Von Schildkröten inspiriert

Insulinkapsel schlucken und trotzdem injizieren

Remagen - 11.02.2019, 14:30 Uhr

Die Kapsel kann sich selbst ausrichten. Die Wissenschaftler haben sich das von der Leopardenschildkröte abgeschaut. (Foto:                                 
                                        


                                        Sibylle

                                        
                                / stock.adobe.com)

Die Kapsel kann sich selbst ausrichten. Die Wissenschaftler haben sich das von der Leopardenschildkröte abgeschaut. (Foto: Sibylle / stock.adobe.com)


Einen Wirkstoff zuerst schlucken und dann trotzdem injizieren? Wie soll das denn gehen? Dies fragt man sich zu Recht angesichts der neuen Entwicklung eines Teams von Wissenschaftlern unter der Leitung des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Ein innovatives Freisetzungsvehikel könnte möglicherweise die Injektionen ersetzen, die sich Menschen mit Typ-1-Diabetes täglich selbst geben müssen.

Ein Forschungsteam unter der Leitung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat eine neuartige Darreichungsform entwickelt, mit der Insulin oral gegeben, dann aber trotzdem intern injiziert werden könnte, und zwar eigenständig und direkt aus dem Freisetzungsvehikel in die Magenwand. Die Wissenschaftler beschreiben ihre „Erfindung“ im Detail in der Fachzeitschrift Science und erläutern in einer gesonderten Mitteilung,  was es damit auf sich hat

Gefriergetrocknetes Insulin in Nadelform

Das Vehikel mit Namen „self-orienting millimeter-scale applicator“ (SOMA) ist eine Kapsel, etwa so groß wie eine Heidelbeere. Diese enthält eine kleine Nadel, die zu fast einhundert Prozent aus komprimiertem, gefriergetrocknetem Insulin besteht. Die Nadel ist innerhalb der Kapsel an einer zusammengedrückten Feder befestigt, die durch eine Scheibe aus Zucker an Ort und Stelle gehalten wird. Wird die Kapsel verschluckt, so löst sich die Zuckerscheibe im wässrigen Magenmilieu auf. Dadurch wird die Feder ausgelöst und die Nadel dringt in die Magenwand ein. Der Schaft der Nadel, der nicht in die Magenwand eindringt, besteht aus einem anderen biologisch abbaubaren Material. Die Magenwand hat keine Schmerzrezeptoren. Daher glauben die Forscher, dass Patienten die Injektion nicht fühlen könnten. 

Von einer Schildkröte abgeguckt

„Wichtig ist, dass die Nadel bei der Injektion Kontakt mit dem Gewebe hat“, erklärt der Erstautor der Publikation, MIT-Student Alex Abramson. Um dies sicherzustellen, wurde das System so konzipiert, dass sich die Kapsel, egal wie sie im Magen landet, von alleine entsprechend ausrichten kann. Die Inspiration für diese Selbstorientierung gewannen die Wissenschaftler von der Leopardenschildkröte, die in Afrika zu finden ist. Die Schildkröte hat eine Schale mit einer hohen, steilen Kuppel. Dadurch kann sie sich selbst aufrichten, wenn sie auf den Rücken rollt. Mit Hilfe von Computermodellen fanden die Forscher eine Variante dieser Form für ihre Kapsel, die es ihr erlaubt, sich selbst in der dynamischen Umgebung des Magens neu zu orientieren. „Auch wenn sich eine Person bewegt oder der Magen knurren würde, würde sich das Gerät seine bevorzugte Ausrichtung nicht verlassen“, schildert Abramson. Ein kleines Video veranschaulicht, wie das Ganze funktioniert.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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