Grenzüberschreitende Arzneimittelversorgung

Finnen können E-Rezepte in Estland einlösen

Berlin - 23.01.2019, 10:15 Uhr

Finnische Ärzte können elektronische Rezepte ausstellen, die Patienten seit dieser Woche in Estland in bestimmten Apotheken einlösen können. ( r / Foto: Rawf8 / stock.adobe.com)

Finnische Ärzte können elektronische Rezepte ausstellen, die Patienten seit dieser Woche in Estland in bestimmten Apotheken einlösen können. ( r / Foto: Rawf8 / stock.adobe.com)


Es ist ein Novum in der Europäischen Union: Erstmals können EU-Bürger eine ärztliche Verordnung in einem anderen EU-Mitgliedstaat einlösen. Konkret geht es um finnische Patienten, die Rezepte aus ihrem Heimatland seit dieser Woche auch in Apotheken in Estland einlösen können – das E-Rezept macht es möglich. Zehn weitere Länder sollen möglicherweise noch in diesem Jahr folgen, doch Deutschland ist so schnell nicht dabei. 

Während in Deutschland gerade erst die Vorbereitungen zur Konkretisierung des E-Rezepts beginnen, gibt es andernorts in Europa bereits einen grenzüberschreitenden Austausch von elektronischen Verordnungen. Wie die EU-Kommission am vergangenen Montag vermeldete, erhalten finnische Patienten ab sofort in Apotheken in Estland Arzneimittel, die ihnen ihr Arzt in Finnland elektronisch verschrieben hat. Wie das funktioniert? Die teilnehmenden Apotheken im Aufenthaltsland können die elektronischen Verschreibungen über die neue digitale E-Health-Dienste-Infrastruktur einsehen – schriftliche Verordnungen müssen die Patienten nicht vorlegen. Die Regelung gilt für alle elektronischen Verschreibungen aus Finnland und für die estnischen Apotheken, die die Vereinbarung unterzeichnet haben.

„Wir müssen es den Menschen so einfach wie möglich machen, eine Behandlung oder Arzneimittel zu erhalten, wenn sie sich im EU-Ausland aufhalten“, erklärte Andrus Ansip, Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt. Er hoffe, dass andere Länder dem Beispiel Finnlands und Estlands bald folgen.

Die Initiative ist Teil der EU-Strategie für digitale Gesundheitsversorgung und Pflege. Diese will die aufgeklärte Mitwirkung der Patienten verbessern, indem die Patienten Zugang zu ihren Gesundheitsdaten erhalten und die Kontinuität der Versorgung gewährleistet wird.

Austausch von E-Rezepten und Patientenkurzakten

Schon in der EU-Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte aus dem Jahr 2011 ist angelegt, dass die Mitgliedstaaten Gesundheitsdaten sicher, effizient und interoperabel austauschen können. Konkret sollen zwei grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen nun schrittweise in allen EU-Mitgliedstaaten eingeführt werden: elektronische Verschreibungen und Patientenkurzakten. Beide Leistungen werden durch die von der Europäischen Kommission finanzierte digitale E-Health-Dienste-Infrastruktur ermöglicht, die die nationalen E-Health-Dienste verbindet und über die Gesundheitsdaten ausgetauscht werden können. Das eHealth-Netz (das Netz der eHealth-Behörden in der EU) hat kürzlich nicht nur grünes Licht für den Austausch elektronischer Verschreibungen zwischen Finnland und Estland gegeben, sondern auch für den Austausch von Patientenkurzakten zwischen Tschechien und Luxemburg. Die Kommission betont: Bei all dem werden die Datenschutzvorschriften strikt befolgt – Patienten müssen ihre Einwilligung erteilen, bevor die Dienste genutzt werden können.

Portugal, Griechenland und Zypern als Vorreiter

Begeistert von den neuen digitalen Möglichkeiten ist auch EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis: „Der Austausch von elektronischen Verschreibungen und Patientenkurzakten ist von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit der Patienten, da Ärzte so die Krankengeschichte ausländischer Patienten besser verstehen können und das Risiko einer falschen Medikation und die Kosten für doppelte Untersuchungen verringert werden können. Die Kommission wird den Ausbau dieses Austauschs in der EU weiter unterstützen.“

Bislang sind 22 Mitgliedstaaten an der digitalen E-Health-Dienste-Infrastruktur beteiligt, darunter auch Deutschland. Diese werden laut Kommission voraussichtlich ab Ende 2021 elektronische Verschreibungen und Patientenkurzakten austauschen, heißt es seitens der Kommission. Zehn Mitgliedstaaten (Finnland, Estland, Tschechien, Luxemburg, Portugal, Kroatien, Malta, Zypern, Griechenland und Belgien) beginnen möglicherweise bereits Ende 2019 mit diesem Austausch.

Das E-Rezept in Deutschland

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) begrüßt die europäische Zusammenarbeit, um die Versorgung auch über Grenzen hinweg sicher unterstützen zu können. Hierzulande braucht man aber noch etwas Zeit. In Deutschland ist bekanntlich die gematik mit dem Aufbau der nationalen Telematikinfrastruktur beauftragt. Der derzeitige Entwurf für das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung sieht vor, dass die gematik bis zum 30. Juni 2020 auch die technischen Voraussetzungen zur Einführung elektronischer Arzneimittelverordnungen schafft. Die Selbstverwaltung soll zugleich die erforderlichen Regelungen für die Verwendung von E-Rezepten festlegen.

Wie eine Ministeriumssprecherin erklärte, habe sich sich das BMG dafür eingesetzt, dass sich die gematik auch bei den laufenden Arbeiten auf europäischer Ebene einbringt. „Auf Basis dieser Arbeiten wird geprüft, wie ein solcher europäischer Dienst dauerhaft angeboten werden kann, einschließlich regionaler Erprobungen“, so die Sprecherin. Und weiter: „Der europäische Austausch von elektronischen Rezepten wird mit der aktuellen Beschleunigung zur Einführung des elektronischen Rezeptes in Deutschland relevanter“.  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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