Strafzahlung für US-Apothekenkette

Walgreens: überhöhte Preise und unnötig abgegebene Insulin-Pens

München - 24.01.2019, 15:45 Uhr

Dem US-Apothekenkonzern wurden in der Vergangenheit schon häufiger Vorwürfe wegen falschen Abrechnungen gemacht, jetzt hat sich Walgreens erneut auf eine Strafzahlung geeinigt. ( r / Foto: Imago)

Dem US-Apothekenkonzern wurden in der Vergangenheit schon häufiger Vorwürfe wegen falschen Abrechnungen gemacht, jetzt hat sich Walgreens erneut auf eine Strafzahlung geeinigt. ( r / Foto: Imago)


Der US-Apothekenkonzern Walgreens hat sich in New York durch Zahlung einer Vergleichssumme von fast 270 Millionen Dollar zweier Zivilklagen wegen Betrugs am Gesundheitssystem entledigt. Dem Konzern wird vorgeworfen, Hunderttausende Insulin-Pens abgegeben zu haben, obwohl die Patienten diese teilweise gar nicht benötigten. Es ist nicht das erste Mal, dass der US-Konzern auffällig geworden ist.

In teuren Vergleichen vor einem New Yorker Gericht hat der US-Apothekenkonzern Walgreens zwei Zivilklagen beigelegt. Der Konzern zahlte insgesamt 269,2 Millionen Dollar, nachdem dem Unternehmen vorgeworfen worden war, über ein Jahrzehnt lang die staatlichen US-Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid betrogen zu haben. Das teilte das US-Justizministerium mit.

In einem Fall wurde dem Konzern mit seinen über 9500 US-Apothekengeschäften vorgeworfen, von 2006 bis 2017 Hunderttausende von Insulin-Pens an Patienten abgegeben und in Rechnung gestellt zu haben, obwohl die Verantwortlichen wussten, dass diese Personen die Arzneimittel in den ausgegebenen Mengen gar nicht brauchten. In diesem Fall zahlt Walgreens nach Angaben des Justizministeriums eine Vergleichssumme in Höhe von 209,2 Millionen Dollar.

Nach ergänzenden Aussagen der New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James habe sich Walgreens bei der Abgabe der Insulin-Pens nicht immer an die durch Ärzte ausgestellten Rezeptvorgaben gehalten. So hätten Walgreens-Mitarbeiter vielfach Boxen mit fünf Pens ausgegeben, obwohl die Patienten so viele nicht benötigten. Das habe schließlich dazu geführt, dass diese Patienten über die staatlichen Medicare- und Medicaid-Programmen routinemäßig mehr Insulin erhalten hätten als verschrieben. Walgreens wiederum habe den Gesundheitskassen die zusätzlichen Insulinmengen in Rechnung gestellt.

Überhöhte Preise in Rechnung gestellt

In einem zweiten Fall hat sich Walgreens zu einer Zahlung von 60 Millionen Dollar bereit erklärt. In dem Fall wurde dem Konzern vorgeworfen, gegenüber dem staatlichen Medicaid-Programm von 2008 bis 2017 überhöhte Preise für Arzneimittel in Rechnung gestellt zu haben, obwohl das Unternehmen die betreffenden Arzneimittel zu niedrigeren Preisen abgegeben hatte.

Der in Deerfield, Illinois, ansässige Konzern teilte in einer eigenen Mitteilung mit, dass man „die Verantwortung für das vorgeworfene Verhalten gemäß den Vergleichsvereinbarungen zugibt, anerkennt und übernimmt“. Zusätzlich wies Walgreens aber darauf hin, dass man „kein Fehlverhalten zugegeben“ habe und dass die Vergleiche im besten Interesse von Kunden, Patienten und anderen Interessengruppen seien. Zudem erklärte der Konzern, in der Bilanz ab 30. November 2018 entsprechende Rückstellungen zur Finanzierung der Vergleiche vorgenommen zu haben.

Klagen gehen auf Whistleblower zurück

Die Anschuldigungen gehen auf sogenannte Whistleblower zurück, die nach dem Federal False Claims Act im Namen des US-Staates klagen können. Im ersten Fall hatten zwei Apotheker im Juli 2015 die Beschwerde bezüglich der Insulin-Pens eingereicht. Die Beschwerde hinsichtlich der Preisnachlässe für Medikamente geht auf einen ehemaligen Mitarbeiter zurück, der ein Jahrzehnt lang als Apothekenmanager in Florida für Walgreens tätig war und seine Vorwürfe im Januar 2012 publik gemacht hatte.

Neben den Vergleichszahlungen schloss Walgreens nach Angaben des Justizministeriums auch eine Vereinbarung mit dem US-Gesundheitsministerium, wonach sich der Konzern zu mehr Unternehmensintegrität verpflichtet und zusichert, künftig die Gesundheitsprogramme der Bundesbehörden nach den vorgegebenen Regeln zu befolgen.

Walgreens bereits früher auffällig

Der aktuelle Fall ist nicht der erste, in dem Walgreens gesetzeswidriges Handeln vorgeworfen wird und der Konzern teure Vergleiche eingeht. So stimmte das Unternehmen nach einem Bericht des US-Justizministeriums Anfang 2017 einer Zahlung von 50 Millionen Dollar zu, nachdem ihm zur Last gelegt worden war, sogenannte Kickback-Zahlungen an Patienten und Kunden geleistet zu haben, damit diese an Walgreens Gesundheitsprogramm Prescription Savings Club (PCS) teilnehmen. Bei diesem im Jahr 2007 von Walgreens eingeführten Programm wurden den Mitgliedern tausende von Arzneimitteln und Pflegeartikeln zu reduzierten Preisen angeboten, in der Hoffnung, dass diese Personen all ihre benötigten Medikamente und Drogerieartikel in den Geschäften des Konzerns einkaufen.

Im Jahr 2013 stimmte Walgreens nach Angaben der US-Antidrogenbehörde DEA in einem Zivilverfahren einem Vergleich von 80 Millionen Dollar zu. In diesem Fall hatte DEA dem Konzern vorgeworfen, in zahlreichen Fällen wichtige Arznei-Dokumente nicht korrekt aufbewahrt und Rezepturverstöße begangen zu haben. Zudem habe Walgreens damals zugelassen, dass eigentlich streng kontrollierte Arzneisubstanzen wie Schmerzmittel missbräuchlich verwendet und illegal auf dem Schwarzmarkt verkauft worden seien.

Walgreens bezeichnet sich selbst als eine der größte Apotheken- und Drogerieketten der USA. Das Unternehmen zähle jeden Tag etwa acht Millionen Kundenkontakte. Walgreens ist Teil des weltweit größten Apothekenkonzerns und Arzneimittelhändlers Walgreens Boots Alliance (WBA), zu dem in Deutschland die frühere Anzag gehört. In Großbritannien betreibt der Konzern die Drogerie- und Apothekenkette Boots.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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