Europa, Deine Apotheken – Spanien

Spaniens Apotheken: hohe Erwartungen und hohe Regulierung (Teil 2)

Berlin - 05.02.2019, 09:00 Uhr

Gute Erreichbarkeit der Apotheken: Im Jahr 2017 gab es in Spanien 47 Apotheken je 100.000 Einwohner.(Foto: philipus / stock.adobe.com)

Gute Erreichbarkeit der Apotheken: Im Jahr 2017 gab es in Spanien 47 Apotheken je 100.000 Einwohner.(Foto: philipus / stock.adobe.com)


Eine relativ hohe Apothekendichte, weitgehende Regulierung und ein niedriges Preisniveau: Diese Merkmale zeichnen den Apothekenmarkt in Spanien aus. Hinzu kommt der Druck auf das Gesundheitssystem durch den demografischen Wandel und die seit Jahren steigenden Kosten. Mehr dazu lesen Sie im zweiten Teil unseres Porträts des spanischen Apothekenmarktes.

Apotheken: Fremd- und Mehrbesitzverbot 

Die spanische öffentliche Apotheke ist eine private Gesundheitseinrichtung, die dem öffentlichen Interesse dient. Hervorgehoben wird die Notwendigkeit der Unabhängigkeit des Handelns der Apotheker. So sollen Konflikte mit anderen Berufsgruppen des Gesundheitswesens genauso vermieden werden wie rein ökonomische Entscheidungen, die nicht der öffentlichen Gesundheit dienen. Begründet wird auf diese Weise auch das Fremd- und Mehrbesitzverbot von öffentlichen Apotheken. 

Hohe Apothekendichte – wichtiges Konzept in Spanien

Das spanische Gesundheitswesen zeichnet sich im Bereich der Arzneimittelversorgung durch ein Konzept der guten Erreichbarkeit ihrer Apotheken aus. Im Jahr 2017 gab es laut Angaben der ABDA in Spanien 47 Apotheken je 100.000 Einwohner.

Apotheke in Zahlen

Die Anzahl der öffentlichen Apotheken wurde laut „Generalrat der Offiziellen Kollegien der Pharmazeuten“ für 2015 mit 21.937 angegeben. Ihre Zahl sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 gestiegen. Ebenso sei die Anzahl der in öffentlichen Apotheken beschäftigten Apotheker gestiegen. 48.424 waren es im Jahre 2015. Im Schnitt wurden 2,2 Apotheker pro Apotheke beschäftigt. Mehr als 70 Prozent der Apotheker in öffentlichen Apotheken sind Frauen. Das entspricht ungefähr dem Frauenanteil in Deutschland. Das Durchschnittsalter aller Pharmazeuten in Spanien liegt bei 47 Jahren. Die größte Gruppe bildet die der 35-44-Jährigen.

„Informationszentrum über Arzneimittelversorgung“

Die Versorgung mit Medikamenten soll in allen Teilen Spaniens möglichst gleich gewährleistet sein. Im Falle von Unregelmäßigkeiten in der Lieferfähigkeit von Medikamenten steht eine Informationsplattform mit Echtzeit-Daten über die aktuelle Lage zur Verfügung. Es handelt sich um das „Informationszentrum über Arzneimittelversorgung“ (Centro de Información sobre el Suministro de Medicamentos, CISMED). Diese Informationen sollen den zuständigen Behörden helfen, die Arzneimittelversorgung sicherzustellen und eine kontinuierliche Behandlung der Patienten zu gewährleisten. 

Arzneimittelmarkt und Arzneimittelpreisbildung 

Spanische Apotheker können sich online über die auf dem heimischen Markt befindlichen Medikamente und Gesundheitsprodukte informieren. Dafür steht die von den „Apothekerkammern“ herausgegebene Plattform Bot PLUS 2.0 mit ständig aktualisierten Informationen zu mehr als 2.500 Monografien zur Verfügung. Entnommen werden können sowohl Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Wechselwirkungen als auch die Arzneimittelpreise. Auch Informationen zu Krankheitsbildern oder zu internationalen Arzneimitteln sind enthalten.

