Methylnicotinat und die enthaltenen Öle wirken durchblutungsfördernd, während der Beinwellwurzel reizlindernde, schmerzstillende und entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben werden.

Wie wirken Campher und Arnika?

Die ätherischen Öle, die sich auch in zahlreichen anderen wärmenden Salben finden, wirken lokalanästhetisch über Interaktion mit Kanälen und entzündungshemmend, indem sie in die Zellproliferation eingreifen. Sie modulieren somit das Schmerzgeschehen. Sie sind in unterschiedlicher Zusammensetzung in Tiger Balm® Rot N, Pferdesalben und einigen anderen freiverkäuflichen Zubereitungen enthalten.

Oft werden diese durch Campher, ein stark durchblutungsförderndes und lokalanästhetisches Terpen, ergänzt. Racematischer Campher ist in Konzentrationen bis 10 % z.B. in Camphoderm® N verarbeitet und vermittelt einen spürbar wärmenden Effekt. Eine ähnliche Interaktion mit Kanälen wie auch Capsaicin, Menthol und Co. sie eingehen, zeigen auch aromatische Verbindungen wie Vanillyl-Ether in Apothekers Original Wärme Salbe von Dr. Jacoby, erwähntes Methylnicotinat oder das in RÖWO® Wärmesalbe enthaltene Methylsalicylat.

Im Intensiv Wärmebalsam von Kneipp® und Apothekers Original PferdeMedicSalbe findet sich zusätzlich zu ätherischen Ölen noch Arnika. Deren Extrakt als Hauptkomponenten die Sesquiterpenlactone Helenalin und Dihydrohelenalin inklusive Derivaten enthält. Diese binden den Transkriptionsfaktor NFκB in Entzündungszellen und hemmen dadurch die Synthese inflammatorischer Zytokine.

Welche Salbe ist für wen sinnvoll?

Nun sind in den meisten Wärmesalben, die in der Apotheke gängig sind und gerne verkauft werden mehrere Wirkkomponenten enthalten. Es gilt daher zu entscheiden, ob überhaupt und welche Wärmesalbe für die Beschwerden sinnvoll ist oder in welchen Fällen man dem Kunden eher zu anderen Produktgruppen raten würde. Wird das Leiden als akute Muskelschmerzen oder -verspannung oder als chronische Rücken- oder Nackenschmerzen beschrieben, können durchblutungsfördernde und analgetisch wirkende Formulierungen auf pflanzlicher Basis Linderung verschaffen. Sind die Beschwerden zu stark oder die Entzündungszeichen anhaltend, bleibt der Besuch beim Arzt natürlich nicht aus. Wer einen intensiven Wärmeeffekt mag, der auch Gelenkbeschwerden lindert, kann auf die Finalgon®-Produkte bzw. die ABC® Wärme Creme zurückgreifen, diese sind allerdings nicht für empfindliche Haut geeignet und sollten mit großer Sorgfalt genau nach Anweisung angewendet werden.

Beratungshinweise und Präparateübersicht

Allgemeine Hinweise:

  • Es sollte ausprobiert werden, ob bei Gelenkbeschwerden nicht Kälte bessere Abhilfe schafft, besonders bei geschwollenen Körperteilen, Überwärmung oder Sportverletzungen (außer Muskelkater) sollte lieber gekühlt  und/oder ein Arzt kontaktiert werden.
  • Wärmesalben sollten nicht auf Schleimhäute gelangen und nicht auf verletzte oder entzündete Haut aufgebracht werden
  • Wärmesalben stehen im Verdacht ein allergisierendes Potenzial zu haben, sie können also dafür sorgen, dass allergische Hautreaktionen hervorgerufen werden
  • Saunen, heiße Bäder oder aufgelegte Wärme können den Wärmeeffekt unangenehm verstärken und sollten nach Anwendung der Salben vermieden werden
  • Selbiges gilt für Okklusionsverbände
  • Als positiv erwiesen hat sich dagegen das gründliche Einmassieren der Zubereitung auf die betroffene Stelle. Dadurch wird der lindernde Effekt verstärkt.
  • Für leichte Beschwerden im Bewegungsapparat können Wärmesalben mit oralen NSAR kombiniert werden und gebieten somit Schmerzen und Entzündungen Einhalt

Präparate (Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Produkt Wirkkomponenten ggf. Konzentration pro 1 g Zubereitung
Finalgon® Wärmecreme DUO

1,7 mg Nonivamid

10,8 mg Nicoboxil

Finalgon® CPD Wärmecreme  

Cayennepfeffer-Dickextrakt (4–7:1); ethanolischer Auszug entspricht:

0,53 mg Capsaicin

ABC® Lokale Schmerz-Therapie Wärme-Creme Hansaplast med 0,75 mg Capsaicin
Thermo Bürger® Salbe 0,40 mg Capsaicin
Rheumamed® Schmerzsalbe Capsicum 0,50 mg Capsaicin
RÖWO® Wärmesalbe

Cayennepfeffer

Methylsalicylat

Kytta® Wärmebalsam

(Kosmetikum)

350 mg Beinwellextrakt aus frischen Wurzeln, Droge-Extrakt-Verhältnis 1:2, Auszugsmittel: Ethanol 52% (m/m)

12 mg Methylnicotinat

ätherische Öle

Camphoderm® N 0,1 g Campher rac.
Kneipp® Intensiv Wärme Balsam mit Arnika   

Arnika

äth. Öle

Campfer

Vanillyl-Ether

Apothekers Original

PferdeMedicSalbe

(Medizinprodukt)

Arnika

Campfer

Menthol

Gaultheria-Öl

Rosmarin

Tiger Balm® Rot N

Campher rac.
Levomenthol
Kajeputöl

Kassienöl
Pfefferminzöl

Gewürznelkenöl




Ariane Gerlach, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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