Interview

„Kein Apotheker vor Ort kann gegen Amazon konkurrieren“

Berlin - 25.01.2019, 07:00 Uhr

Dr. Hermann Vogel, Inhaber der Winthir-Apotheke in München: Amazon ist selbst für DocMorris eine Existenzbedrohung. ( r / Foto: Vogel)

Dr. Hermann Vogel, Inhaber der Winthir-Apotheke in München: Amazon ist selbst für DocMorris eine Existenzbedrohung. ( r / Foto: Vogel)


Genießt Amazon bei Behörden Immunität?

DAZ.online: Jeder Nutzer von Amazon muss sich doch einverstanden erklären, dass seine Daten gespeichert werden dürfen. Reicht das nicht?

Vogel: Eben nicht. Bei Gesundheitsdaten muss jedes Mal explizit und unabhängig von der Zustimmung zu den „Nicht-Gesundheitsdaten“ gefragt werden. Und noch etwas: Gerade bei Bestandskunden, die Amazon seit mindestens zehn Jahren nutzen, wird beim Kauf von Arzneimitteln gar nicht nach einer Einwilligung gefragt.

DAZ.online: In einem ersten Rechtsstreit gegen einen „Amazon-Apotheker“ sind Sie vergangenes Jahr im März mit dieser Argumentation vor dem Landgericht Dessau-Roßlau durchgekommen…

Vogel: So ist es! Das Landgericht Dessau ist dieser Argumentation gefolgt. Das aus meiner Sicht auch für Nicht-Juristen verständliche Urteil sollte jeder Apotheker einmal komplett lesen! Es zeigt, welche Verantwortung wir Apotheker hinsichtlich der Gesundheitsdaten unserer Kunden tragen.

Hermann Vogel wünscht sich, dass auch die Aufsicht hellhörig wird.

DAZ.online: Haben Sie hierüber bereits mit Behörden gesprochen? Sollten diese nicht tätig werden, wenn tatsächlich Datenschutzvorschriften verletzt werden?

Vogel: Ich habe dort mein Anliegen schriftlich vorgetragen – aber außer einer Eingangsbestätigung habe ich bis heute keine Antwort erhalten. Auch bei der für die Münchner Apotheken zuständige Aufsichtsbehörde bin ich vergeblich vorstellig geworden. Nachdem im Mai 2017 Amazon Prime in München gestartet ist, haben ein Kollege und ich die Behörde auf die datenschutzrechtlichen Missstände und auf die fehlende gesetzlich geforderte Zweitzustellung bei Amazon Prime hingewiesen. Konsequenzen gab es jedoch keine. Wir haben noch mehrmals beim Kreisverwaltungsreferat nachgehakt und ich bin sehr erstaunt, wie nachsichtig die Münchner Behörde bei Amazon prime ist. Während die Wiedereröffnung einer Apotheke wegen einer zu hoher Eingangsschwelle verweigert wird oder Apotheker für eine neunminütige Abwesenheit die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen, genießt Amazon prime offensichtlich bei Behörden, Pharmazieräten und Kammern Immunität.

DAZ.online: Warum meinen Sie, ist das so?

Vogel: Das müssen Sie die zuständigen Behörden und Personen fragen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Liegt da schon Das Wort Korruption in der Luft?

von Heiko Barz am 01.02.2019 um 11:33 Uhr

Endlich sollten wir begreifen, wie, was und wen wir bei Wahllisten ankreuzen!
Die Beharrlichkeit der Negation von Behörden, bezüglich des obigen Artikels - Datenschutz -, ist doch leicht zu begründen. Die Behörden, speziell deren Protagonisten, haben deutlich Angst juristische Fehler zu begehen und würgen deshalb solche Problemfelder gern ab.

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Amazon

von Agnieszka am 29.01.2019 um 23:38 Uhr

Ich kann es nicht nachvollziehen, dass viele Kolleginen ubd Kollegen immer noch fleißig ( fast) alles bequem bei Amazon bestellen. Wie oft habe ich für Kolleginen Amazon - Pakete für auch aus Bequemlichkeit an den Arbeitsplatz Apotheke bestellt wurden entgegen genommen!
Da ich als Vertretung arbeite , kenne ich deutlich mehr als nur eine Apotheke..... Sogar mein früherer Chef schenkte mir mal zum Geburtstag ein Amazongutschein..... Da ich nach einer TV-Reportage nie im Leben dort bestellen würde, wollte ich dem Amazon kein bereits bezahltes Geld schenken aber sich kein Porto bezahlen.... Daher kaufte ich dort ein Buch.
Drei Mal dürfen Sie von welchem Verlag! Diese Zeitdchrift gehört auch dahin daher hoffe ich, daß mein Kommentar hier auch Veröffentlichung wird! Daher war das für mich sich das letzte Buch des DAV!!!!

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