Die Arzneimittelpreise in Spanien gehören zu den niedrigsten in der Europäischen Union. Der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel liegt in Spanien bei nur vier Prozent – der allgemeine bei 21 Prozent. Damit erhebt der spanische Staat im Vergleich zu den meisten anderen Staaten der Europäischen Union einen der niedrigsten Steuersätze auf Arzneimittel. In Deutschland hingegeben wird auf Medikamente der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben.

Rezeptabrechnung in Spanien

Die Abrechnung der Rezepte erfolgt im Gegensatz zu Deutschland direkt über die „Apothekenkammern“ der jeweiligen Provinzen. Die Rezepte werden im Monatsrhythmus abgerechnet. Dieses Abrechnungssystem garantiere eine ständige gesundheitliche und ökonomische Kontrolle über den Medikamentenverbrauch und erleichtere zudem die Arzneikosten, die dem öffentlichen Gesundheitssystem entstehen, festzustellen. Außerdem diene dieses System auch einer geforderten Transparenz im Gesundheitswesen und verhindere einen möglichen Missbrauch.

Anzahl der zu Lasten des öffentlichen Gesundheitssystems abgerechneten Rezepte

20162017Steigerung
901.572.083 €908.519.320 €+ 0,77 %

Ausgaben in Euro der zu Lasten des öffentlichen Gesundheitssystems abgerechneten Rezepte

20162017Steigerung
9.912.770.346 €10.170.786.502 €+ 2,6 %

Durchschnittliche Ausgaben pro Rezept in Euro der zu Lasten des öffentlichen Gesundheitssystems abgerechneten Rezepte

20162017Steigerung
10,99 €11,19 €+ 1,82 %

Selbstbeteiligung bei Medikamenten

Der Kostendruck auf das öffentliche Gesundheitssystem ist auch in Spanien groß. Im Jahre 2012 wurde deshalb ein neues System der Patientenbeiträge auf Medikamente eingeführt. Mit dem „Königlichen Gesetzesdekret 16/2012“ (El Real Decreto-Ley 16/2012) wurde auf die finanziellen Schwierigkeiten des öffentlichen Gesundheitssektors reagiert. So existiert seitdem eine nach Einkommen gestaffelte Zuzahlung von 60, 50 oder 40 Prozent. Rentner müssen sich seitdem auch an den Arzneikosten beteiligen. Ihre Selbstbeteiligung liegt bei 10 Prozent der Medikamentenkosten. Bei chronischen Krankheiten bestehen nach Einkommenshöhe gestaffelte Höchstbeträge der Selbstbeteiligung pro Monat. Zudem bestehen weiterhin für einige Personengruppen Befreiungen von der Zuzahlung. 

Gesundheitssystem – anerkannt und unter Kostendruck

Im Gegensatz zu Deutschland ist jeder Spanier im öffentlichen Gesundheitssystem zwangsversichert. Dieses gliedert sich in die regionalen Gesundheitsdienste (Servicios de Salud), die für die jeweilige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den verschiedenen Regionen zuständig sind. Unter dem Vorbehalt, dass die allgemeine Gesundheitsgesetzgebung (Ley General de Sanidad) eingehalten wird, können die Regionen die Versorgung selbst gestalten. Auf nationaler Ebene werden die Angelegenheiten des öffentlichen Gesundheitswesens durch das Nationale Gesundheitssystem (Sistema Nacional de Salud) verwaltet. 

Doch Spanien hat ein demografisches Problem. Die Geburtenrate liegt unter dem EU-Schnitt. Gleichzeitig erreicht die Lebenserwartung der Spanier den höchsten Wert innerhalb der Europäischen Union. Die Überalterung der Gesellschaft führt unter anderem zu Problemen der Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens. Insgesamt wird von einer ähnlichen demografischen Entwicklung mit vergleichbaren Folgen wie in Deutschland ausgegangen. Insbesondere das öffentliche Gesundheitswesen Spaniens steht deshalb unter enormen Kostendruck. 

