Sucht und emotionale Labilität

Alkohol bei Jugendlichen

Stuttgart - 11.02.2019, 16:45 Uhr

Emotionale Instabilität und Suchtverhalten assoziieren Hirnforscher mit exzessivem Alkoholkonsum im jugendlichen Alter. (Foto: DragonImages / stock.adobe.com)

Emotionale Instabilität und Suchtverhalten assoziieren Hirnforscher mit exzessivem Alkoholkonsum im jugendlichen Alter. (Foto: DragonImages / stock.adobe.com)


Emotionale Labilität und eine erhöhte Suchtneigung: Diese zwei Effekte bringen Wissenschaftler mit jugendlichem, exzessivem Alkoholkonsum in Verbindung. Schuld sein könnte eine verminderte Produktion von BDNF (brain-derived neurotrophic factor). Der Wachstumsfaktor spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns und dessen Plastizität.

Starten Menschen bereits in ihrer Jugend und nicht erst als Erwachsene, exzessiv Alkohol zu trinken, wirkt sich das negativ aus. Zu diesem Schluss kommen Hirnforscher in Transalational Psychiatry. Grundlage für ihre Annahme bilden epidemiologische Studien, anhand derer sie Rückschlüsse auf Trinkverhalten und Hirnstruktur ziehen konnten. So waren die Exzesstrinker im Jugendlichenalter später viermal häufiger alkoholabhängig, als Menschen, die erst im Erwachsenenalter regelmäßig Alkohol konsumierten. Auch mit emotionalen Problemen kämpften die frühen Alkoholtrinker eher. Beide Probleme – erhöhte Suchtneigung und emotionale Instabilität – führen die Wissenschaftler auf Veränderungen in der Amygdala zurück, die bei den Patienten post mortem festgestellt wurden.

BDNF vermindert bei frühem Alkoholkonsum

Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems. Diese Hirnregion ist verantwortlich für die emotionale Bewertung von Situationen und für die Furchtkonditionierung. Welche wichtige Rolle die Amygdala bei der Gefahreneinschätzung spielt, sieht man beispielsweise bei Menschen, die keine Amygdala haben – auch in größten Gefahrensituationen unternehmen sie keinen Rettungsversuch. Hirnforscher der Universität haben nun diese Hirnregion bei 44 Personen untersucht. Die Menschen verstarben relativ früh, im Alter von Ende 50 Jahren. Von diesen 44 Personen war die Hälfte bei ihrem Tod alkoholabhängig, elf hatten bereits als Jugendliche – vor dem 21. Lebensjahr – stark Alkohol konsumiert, elf der Alkoholiker starteten mit dem Alkoholkonsum erst später. Die übrigen 22 Personen der epidemiologischen Auswertung waren zum Zeitpunkt ihres Todes nicht alkoholsüchtig.

Bei den jugendlichen Trinkern fanden die Wissenschaftler 30 Prozent mehr BDNF-AS, was ein Steuergen für BDNF ist, den brain-derived neurotrophic factor. Der Wachstumsfaktor spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns und auch bei dessen Plastizität. BDNF-AS vermindert jedoch die Produktion von BDNF, so dass der Wachstumsfaktor bei den jugendlichen Alkoholkonsumenten vermindert war. Bei beiden der anderen Gruppen – den Nicht-Alkoholikern und den Alkoholikern mit späterem Trinkstart – war BDNF im Gehirn nicht reduziert.

Suchtneigung und emotionale Labilität steigen

Laut den Forschern kann eine verminderte BDNF-Konzentration in den Amygdalae auf eine verminderte emotionale Lernfähigkeit hindeuten, was sodann auch die emotionalen Probleme und die Suchtneigung im Erwachsenenalter bei frühem Alkoholkonsum erklären könnte. Allerdings ist dies offenbar auch nur ein Baustein im Suchtgeschehen, denn auch elf Menschen mit spätem Alkoholkosum waren zum Zeitpunkt ihres Todes alkoholabhängig. 

Die Hirnforscher führen die Langzeitwirkung auf das BDNF-System auf epigenetische Störungen zurück. Im Fall BDNF-AS scheint bei frühen Trinkern eine notwendige DNA-Methylierung nicht zu erfolgen.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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