Spanische Verfassung: Recht auf Gesundheit

Bemerkenswert ist die Stellung der Gesundheit in der spanischen Verfassung aus dem Jahre 1978: „Das Recht auf Schutz der Gesundheit wird anerkannt“ – so Artikel 43. Die spanische Verfassung erkennt damit nicht nur das Recht auf Schutz der Gesundheit an, der Staat ist laut Verfassungstext zudem für den Gesundheitsschutz und die Förderung der Gesundheitserziehung zuständig.

Dieses System wird von vielen Spaniern kritisiert. Vor allem solle es gerechter an die Einkommen angepasst werden und Rentner weiterhin befreit von Zuzahlungen bleiben. Vor 2012 waren Rentner und Patienten mit bestimmten Krankheiten von einer Beteiligung an den Arzneikosten befreit oder bezahlten wie im Fall von Aids einen erniedrigten Satz. Ansonsten mussten sich Patienten mit 40 Prozent an den Arzneimittelkosten beteiligen – bei allerdings insgesamt niedrigem Preisniveau.

Online Handel mit Arzneimitteln: Rx-Versandverbot und keine Boni

Die allgemeinen Veränderungen im Kaufverhalten sind auch in Spanien spürbar. Im Bereich des Online-Handels mit Medikamenten hat der spanische Staat jedoch eine klare Haltung: Es existiert ein Rx-Versandverbot für Humanarzneimitteln. Ferner darf der Verkauf von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über das Internet nur von öffentlich zugänglichen, gesetzlich zugelassenen Apotheken durchgeführt werden, die in einer von der zuständigen Behörde veröffentlichten Liste aufgeführt sind. Außerdem sind Boni oder sonstige Geschenke beziehungsweise Vergünstigungen nicht zulässig. Um aus Gründen der Arzneimittelsicherheit jederzeit Nachfragen der Apotheker gegenüber den Patienten zu ermöglichen, müssen die personenbezogenen Daten des Kunden auch Angaben wie Telefonnummer und E-Mail-Adresse enthalten.

Die Zukunft der spanischen Apotheken – und des Gesundheitssystems

Auch in Spanien werden Wege für die Zukunft des Apothekenwesens gesucht. Unter anderem geht es um eine vermehrte Annäherung an die Bedürfnisse der Patienten. So legt die spanische Apothekerschaft unter anderem einen Schwerpunkt in der Entwicklung neuer Dienstleistungen mit dem Ziel das Gesundheitssystem insgesamt zu stärken. Dafür wird auch verstärkt auf multidisziplinäre Zusammenarbeit gesetzt. Verschiedene Programme und Projekte wurden dazu aufgelegt. Unter anderem werden im Projekt „Projecto conSIGUE“ die gesundheitlichen und ökonomischen Auswirkungen einer Pharmakotherapie-Überwachung älterer, multimorbider Patienten durch Apotheken ausgewertet.

Anzahl der Einwohner Spaniens – Prozentzahl der Einwohner, die älter als 65 Jahre alt sind – durchschnittliche Lebenserwartung (Stand Januar 2019) | Quelle: Ministerio de Sanidad, Consumo y Bienestar Social

Umfragen des Ministeriums für Gesundheit, Konsum und Soziales (Ministerio de sanidad, consumo y bienestar social) ergaben bisher eine hohe Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, das Gesundheitssystem funktioniere recht gut bis gut. Die in Spanien in den letzten Jahren eingeführten Veränderungen werden jedoch auch kritisch kommentiert. So sind nur ein Viertel der Spanier der Meinung, dass das im Jahre 2012 geänderte Beitragssystem im Bereich der Arzneimittelversorgung erfolgreich und gerecht ist. So bleibt die Aufgabe, das spanische Gesundheitssystem – und die Apotheken – in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. 



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Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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